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Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695.

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einen groben und ungeschickten Pengelium abgeben.
Leut thut tranchiren; Cambletes ein König der Lydier hat sein
Weib umbgebracht/ und dieselbe in einer Nacht völlig gessen und
aufgezehrt. Obschon dermalen solche Zeiten seyn/ wo ein Mensch
den andern nicht pflegte für ein Speis zu geniessen: aber bey Tra-
ctamenten und Mahlzeiten wird es selten ablauffen/ daß nicht einer
dem andern unter die Zähn kommet. Es ist ein Kraut/ das heist
man Ochsenzungen/ das ist gut und heylsam. Es ist ein anders
Kraut/ das man heist/ Hirsch-Zungen/ das ist gut/ und heilt
die Wunden: Aber Menschen-Zungen machen Wunden/ und
absonderlich beym Essen. Jn einer jeden Waag findt sich in der
Mitten ein Zung/ diese aber wird niemalen dorthin wenden/ wo
das wenigere und leichtere Gewicht ist. Menschen-Zungen seynd
viel anderst genaturt und beschaffen/ gemeiniglich werden sie einen
angreiffen/ bey dem etwan ein Abgang und kleiner Mangel ist/
diese müssen schon bey der Tafel leyden und herhalten/ und glaubt
man schon/ das Essen seye nicht geschmach/ wo man nicht abge-
schmach von andern reden thut.

Nicht weniger ist es auch ein Grobheit/ wann man bey der
Tafel mit groben und ärgerlichen Worten und Zotten hervor bricht.
Wild ware die Mahlzeit des verlornen Sohns/ und ich hätte von
ihm gewiß kein Bescheid-Essen verlangt/ wie er mit den Schwei-
nen ist in die Kost gangen. Aber ein Tafel oder ein Gastmahl ist
nicht weniger Sauisch/ wo man so unflätige und aller Ehrbarkeit
zuwider gesetzte Reden/ auf die Bahn bringt. Jn dem Haus Si-
monis Leprosi war ein Mahlzeit/ worbey auch Unser Lieber
HERR erschienen/ zu dieser Mahlzeit hat Maria Magdalena
ein so kostbare und wolriechende Salben gebracht/ daß hiervon das
gantze Haus einen wunderschönen Geruch bekommen. Aber bey
manchem Essen bringt man so beschmirte Sachen vor/ daß das
gantze Zimmer darvon stinckt/ und nicht selten der zarten Jugend
einen Anlaß gibt zu allen übel und bösen Anmuthungen.

Es seynd auch alle Stich- und Schmach-Reden bey einer ehr-
lichen Tafel auf das müglichste zu meiden/ aus dem mehrentheils
viel Zanck und Zweytracht zuentstehen pfleget. Marci am 4. Ca-

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einen groben und ungeſchickten Pengelium abgeben.
Leut thut tranchiren; Cambletes ein Koͤnig der Lydier hat ſein
Weib umbgebracht/ und dieſelbe in einer Nacht voͤllig geſſen und
aufgezehrt. Obſchon dermalen ſolche Zeiten ſeyn/ wo ein Menſch
den andern nicht pflegte fuͤr ein Speis zu genieſſen: aber bey Tra-
ctamenten und Mahlzeiten wird es ſelten ablauffen/ daß nicht einer
dem andern unter die Zaͤhn kommet. Es iſt ein Kraut/ das heiſt
man Ochſenzungen/ das iſt gut und heylſam. Es iſt ein anders
Kraut/ das man heiſt/ Hirſch-Zungen/ das iſt gut/ und heilt
die Wunden: Aber Menſchen-Zungen machen Wunden/ und
abſonderlich beym Eſſen. Jn einer jeden Waag findt ſich in der
Mitten ein Zung/ dieſe aber wird niemalen dorthin wenden/ wo
das wenigere und leichtere Gewicht iſt. Menſchen-Zungen ſeynd
viel anderſt genaturt und beſchaffen/ gemeiniglich werden ſie einen
angreiffen/ bey dem etwan ein Abgang und kleiner Mangel iſt/
dieſe muͤſſen ſchon bey der Tafel leyden und herhalten/ und glaubt
man ſchon/ das Eſſen ſeye nicht geſchmach/ wo man nicht abge-
ſchmach von andern reden thut.

Nicht weniger iſt es auch ein Grobheit/ wann man bey der
Tafel mit groben und aͤrgerlichen Worten und Zotten hervor bricht.
Wild ware die Mahlzeit des verlornen Sohns/ und ich haͤtte von
ihm gewiß kein Beſcheid-Eſſen verlangt/ wie er mit den Schwei-
nen iſt in die Koſt gangen. Aber ein Tafel oder ein Gaſtmahl iſt
nicht weniger Sauiſch/ wo man ſo unflaͤtige und aller Ehrbarkeit
zuwider geſetzte Reden/ auf die Bahn bringt. Jn dem Haus Si-
monis Leproſi war ein Mahlzeit/ worbey auch Unſer Lieber
HERR erſchienen/ zu dieſer Mahlzeit hat Maria Magdalena
ein ſo koſtbare und wolriechende Salben gebracht/ daß hiervon das
gantze Haus einen wunderſchoͤnen Geruch bekommen. Aber bey
manchem Eſſen bringt man ſo beſchmirte Sachen vor/ daß das
gantze Zimmer darvon ſtinckt/ und nicht ſelten der zarten Jugend
einen Anlaß gibt zu allen uͤbel und boͤſen Anmuthungen.

Es ſeynd auch alle Stich- und Schmach-Reden bey einer ehr-
lichen Tafel auf das muͤglichſte zu meiden/ aus dem mehrentheils
viel Zanck und Zweytracht zuentſtehen pfleget. Marci am 4. Ca-

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[451/0463] einen groben und ungeſchickten Pengelium abgeben. Leut thut tranchiren; Cambletes ein Koͤnig der Lydier hat ſein Weib umbgebracht/ und dieſelbe in einer Nacht voͤllig geſſen und aufgezehrt. Obſchon dermalen ſolche Zeiten ſeyn/ wo ein Menſch den andern nicht pflegte fuͤr ein Speis zu genieſſen: aber bey Tra- ctamenten und Mahlzeiten wird es ſelten ablauffen/ daß nicht einer dem andern unter die Zaͤhn kommet. Es iſt ein Kraut/ das heiſt man Ochſenzungen/ das iſt gut und heylſam. Es iſt ein anders Kraut/ das man heiſt/ Hirſch-Zungen/ das iſt gut/ und heilt die Wunden: Aber Menſchen-Zungen machen Wunden/ und abſonderlich beym Eſſen. Jn einer jeden Waag findt ſich in der Mitten ein Zung/ dieſe aber wird niemalen dorthin wenden/ wo das wenigere und leichtere Gewicht iſt. Menſchen-Zungen ſeynd viel anderſt genaturt und beſchaffen/ gemeiniglich werden ſie einen angreiffen/ bey dem etwan ein Abgang und kleiner Mangel iſt/ dieſe muͤſſen ſchon bey der Tafel leyden und herhalten/ und glaubt man ſchon/ das Eſſen ſeye nicht geſchmach/ wo man nicht abge- ſchmach von andern reden thut. Nicht weniger iſt es auch ein Grobheit/ wann man bey der Tafel mit groben und aͤrgerlichen Worten und Zotten hervor bricht. Wild ware die Mahlzeit des verlornen Sohns/ und ich haͤtte von ihm gewiß kein Beſcheid-Eſſen verlangt/ wie er mit den Schwei- nen iſt in die Koſt gangen. Aber ein Tafel oder ein Gaſtmahl iſt nicht weniger Sauiſch/ wo man ſo unflaͤtige und aller Ehrbarkeit zuwider geſetzte Reden/ auf die Bahn bringt. Jn dem Haus Si- monis Leproſi war ein Mahlzeit/ worbey auch Unſer Lieber HERR erſchienen/ zu dieſer Mahlzeit hat Maria Magdalena ein ſo koſtbare und wolriechende Salben gebracht/ daß hiervon das gantze Haus einen wunderſchoͤnen Geruch bekommen. Aber bey manchem Eſſen bringt man ſo beſchmirte Sachen vor/ daß das gantze Zimmer darvon ſtinckt/ und nicht ſelten der zarten Jugend einen Anlaß gibt zu allen uͤbel und boͤſen Anmuthungen. Es ſeynd auch alle Stich- und Schmach-Reden bey einer ehr- lichen Tafel auf das muͤglichſte zu meiden/ aus dem mehrentheils viel Zanck und Zweytracht zuentſtehen pfleget. Marci am 4. Ca- pitel L l l 2

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Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695/463>, abgerufen am 29.03.2024.