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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von dem Haß.
Kranckheit überfallen worden/ derowegen hat er/ oder auß Forcht deß Todts/
oder vielleicht durch Reu und Leyd der so lang erhaltenen Feindschafft ange-
trieben/ seinen Widersager zu sich beruffen/ ehe und bevor er sich mit den
H. H. Sacr amenten der Kirchen versehen lassen/ und hat demselben gern
und williglich alles angethane Unbill verzeihen/ und auch umbhalset. Dieser
aber/ als ein ziemblich unbedachtsamber und außgelassener Mensch sagt
hierauff zu einem von den umbstehenden folgende Wort: dieser gute Mann
förchtet er solle sterben/ derhalben verzeihet er. Sothane Wort haben deß
Sterbenden Hertz also schädlich getroffen daß er die vorhin gegebene löbli-
che Verzeyhung alsbald widerruffen/ und zugleich mit dieser nicht mensch-
licher/ sondern teufflicher Stimm außgefahren: Jch verzeyhe dir nicht/ und
will auch von dir nicht verziehen haben. O grausame Bößheit! kaum waren
diese Wort herauß gefahren/ und siehe/ da wird dieser krancke Unmensch al-
ler Sprach und Sinnen beraubt/ sangt an zu sterben hier zeitlich und dor-
ten ewiglich. Das gewöhnliche Gebett wird gleichwohl für ihn von seinen
Geistlichen Brüdern/ und nach diesem das Mittagmahl gehalten. Unter
währender Taffel trittet ein garstiger und entsetzlicher/ in grausamer Ge-
stalt und rauhen Haaren/ wie auch mit gantz Fewer-glintzenden Augenver-
sehener Geist hinein; wendet sich zu den Speisenden/ redet selbige mit einer
sehr kläglich und donnerenden Stimmen an/ und sagt: O grimmiger
Haß! O verfluchtes Laster/ mit dem ich auff Erden lebendig gebrennet
hab! jetzt bin ich todt/ und brenne in der Höllen/ und werde brennen ewig-
lich! der aber an meinem Brennen Schuld hat/ wird auch bald brennen;
und in selbigem Augenblick wendet er sich zu dem Geistlichen/ der sein Feind
gewesen/ und sagt: Höre auff zu essen/ stehe auff vom Tisch/ du Un-
glückseeliger; das Gerechte Urtheil ist von dem Göttlichen Richter über mich
und dich gefählet; daß/ die wir Haß und Feindschafft miteinander gepflogen
auff Erden/ dieselbe auch unterhalten in der Höllen/ und daß zwarn in alle
Ewigkeit. Jn dieser traurigen Rede ergreifft er denselben noch am Tisch
sitzenden/ ziehet ihn hervor und pfränget ihn gewaltiglich. Dieser stellet sich
zur Gegenwehr/ schlagt von sich/ und suchet mit Beissen und Stossen sich
ab solchem Feind zu erretten. Jn sothanem Seharmutziren thut sich die
Erde unter ihren Füssen auff/ und verschlinget beyde miteinander;
von denen dann nichts mehr übergeblieben/ als ein unerträgli-
cher Gestanck. Dahero seynd die andere Geistliche voller Forch[t]
und grossem Schrecken zum Grab deß erst- verstorbenen hinzugangen/
und haben in selbigem nichts gefunden. Also haben beyde die

ewige

Von dem Haß.
Kranckheit uͤberfallen worden/ derowegen hat er/ oder auß Forcht deß Todts/
oder vielleicht durch Reu und Leyd der ſo lang erhaltenen Feindſchafft ange-
trieben/ ſeinen Widerſager zu ſich beruffen/ ehe und bevor er ſich mit den
H. H. Sacr amenten der Kirchen verſehen laſſen/ und hat demſelben gern
und williglich alles angethane Unbill verzeihen/ und auch umbhalſet. Dieſer
aber/ als ein ziemblich unbedachtſamber und außgelaſſener Menſch ſagt
hierauff zu einem von den umbſtehenden folgende Wort: dieſer gute Mann
foͤrchtet er ſolle ſterben/ derhalben verzeihet er. Sothane Wort haben deß
Sterbenden Hertz alſo ſchaͤdlich getroffen daß er die vorhin gegebene loͤbli-
che Verzeyhung alsbald widerruffen/ und zugleich mit dieſer nicht menſch-
licher/ ſondern teufflicher Stimm außgefahren: Jch verzeyhe dir nicht/ und
will auch von dir nicht verziehen haben. O grauſame Boͤßheit! kaum waren
dieſe Wort herauß gefahren/ und ſiehe/ da wird dieſer krancke Unmenſch al-
ler Sprach und Sinnen beraubt/ ſangt an zu ſterben hier zeitlich und dor-
ten ewiglich. Das gewoͤhnliche Gebett wird gleichwohl fuͤr ihn von ſeinen
Geiſtlichen Bruͤdern/ und nach dieſem das Mittagmahl gehalten. Unter
waͤhrender Taffel trittet ein garſtiger und entſetzlicher/ in grauſamer Ge-
ſtalt und rauhen Haaren/ wie auch mit gantz Fewer-glintzenden Augenver-
ſehener Geiſt hinein; wendet ſich zu den Speiſenden/ redet ſelbige mit einer
ſehr klaͤglich und donnerenden Stimmen an/ und ſagt: O grimmiger
Haß! O verfluchtes Laſter/ mit dem ich auff Erden lebendig gebrennet
hab! jetzt bin ich todt/ und brenne in der Hoͤllen/ und werde brennen ewig-
lich! der aber an meinem Brennen Schuld hat/ wird auch bald brennen;
und in ſelbigem Augenblick wendet er ſich zu dem Geiſtlichen/ der ſein Feind
geweſen/ und ſagt: Hoͤre auff zu eſſen/ ſtehe auff vom Tiſch/ du Un-
gluͤckſeeliger; das Gerechte Urtheil iſt von dem Goͤttlichen Richter uͤber mich
und dich gefaͤhlet; daß/ die wir Haß und Feindſchafft miteinander gepflogen
auff Erden/ dieſelbe auch unterhalten in der Hoͤllen/ und daß zwarn in alle
Ewigkeit. Jn dieſer traurigen Rede ergreifft er denſelben noch am Tiſch
ſitzenden/ ziehet ihn hervor und pfraͤnget ihn gewaltiglich. Dieſer ſtellet ſich
zur Gegenwehr/ ſchlagt von ſich/ und ſuchet mit Beiſſen und Stoſſen ſich
ab ſolchem Feind zu erretten. Jn ſothanem Seharmutziren thut ſich die
Erde unter ihren Fuͤſſen auff/ und verſchlinget beyde miteinander;
von denen dann nichts mehr uͤbergeblieben/ als ein unertraͤgli-
cher Geſtanck. Dahero ſeynd die andere Geiſtliche voller Forch[t]
und groſſem Schrecken zum Grab deß erſt- verſtorbenen hinzugangen/
und haben in ſelbigem nichts gefunden. Alſo haben beyde die

ewige
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[79/0107] Von dem Haß. Kranckheit uͤberfallen worden/ derowegen hat er/ oder auß Forcht deß Todts/ oder vielleicht durch Reu und Leyd der ſo lang erhaltenen Feindſchafft ange- trieben/ ſeinen Widerſager zu ſich beruffen/ ehe und bevor er ſich mit den H. H. Sacr amenten der Kirchen verſehen laſſen/ und hat demſelben gern und williglich alles angethane Unbill verzeihen/ und auch umbhalſet. Dieſer aber/ als ein ziemblich unbedachtſamber und außgelaſſener Menſch ſagt hierauff zu einem von den umbſtehenden folgende Wort: dieſer gute Mann foͤrchtet er ſolle ſterben/ derhalben verzeihet er. Sothane Wort haben deß Sterbenden Hertz alſo ſchaͤdlich getroffen daß er die vorhin gegebene loͤbli- che Verzeyhung alsbald widerruffen/ und zugleich mit dieſer nicht menſch- licher/ ſondern teufflicher Stimm außgefahren: Jch verzeyhe dir nicht/ und will auch von dir nicht verziehen haben. O grauſame Boͤßheit! kaum waren dieſe Wort herauß gefahren/ und ſiehe/ da wird dieſer krancke Unmenſch al- ler Sprach und Sinnen beraubt/ ſangt an zu ſterben hier zeitlich und dor- ten ewiglich. Das gewoͤhnliche Gebett wird gleichwohl fuͤr ihn von ſeinen Geiſtlichen Bruͤdern/ und nach dieſem das Mittagmahl gehalten. Unter waͤhrender Taffel trittet ein garſtiger und entſetzlicher/ in grauſamer Ge- ſtalt und rauhen Haaren/ wie auch mit gantz Fewer-glintzenden Augenver- ſehener Geiſt hinein; wendet ſich zu den Speiſenden/ redet ſelbige mit einer ſehr klaͤglich und donnerenden Stimmen an/ und ſagt: O grimmiger Haß! O verfluchtes Laſter/ mit dem ich auff Erden lebendig gebrennet hab! jetzt bin ich todt/ und brenne in der Hoͤllen/ und werde brennen ewig- lich! der aber an meinem Brennen Schuld hat/ wird auch bald brennen; und in ſelbigem Augenblick wendet er ſich zu dem Geiſtlichen/ der ſein Feind geweſen/ und ſagt: Hoͤre auff zu eſſen/ ſtehe auff vom Tiſch/ du Un- gluͤckſeeliger; das Gerechte Urtheil iſt von dem Goͤttlichen Richter uͤber mich und dich gefaͤhlet; daß/ die wir Haß und Feindſchafft miteinander gepflogen auff Erden/ dieſelbe auch unterhalten in der Hoͤllen/ und daß zwarn in alle Ewigkeit. Jn dieſer traurigen Rede ergreifft er denſelben noch am Tiſch ſitzenden/ ziehet ihn hervor und pfraͤnget ihn gewaltiglich. Dieſer ſtellet ſich zur Gegenwehr/ ſchlagt von ſich/ und ſuchet mit Beiſſen und Stoſſen ſich ab ſolchem Feind zu erretten. Jn ſothanem Seharmutziren thut ſich die Erde unter ihren Fuͤſſen auff/ und verſchlinget beyde miteinander; von denen dann nichts mehr uͤbergeblieben/ als ein unertraͤgli- cher Geſtanck. Dahero ſeynd die andere Geiſtliche voller Forcht und groſſem Schrecken zum Grab deß erſt- verſtorbenen hinzugangen/ und haben in ſelbigem nichts gefunden. Alſo haben beyde die ewige

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/107>, abgerufen am 23.04.2024.