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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Zehente Geistliche Lection
wigkeit zu wandern genöthiget werde/ derhalben solle sich mit einem sichern
Reiß-Pfenning/ nemblich den H. H. Sacramenten versehen lassen; ist er
nach gegebenem so heylsamen Rath gantz verhartet worden/ und hat mit zu-
mahliger Verzweiffelung geantwortet: schweiget nur still/ mein Heyt ist
verschärtzet/ ewere Ermahnungen können mir weiters nicht helffen: da die-
ses die umbstehende gehört/ haben sie den verzweifflenden Menschen mehr als
vorhin zu betten sich unterstanden; er wolle doch an die Barmhertzigkeit sei-
nes Erlösers gedencken/ auff selbigen seinen Hoffnungs-Aneker werffen/
und sich versicheren/ daß GOtt auch nach einem eintzigen hertzlichen Seuff-
tzer ihu in sein vorige Gnad auffzunehmen bereit seye: Sie haben/ mit ei-
nem Wort zu sagen/ diesen mißtrauenden Sünder in der Hoffnung zu be-
stättigen/ keine Mittel unterlassen: aber/ leider GOTTES! alles umb-
sonst: der sterbende hat seine Zung herauß gesteckt/ mit dem Finger auff sel-
bige bedeutet/ und gesagt: diese bößhaffte Zung stürtzet mich in die ewige
Verdamnüß: nach diesen Worten ist alsbald die ehrrührische Zung der-
gestalt auffgeschwollen/ daß er sie nicht mehr hat können zurück ziehen: also
ist dieser armseelige Mensch der Gnaden GOttes beraubet gestorben/ und
uns sämptlichen ein grausames Beyspiel hinterlassen/ auff daß wir durch
dessen Schaden witzig/ und also von diesem so grossen Laster der Verleumb-
Prov. 21.
v.
23.
dung befreyet werden möchten: Dann der seinen Mund verwahret
und seine Zung; der verhutet/ daß seine Seelnicht in Angst
komme.

4. Gleich wie dann keiner wird gefunden werden/ der nicht ein billiges
Abscheuen von der bittern Gesellschafft dieser verfluchten Seelen in der Höl-
len trage; also fliehe nun auch ein jeder das Ehrabschneiden; damit er unter
die Zahl dieses und anderer Verleumbder/ als ein Mitgesell nicht gezchlet
werde auff Erden Nehme wahr meine Christliche Seel die Lehr und Ex-
empeldeines Heytands/ welchen der hohe Priester gefragt/ von semen Jün-
gern und von seiner Lehr; hat aber keine andere Antwort bekommen/ als diese:
Jch hab öffentlich fur der Welt geredet/ und hab nichts
im verborgenen geredet: was fragest du mich? frage die
jenige/ die gehört haben/ was ich zu ihnen geredet hab:
von
seinen Jüngern aber hat er nichts geantwortet/ dieweilen er zur selben Zeit
noch wenig guts und löbliches von ihnen erfahren: dann einer hatte ihn verra-
then/ der andere verläugnet/ und die übrige waren von ihrem Herrn flüchtig
worden: Diese ist gewesen die Ursach deß Stillschweigens: Hierauß lerne
die Sünden deines Nechsten zu verbergen; und wann du nichts gutes hast

von

Die Zehente Geiſtliche Lection
wigkeit zu wandern genoͤthiget werde/ derhalben ſolle ſich mit einem ſichern
Reiß-Pfenning/ nemblich den H. H. Sacramenten verſehen laſſen; iſt er
nach gegebenem ſo heylſamen Rath gantz verhartet worden/ und hat mit zu-
mahliger Verzweiffelung geantwortet: ſchweiget nur ſtill/ mein Heyt iſt
verſchaͤrtzet/ ewere Ermahnungen koͤnnen mir weiters nicht helffen: da die-
ſes die umbſtehende gehoͤrt/ haben ſie den verzweifflenden Menſchen mehr als
vorhin zu betten ſich unterſtanden; er wolle doch an die Barmhertzigkeit ſei-
nes Erloͤſers gedencken/ auff ſelbigen ſeinen Hoffnungs-Aneker werffen/
und ſich verſicheren/ daß GOtt auch nach einem eintzigen hertzlichen Seuff-
tzer ihu in ſein vorige Gnad auffzunehmen bereit ſeye: Sie haben/ mit ei-
nem Wort zu ſagen/ dieſen mißtrauenden Suͤnder in der Hoffnung zu be-
ſtaͤttigen/ keine Mittel unterlaſſen: aber/ leider GOTTES! alles umb-
ſonſt: der ſterbende hat ſeine Zung herauß geſteckt/ mit dem Finger auff ſel-
bige bedeutet/ und geſagt: dieſe boͤßhaffte Zung ſtuͤrtzet mich in die ewige
Verdamnuͤß: nach dieſen Worten iſt alsbald die ehrruͤhriſche Zung der-
geſtalt auffgeſchwollen/ daß er ſie nicht mehr hat koͤnnen zuruͤck ziehen: alſo
iſt dieſer armſeelige Menſch der Gnaden GOttes beraubet geſtorben/ und
uns ſaͤmptlichen ein grauſames Beyſpiel hinterlaſſen/ auff daß wir durch
deſſen Schaden witzig/ und alſo von dieſem ſo groſſen Laſter der Verleumb-
Prov. 21.
v.
23.
dung befreyet werden moͤchten: Dann der ſeinen Mund verwahret
und ſeine Zung; der verhůtet/ daß ſeine Seelnicht in Angſt
komme.

4. Gleich wie dann keiner wird gefunden werden/ der nicht ein billiges
Abſcheuen von der bittern Geſellſchafft dieſer verfluchten Seelen in der Hoͤl-
len trage; alſo fliehe nun auch ein jeder das Ehrabſchneiden; damit er unter
die Zahl dieſes und anderer Verleumbder/ als ein Mitgeſell nicht gezchlet
werde auff Erden Nehme wahr meine Chriſtliche Seel die Lehr und Ex-
empeldeines Heytands/ welchen der hohe Prieſter gefragt/ von ſemen Juͤn-
gern und von ſeiner Lehr; hat aber keine andere Antwort bekommen/ als dieſe:
Jch hab oͤffentlich fůr der Welt geredet/ und hab nichts
im verborgenen geredet: was frageſt du mich? frage die
jenige/ die gehoͤrt haben/ was ich zu ihnen geredet hab:
von
ſeinen Juͤngern aber hat er nichts geantwortet/ dieweilen er zur ſelben Zeit
noch wenig guts und loͤbliches von ihnen erfahren: dann einer hatte ihn verra-
then/ der andere verlaͤugnet/ und die uͤbrige waren von ihrem Herrn fluͤchtig
worden: Dieſe iſt geweſen die Urſach deß Stillſchweigens: Hierauß lerne
die Suͤnden deines Nechſten zu verbergen; und wann du nichts gutes haſt

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[106/0134] Die Zehente Geiſtliche Lection wigkeit zu wandern genoͤthiget werde/ derhalben ſolle ſich mit einem ſichern Reiß-Pfenning/ nemblich den H. H. Sacramenten verſehen laſſen; iſt er nach gegebenem ſo heylſamen Rath gantz verhartet worden/ und hat mit zu- mahliger Verzweiffelung geantwortet: ſchweiget nur ſtill/ mein Heyt iſt verſchaͤrtzet/ ewere Ermahnungen koͤnnen mir weiters nicht helffen: da die- ſes die umbſtehende gehoͤrt/ haben ſie den verzweifflenden Menſchen mehr als vorhin zu betten ſich unterſtanden; er wolle doch an die Barmhertzigkeit ſei- nes Erloͤſers gedencken/ auff ſelbigen ſeinen Hoffnungs-Aneker werffen/ und ſich verſicheren/ daß GOtt auch nach einem eintzigen hertzlichen Seuff- tzer ihu in ſein vorige Gnad auffzunehmen bereit ſeye: Sie haben/ mit ei- nem Wort zu ſagen/ dieſen mißtrauenden Suͤnder in der Hoffnung zu be- ſtaͤttigen/ keine Mittel unterlaſſen: aber/ leider GOTTES! alles umb- ſonſt: der ſterbende hat ſeine Zung herauß geſteckt/ mit dem Finger auff ſel- bige bedeutet/ und geſagt: dieſe boͤßhaffte Zung ſtuͤrtzet mich in die ewige Verdamnuͤß: nach dieſen Worten iſt alsbald die ehrruͤhriſche Zung der- geſtalt auffgeſchwollen/ daß er ſie nicht mehr hat koͤnnen zuruͤck ziehen: alſo iſt dieſer armſeelige Menſch der Gnaden GOttes beraubet geſtorben/ und uns ſaͤmptlichen ein grauſames Beyſpiel hinterlaſſen/ auff daß wir durch deſſen Schaden witzig/ und alſo von dieſem ſo groſſen Laſter der Verleumb- dung befreyet werden moͤchten: Dann der ſeinen Mund verwahret und ſeine Zung; der verhůtet/ daß ſeine Seelnicht in Angſt komme. Prov. 21. v. 23. 4. Gleich wie dann keiner wird gefunden werden/ der nicht ein billiges Abſcheuen von der bittern Geſellſchafft dieſer verfluchten Seelen in der Hoͤl- len trage; alſo fliehe nun auch ein jeder das Ehrabſchneiden; damit er unter die Zahl dieſes und anderer Verleumbder/ als ein Mitgeſell nicht gezchlet werde auff Erden Nehme wahr meine Chriſtliche Seel die Lehr und Ex- empeldeines Heytands/ welchen der hohe Prieſter gefragt/ von ſemen Juͤn- gern und von ſeiner Lehr; hat aber keine andere Antwort bekommen/ als dieſe: Jch hab oͤffentlich fůr der Welt geredet/ und hab nichts im verborgenen geredet: was frageſt du mich? frage die jenige/ die gehoͤrt haben/ was ich zu ihnen geredet hab: von ſeinen Juͤngern aber hat er nichts geantwortet/ dieweilen er zur ſelben Zeit noch wenig guts und loͤbliches von ihnen erfahren: dann einer hatte ihn verra- then/ der andere verlaͤugnet/ und die uͤbrige waren von ihrem Herrn fluͤchtig worden: Dieſe iſt geweſen die Urſach deß Stillſchweigens: Hierauß lerne die Suͤnden deines Nechſten zu verbergen; und wann du nichts gutes haſt von

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/134>, abgerufen am 23.04.2024.