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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der Demuth.
gesagt: ich bin Christus/ und weilen durch deine Verdiensten du mir gefal-
lest/ derhalben hab ich dich persöhnlich wollen besuchen: so bald aber der ge-
meldte Einsidler diesen falschen Christum gesehen/ hat er mit beyden Hän-
den seine Augen versperret/ und geruffen: ich will Christum allhier zeitlich
nicht sehen; mir ists gnug/ wann ich ihn werde sehen in seiner Herrligkeit:
deßgleichen ein ander gethan/ welcher in Ankunfft eines solchen vergestalteten
Christi; demselben mit diesen Worten zugeredet: sehe zu/ zu wem du
kommen bist/ ich bin fürwahr solcher nit/ der in diesem Le-
ben einen Heyland zu sehen verdiene:
auch hat er sich gebraucht
der Worten deß Heil. Apostels Petri: Herr gehe von mir hinauß/ dann ich
ein verächtlicher Mensch bin/ und deine Erscheinungen nicht verdiene/
dieweil ich ein Sünder bin: und hat also diesen bösen Christum von sich
hinweg getrieben. Gleich wie nun diese beyde Einsidler durch ihre gerin-
ge Meinung von sich selbsten dem Garn deß höllischen Jägers seynd entwi-
chen; also würden selbige durch sothane ieufflische Erfindungen unfehlbar
gefangen worden seyn/ wann nemblich der vorgemeldten Erscheinungen
würdig zu seyn vermeinet hätten; dann unter allen das kräfftigste Mittel ist/
dieses so grossen Feinds Kräfften zu ermatten/ die Demuth; derohalben der-
selbe unter allen Tugenden an dem Menschen zum meisten hasset und förch-
tet die Ernidrigung deß Hertzens; wie im Leben deß Heil. Macarii zu lesen;
zu diesem/ da er zum Körbe machen einige Weyden-Bündlein auß dem Pful
herauß getragen/ kombt einsmahls der höllische Feind mit einer Sensen/ fal-
let ihn grausamblich an/ und tröhet ihme mit dieser Sensen tödtlich zu verle-
tzen/ und ob er schon unauffhörlich sich bemühete/ den frommen Abten mit
seinem Waffen zu beschädigen/ vermochte doch solches mit nichten; son-
dern redete denselben scharff mit diesen Worten an: du Macari, verursa-
chest mir in meinem Kriegen grosse Unruhe/ und was in dero mich am mei-
sten plaget und betrübet/ ist dieses/ daß ich keine Kräfften habe/ dich zu über-
winden: du solst wissen/ daß alle die jenige Werck/ so du zur Ehren GOttes
verrichtest/ ich mit grösserem Eyffer und Strengigkeit übe und geübet habe:
Du fastest; Jch aber hab vom ersten Augenblick meiner Erschaffung biß zu
gegenwärtiger Zeit keine Speiß geschmecket: du bringest gantze Nachten
ohne Schlaff zu; und ich schlaffe niemahlen ein eintziges Augenblick: du
haltest die Keuschheit/ und ich begehe keine eintzige That/ so dieser
Tugend zu wider ist: du verachtest alle Güter der Welt; und
ich hab zu denselben niemahlen die geringsie Neigung getragen:

Du
P 2

Von der Demuth.
geſagt: ich bin Chriſtus/ und weilen durch deine Verdienſten du mir gefal-
leſt/ derhalben hab ich dich perſoͤhnlich wollen beſuchen: ſo bald aber der ge-
meldte Einſidler dieſen falſchen Chriſtum geſehen/ hat er mit beyden Haͤn-
den ſeine Augen verſperret/ und geruffen: ich will Chriſtum allhier zeitlich
nicht ſehen; mir iſts gnug/ wann ich ihn werde ſehen in ſeiner Herrligkeit:
deßgleichen ein ander gethan/ welcher in Ankunfft eines ſolchen vergeſtalteten
Chriſti; demſelben mit dieſen Worten zugeredet: ſehe zu/ zu wem du
kommen biſt/ ich bin fürwahr ſolcher nit/ der in dieſem Le-
ben einen Heyland zu ſehen verdiene:
auch hat er ſich gebraucht
der Worten deß Heil. Apoſtels Petri: Herr gehe von mir hinauß/ dann ich
ein veraͤchtlicher Menſch bin/ und deine Erſcheinungen nicht verdiene/
dieweil ich ein Suͤnder bin: und hat alſo dieſen boͤſen Chriſtum von ſich
hinweg getrieben. Gleich wie nun dieſe beyde Einſidler durch ihre gerin-
ge Meinung von ſich ſelbſten dem Garn deß hoͤlliſchen Jaͤgers ſeynd entwi-
chen; alſo wuͤrden ſelbige durch ſothane ieuffliſche Erfindungen unfehlbar
gefangen worden ſeyn/ wann nemblich der vorgemeldten Erſcheinungen
wuͤrdig zu ſeyn vermeinet haͤtten; dann unter allen das kraͤfftigſte Mittel iſt/
dieſes ſo groſſen Feinds Kraͤfften zu ermatten/ die Demuth; derohalben der-
ſelbe unter allen Tugenden an dem Menſchen zum meiſten haſſet und foͤrch-
tet die Ernidrigung deß Hertzens; wie im Leben deß Heil. Macarii zu leſen;
zu dieſem/ da er zum Koͤrbe machen einige Weyden-Buͤndlein auß dem Pful
herauß getragen/ kombt einsmahls der hoͤlliſche Feind mit einer Senſen/ fal-
let ihn grauſamblich an/ und troͤhet ihme mit dieſer Senſen toͤdtlich zu verle-
tzen/ und ob er ſchon unauffhoͤrlich ſich bemuͤhete/ den frommen Abten mit
ſeinem Waffen zu beſchaͤdigen/ vermochte doch ſolches mit nichten; ſon-
dern redete denſelben ſcharff mit dieſen Worten an: du Macari, verurſa-
cheſt mir in meinem Kriegen groſſe Unruhe/ und was in dero mich am mei-
ſten plaget und betruͤbet/ iſt dieſes/ daß ich keine Kraͤfften habe/ dich zu uͤber-
winden: du ſolſt wiſſen/ daß alle die jenige Werck/ ſo du zur Ehren GOttes
verrichteſt/ ich mit groͤſſerem Eyffer und Strengigkeit uͤbe und geuͤbet habe:
Du faſteſt; Jch aber hab vom erſten Augenblick meiner Erſchaffung biß zu
gegenwaͤrtiger Zeit keine Speiß geſchmecket: du bringeſt gantze Nachten
ohne Schlaff zu; und ich ſchlaffe niemahlen ein eintziges Augenblick: du
halteſt die Keuſchheit/ und ich begehe keine eintzige That/ ſo dieſer
Tugend zu wider iſt: du verachteſt alle Guͤter der Welt; und
ich hab zu denſelben niemahlen die geringſie Neigung getragen:

Du
P 2
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[115/0143] Von der Demuth. geſagt: ich bin Chriſtus/ und weilen durch deine Verdienſten du mir gefal- leſt/ derhalben hab ich dich perſoͤhnlich wollen beſuchen: ſo bald aber der ge- meldte Einſidler dieſen falſchen Chriſtum geſehen/ hat er mit beyden Haͤn- den ſeine Augen verſperret/ und geruffen: ich will Chriſtum allhier zeitlich nicht ſehen; mir iſts gnug/ wann ich ihn werde ſehen in ſeiner Herrligkeit: deßgleichen ein ander gethan/ welcher in Ankunfft eines ſolchen vergeſtalteten Chriſti; demſelben mit dieſen Worten zugeredet: ſehe zu/ zu wem du kommen biſt/ ich bin fürwahr ſolcher nit/ der in dieſem Le- ben einen Heyland zu ſehen verdiene: auch hat er ſich gebraucht der Worten deß Heil. Apoſtels Petri: Herr gehe von mir hinauß/ dann ich ein veraͤchtlicher Menſch bin/ und deine Erſcheinungen nicht verdiene/ dieweil ich ein Suͤnder bin: und hat alſo dieſen boͤſen Chriſtum von ſich hinweg getrieben. Gleich wie nun dieſe beyde Einſidler durch ihre gerin- ge Meinung von ſich ſelbſten dem Garn deß hoͤlliſchen Jaͤgers ſeynd entwi- chen; alſo wuͤrden ſelbige durch ſothane ieuffliſche Erfindungen unfehlbar gefangen worden ſeyn/ wann nemblich der vorgemeldten Erſcheinungen wuͤrdig zu ſeyn vermeinet haͤtten; dann unter allen das kraͤfftigſte Mittel iſt/ dieſes ſo groſſen Feinds Kraͤfften zu ermatten/ die Demuth; derohalben der- ſelbe unter allen Tugenden an dem Menſchen zum meiſten haſſet und foͤrch- tet die Ernidrigung deß Hertzens; wie im Leben deß Heil. Macarii zu leſen; zu dieſem/ da er zum Koͤrbe machen einige Weyden-Buͤndlein auß dem Pful herauß getragen/ kombt einsmahls der hoͤlliſche Feind mit einer Senſen/ fal- let ihn grauſamblich an/ und troͤhet ihme mit dieſer Senſen toͤdtlich zu verle- tzen/ und ob er ſchon unauffhoͤrlich ſich bemuͤhete/ den frommen Abten mit ſeinem Waffen zu beſchaͤdigen/ vermochte doch ſolches mit nichten; ſon- dern redete denſelben ſcharff mit dieſen Worten an: du Macari, verurſa- cheſt mir in meinem Kriegen groſſe Unruhe/ und was in dero mich am mei- ſten plaget und betruͤbet/ iſt dieſes/ daß ich keine Kraͤfften habe/ dich zu uͤber- winden: du ſolſt wiſſen/ daß alle die jenige Werck/ ſo du zur Ehren GOttes verrichteſt/ ich mit groͤſſerem Eyffer und Strengigkeit uͤbe und geuͤbet habe: Du faſteſt; Jch aber hab vom erſten Augenblick meiner Erſchaffung biß zu gegenwaͤrtiger Zeit keine Speiß geſchmecket: du bringeſt gantze Nachten ohne Schlaff zu; und ich ſchlaffe niemahlen ein eintziges Augenblick: du halteſt die Keuſchheit/ und ich begehe keine eintzige That/ ſo dieſer Tugend zu wider iſt: du verachteſt alle Guͤter der Welt; und ich hab zu denſelben niemahlen die geringſie Neigung getragen: Du P 2

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/143>, abgerufen am 20.04.2024.