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Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695.

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thut das Gute unterlassen
Gaben eines glorreichen Leibs im Himmel haben? das glaubt dir
niemand.

Unser lieber HERR vernimmt die Zeitung/ daß Lazarus
seye mit Tod abgangen; Lazarus ein Bruder Magdalenae und
Marthae, über solche Zeitung hat er sich im wenigsten alterirt/ wie
er aber zum Grab deß Lazari kommen/ da hat er bitterlich geweint;
Warumb diß? Darumb/ merck diß Concept, ein Sach die vor
Augen ist/ bewegt hefftiger/ als die weit von einem. Jetzt laß ich dir
selbst ein Lection schmiden/ was ein Gegenwarth und Gesell-
schafft der Weiber thue. Der Teuffel/ deme fast nichts verdrüß-
licher fällt/ als das Fasten/ hat CHRJSTUM versucht in der
Wüsten; in der Wüsten/ und diß soll er nicht versuchen in der Ge-
sellschafft? wann dem also/ so bist du so gut als die Sonnen-Stra-
len so durch ein Kothlachen gehen/ und sich doch nicht netzen und
besudlen.

Ein heiliger Abbt hat einen Jüngling von Kindheit auf in der
Wüsten und Einöde erzogen in aller Heiligkeit und Unschuld/ al-
so/ daß solcher sein Lebtag keinen andern Menschen hatte gesehen/
als seinen Abbten. Dieser führte einsmahls den unschuldigen En-
gel in eine Stadt/ allwo ihm etliche Weibsbilder unter die Au-
gen kommen: Lieber Vatter/ fragt er/ was seynd diese für Thier?
Mein Sohn/ antwortete der Alte/ es seynd Gäns. Seynd das
Gäns? Wie sie wieder in ihre Wüsten gelanget/ da ist der junge
Bruder gantz melancholisch worden/ ja so gar angefangen bitter-
lich zu weinen. Mein lieber Sohn/ sagt der Abbt/ was ist dir?
Was manglet dir? Sags mein Kind. O mein lieber Vat-
ter/ ich möchte halt gern ein Gans haben/ ein Gans gehet
mir ab/ etc. Dieser hat nur einmal ein Weib gesehen/ und gleich-
wohl in seinen ausgemergelten Adams-Gebein schon Feuer im
Tach verspührt/ und du sollst in der stäten Gesellschafft der Wei-
ber seyn/ und unversehrt bleiben wie Daniel in der Löwen-Gru-
ben? Wann dem also/ so halt ich es für ein grösseres Miracul/
als mit der Heiligen Catharina Senensis, geschehen/ welche ein-

mahl

thut das Gute unterlaſſen
Gaben eines glorreichen Leibs im Himmel haben? das glaubt dir
niemand.

Unſer lieber HERR vernimmt die Zeitung/ daß Lazarus
ſeye mit Tod abgangen; Lazarus ein Bruder Magdalenæ und
Marthæ, uͤber ſolche Zeitung hat er ſich im wenigſten alterirt/ wie
er aber zum Grab deß Lazari kommen/ da hat er bitterlich geweint;
Warumb diß? Darumb/ merck diß Concept, ein Sach die vor
Augen iſt/ bewegt hefftiger/ als die weit von einem. Jetzt laß ich dir
ſelbſt ein Lection ſchmiden/ was ein Gegenwarth und Geſell-
ſchafft der Weiber thue. Der Teuffel/ deme faſt nichts verdruͤß-
licher faͤllt/ als das Faſten/ hat CHRJSTUM verſucht in der
Wuͤſten; in der Wuͤſten/ und diß ſoll er nicht verſuchen in der Ge-
ſellſchafft? wann dem alſo/ ſo biſt du ſo gut als die Sonnen-Stra-
len ſo durch ein Kothlachen gehen/ und ſich doch nicht netzen und
beſudlen.

Ein heiliger Abbt hat einen Juͤngling von Kindheit auf in der
Wuͤſten und Einoͤde erzogen in aller Heiligkeit und Unſchuld/ al-
ſo/ daß ſolcher ſein Lebtag keinen andern Menſchen hatte geſehen/
als ſeinen Abbten. Dieſer fuͤhrte einsmahls den unſchuldigen En-
gel in eine Stadt/ allwo ihm etliche Weibsbilder unter die Au-
gen kommen: Lieber Vatter/ fragt er/ was ſeynd dieſe fuͤr Thier?
Mein Sohn/ antwortete der Alte/ es ſeynd Gaͤns. Seynd das
Gaͤns? Wie ſie wieder in ihre Wuͤſten gelanget/ da iſt der junge
Bruder gantz melancholiſch worden/ ja ſo gar angefangen bitter-
lich zu weinen. Mein lieber Sohn/ ſagt der Abbt/ was iſt dir?
Was manglet dir? Sags mein Kind. O mein lieber Vat-
ter/ ich moͤchte halt gern ein Gans haben/ ein Gans gehet
mir ab/ ꝛc. Dieſer hat nur einmal ein Weib geſehen/ und gleich-
wohl in ſeinen ausgemergelten Adams-Gebein ſchon Feuer im
Tach verſpuͤhrt/ und du ſollſt in der ſtaͤten Geſellſchafft der Wei-
ber ſeyn/ und unverſehrt bleiben wie Daniel in der Loͤwen-Gru-
ben? Wann dem alſo/ ſo halt ich es fuͤr ein groͤſſeres Miracul/
als mit der Heiligen Catharina Senenſis, geſchehen/ welche ein-

mahl
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[415/0427] thut das Gute unterlaſſen Gaben eines glorreichen Leibs im Himmel haben? das glaubt dir niemand. Unſer lieber HERR vernimmt die Zeitung/ daß Lazarus ſeye mit Tod abgangen; Lazarus ein Bruder Magdalenæ und Marthæ, uͤber ſolche Zeitung hat er ſich im wenigſten alterirt/ wie er aber zum Grab deß Lazari kommen/ da hat er bitterlich geweint; Warumb diß? Darumb/ merck diß Concept, ein Sach die vor Augen iſt/ bewegt hefftiger/ als die weit von einem. Jetzt laß ich dir ſelbſt ein Lection ſchmiden/ was ein Gegenwarth und Geſell- ſchafft der Weiber thue. Der Teuffel/ deme faſt nichts verdruͤß- licher faͤllt/ als das Faſten/ hat CHRJSTUM verſucht in der Wuͤſten; in der Wuͤſten/ und diß ſoll er nicht verſuchen in der Ge- ſellſchafft? wann dem alſo/ ſo biſt du ſo gut als die Sonnen-Stra- len ſo durch ein Kothlachen gehen/ und ſich doch nicht netzen und beſudlen. Ein heiliger Abbt hat einen Juͤngling von Kindheit auf in der Wuͤſten und Einoͤde erzogen in aller Heiligkeit und Unſchuld/ al- ſo/ daß ſolcher ſein Lebtag keinen andern Menſchen hatte geſehen/ als ſeinen Abbten. Dieſer fuͤhrte einsmahls den unſchuldigen En- gel in eine Stadt/ allwo ihm etliche Weibsbilder unter die Au- gen kommen: Lieber Vatter/ fragt er/ was ſeynd dieſe fuͤr Thier? Mein Sohn/ antwortete der Alte/ es ſeynd Gaͤns. Seynd das Gaͤns? Wie ſie wieder in ihre Wuͤſten gelanget/ da iſt der junge Bruder gantz melancholiſch worden/ ja ſo gar angefangen bitter- lich zu weinen. Mein lieber Sohn/ ſagt der Abbt/ was iſt dir? Was manglet dir? Sags mein Kind. O mein lieber Vat- ter/ ich moͤchte halt gern ein Gans haben/ ein Gans gehet mir ab/ ꝛc. Dieſer hat nur einmal ein Weib geſehen/ und gleich- wohl in ſeinen ausgemergelten Adams-Gebein ſchon Feuer im Tach verſpuͤhrt/ und du ſollſt in der ſtaͤten Geſellſchafft der Wei- ber ſeyn/ und unverſehrt bleiben wie Daniel in der Loͤwen-Gru- ben? Wann dem alſo/ ſo halt ich es fuͤr ein groͤſſeres Miracul/ als mit der Heiligen Catharina Senenſis, geſchehen/ welche ein- mahl

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Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695/427>, abgerufen am 28.03.2024.