Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die Eilffte Geistliche Lection Du mattest die Glieder deines Leibs ab mit vielfältiger und scharffer Züch-tigung; und ich werde mit den höllischen Flammen in alle Ewigkeit gepei- niget: in diesem allein über windest du mich/ und ich dir auch zu weichen schul- dig bin/ nemblich daß du demüthig bist/ und klein in deinen Augen/ dann in dieser Tugend mit dir zu streiten/ ich keinen füglichen Platz finde/ auff wel- chem ich gegen dich obzusiegen/ mir getrauen könte. 6. Verlangest du nun auch/ mein Christliche Seel/ der verfluchten Gei- gestalt
Die Eilffte Geiſtliche Lection Du matteſt die Glieder deines Leibs ab mit vielfaͤltiger und ſcharffer Zuͤch-tigung; und ich werde mit den hoͤlliſchen Flammen in alle Ewigkeit gepei- niget: in dieſem allein uͤber windeſt du mich/ und ich dir auch zu weichen ſchul- dig bin/ nemblich daß du demuͤthig biſt/ und klein in deinen Augen/ dann in dieſer Tugend mit dir zu ſtreiten/ ich keinen fuͤglichen Platz finde/ auff wel- chem ich gegen dich obzuſiegen/ mir getrauen koͤnte. 6. Verlangeſt du nun auch/ mein Chriſtliche Seel/ der verfluchten Gei- geſtalt
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Die Eilffte Geiſtliche Lection
Du matteſt die Glieder deines Leibs ab mit vielfaͤltiger und ſcharffer Zuͤch-
tigung; und ich werde mit den hoͤlliſchen Flammen in alle Ewigkeit gepei-
niget: in dieſem allein uͤber windeſt du mich/ und ich dir auch zu weichen ſchul-
dig bin/ nemblich daß du demuͤthig biſt/ und klein in deinen Augen/ dann in
dieſer Tugend mit dir zu ſtreiten/ ich keinen fuͤglichen Platz finde/ auff wel-
chem ich gegen dich obzuſiegen/ mir getrauen koͤnte.
6. Verlangeſt du nun auch/ mein Chriſtliche Seel/ der verfluchten Gei-
ſter Kriegs-Heer zu uͤberwinden/ ſo hoͤre/ und zugleich erhoͤre Chriſtum ruf-
fen: diſcite & c. lehrnet von mir/ dann ich bin ſanfftmuͤthig und demuͤthig von
Hertzen: derhalben wann Chriſtus ſich alſo gedemuͤthiget/ daß er auch einem
Wurm ſich zu vergleichen keinen Schew getragen hat: wie er durch den
Mund deß Koͤniglichen Propheten bezeuget: ich aber bin ein Wurm/
und kein Menſch/ eine Schmach der Leute/ und eine Ver-
achtung deß Volcks: derhalben/ mein Chriſtliche Seel/ wan man mit
dir gleich einem Wurm umbgehet/ ſo huͤte dich/ daß nicht ſolches dir eine un-
zimbliche Traurigkeit verurſache/ weilen dergleichen Traurigkeit eine An-
zeigerin iſt der Hoffart: ſondern vielmehr/ wann man dich plaget/ wan man
mit Unbill wider dich verfahret/ uͤbertrage ſolches ſtandhafftig/ und ſage jeder-
zeit mit Carolomanno einem Fuͤrſten auß Franckreich/ ſo auß einem Herrn
auff dem Berg Caſſino ein armer Geiſtlicher worden/ und da er von der O-
brigkeit zu der Kuͤchen-Arbeit verordnet worden/ und von dem Koch auch ſo
gar mit Maultaſchen verehret wurde/ hat alles mit hoͤchſter Demuth gelit-
ten/ und nichts anders geſagt/ als dieſes: der Herr verzeyhe dirs und
Carolomannus. Jn Summa: alle Kraͤfften deß Teuffels verlichren ſich in
ſtaͤter Ubung dieſer ſo herrlichen Tugend/ darumb erzehlte einsmahls ein ſi-
cherer Geiſtlicher/ daß er die boͤſe Geiſter alſo miteinander redend gehoͤrt ha-
be. Wan wir die Muͤnchen beunruͤhigen/ und einer unter ihnen ſich demuͤti-
get/ ſo vernichtiget ſolches alle unſere Kraͤfften: wie wahr nun dieſes ſeye/ iſt
auß folgendem klaͤhrlich zu ſehen. Zwey leibliche Bruͤder dieneten Gott zuſam-
men in einer Wohnung/ und uͤbeten ſich in geiſtlichem Leben mit aller Zu-
friedenheit; damit aber der Urheber alles Ubels dieſes friedſame Leben durch
einigen Zweyſpalt zerſtoͤren moͤchte/ hat er mit Umbwendung deß Leuchters
ihnen das Liecht außgeloͤſchen: woruͤber der aͤlteſte zur Ungedult beweget/ ſei-
nen Bruder zu ſchlagen angefangen: dieſer aber unter dem Schlagen wider-
holte nichts anders/ als dieſes: Habe Gedult mein Bruder/ habe
Gedult/ anjetzo will ich hingehen/ und das Liecht wiederumb
anzuͤnden: Dieſe Demuth hat den Geiſt deß Unfriedens der-
geſtalt
Pſ. 21. v. 7.
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