Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die Neunte Geistliche Lection mahln getröstet/ dem Allerhöchsten Danck sagen. Gedenck nun/ meinChristliche Seel; Wann dieser fronune Diener GOttes wegen so gerin- gen und wenigen/ nur auß einem billigen Eyffer geredeten Worten/ die- ser sonderbahren Gnad eine Zeitlang ist beraubt worden/ was wird dann mit uns geschehen? Jch förchte fürwahr/ wir werden wegen deß unbe- sonnenen Urtheilens derselben gäntzlich beraubet werden. vent. in vita. 5. O wie sehr ware erfahren in dieser Kunst der H. Seraphische Vat- weil
Die Neunte Geiſtliche Lection mahln getroͤſtet/ dem Allerhoͤchſten Danck ſagen. Gedenck nun/ meinChriſtliche Seel; Wann dieſer fronune Diener GOttes wegen ſo gerin- gen und wenigen/ nur auß einem billigen Eyffer geredeten Worten/ die- ſer ſonderbahren Gnad eine Zeitlang iſt beraubt worden/ was wird dann mit uns geſchehen? Jch foͤrchte fuͤrwahr/ wir werden wegen deß unbe- ſonnenen Urtheilens derſelben gaͤntzlich beraubet werden. vent. in vita. 5. O wie ſehr ware erfahren in dieſer Kunſt der H. Seraphiſche Vat- weil
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Die Neunte Geiſtliche Lection
mahln getroͤſtet/ dem Allerhoͤchſten Danck ſagen. Gedenck nun/ mein
Chriſtliche Seel; Wann dieſer fronune Diener GOttes wegen ſo gerin-
gen und wenigen/ nur auß einem billigen Eyffer geredeten Worten/ die-
ſer ſonderbahren Gnad eine Zeitlang iſt beraubt worden/ was wird dann
mit uns geſchehen? Jch foͤrchte fuͤrwahr/ wir werden wegen deß unbe-
ſonnenen Urtheilens derſelben gaͤntzlich beraubet werden.
5. O wie ſehr ware erfahren in dieſer Kunſt der H. Seraphiſche Vat-
ter Franciſeus/ ſo deß unbedachten Urtheilens halber ſeinen Reiß-Geſellen
mit ſcharffen Worten vorgenommen. Dann da der heilige Mann ei-
nem Armen Menſchen begegnete/ und uͤber deſſen Leibs- Bloßheit auß
Chriſtlichem Mit- Leyden ſeuffzete/ ſprach der obgemeldte Weeg-Gefaͤhrt
und Geiſtliche Bruder von dieſem alſo: Vatter/ villeicht iſt dieſer
Menſch an Begierlichkeit der zeitlichen Dingen reich/ ſo doch an denſelbi-
gen in der That groſſen Mangelleydet. Da dieſes der H. Vatter hoͤrete/
befahl er ihm/ ſeyn Kleid alſobald außzuziehen/ und den Nackenden damit
zu bedecken: auch muſte er in Krafft deß Gehorſambs vor den armen Men-
ſchen niederfallen/ und wegen ſeines freventlichen Urtheils umb Vergebung
bitten. Dieſes verrichtete der Bruder in aller Demuth/ auff daß er von
ſeinem H. Vatter nicht moͤgte hinweg getrieben werden. Billiger maſſen
ſoll man dann embſig fliehen den boͤſen Argwohn/ inſonderheit wann man
von der That nicht verſichert iſt/ und ſagen mit dem Heil. Apoſtel Paulo:
Was gehen mich die jenige an/ welche drauſſen ſeynd/ daß
ich ſie richteu ſolte? Dieſes Urtheil zu meiden/ kan uns trefflich die-
nen der folgende Spruch deß H. Chryſoſtomi: Gleich wie ein guter
und auffrichtiger Menſch nicht leichtlich einen andern vor
boͤß und Schalckhafft anſiehet; als wird nicht bald ein
Boͤſer und Schalckhaffter ſeinen Neben Menſchen fuͤr gut
und fromm halten; dann ein jeder richtet ſeinen Naͤchſten/
wie er ſelbſten iſt. Darumb ſagt der Eccleſiaſtes: Wann auch der
Narr auff dem Weege daher gehet/ dieweil er ſelbſt nicht
weiſe iſt/ ſo haltet er darfůr/ daß alle Narren ſeyen/ ſo
ihm begegnen. Und gleich wie einem/ der durch ein gruͤnes Glaß ſchau-
et/alles ſcheinet gruͤn zu ſeyn; der durch ein rothes; alles Roth vorkommet;
alſo der jenige/ ſo mit unterſchiedlichen Laſtern bchafftet iſt/ indem er durch
ſeyn eigenes Gewiſſen/ als durch einen Spiegel den Handel und Wandel
ſeines Naͤchſtens betrachtet/ urtheilet/ daß alles an ſelbigem Laſterhafft
ſeye: von denen der Apoſtel recht und wohl geſagt hat: Du verdam-
meſtdich ſelbſt in dem/ darin du einen anderen richteſt; die-
weil
1. Cor. 5.
12.
10. 3.
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