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Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695.

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Essen und Trincken ergeben.
diese haben nie den Magen geklagt/ diese haben nie einen Doctor
gebraucht/ diese haben um kein Apothecken gewust/ diese haben kein
Ader gelassen. Warum? darum. Sie haben weder Gesottnes
noch Gebrattnes für ein Speiß gehabt/ sie haben weder Fisch
noch Fleisch gessen/ sie haben niemahlen einen Rausch gehabt/ son-
dern die Kräuter waren ihre Speiß/ das Wasser ihr Tranck.

Zu Genua in dieser schönen Welschen Stadt hat sich ein
reicher Herr befunden/ welcher aber neben allen seinem grossen
Vermögen niemahl die gewünschte Gesundheit gehabt/ und ab-
sonderlich ware er in derselben Zunfft/ denen das verdrießliche
Podagra die Glieder aus dem Angel hebt. Als erst-gedachter
reiche Handels-Mann einest auf dem Meer sich befunden/ ist er
in das gröste Unglück gerathen/ daß er von denen Tripolitani-
schen Türcken und Meer-Raubern gefangen worden/ ja Jahr
und Tag diese Gefangenschafft müssen ausstehen/ biß die begehrte
Rantzion erfolget ist. Als er nun von solcher Sclavität zuruck
kommen/ und zu Genua auf dem Platz gleich einem jungen fri-
schen Gesellen spatzieren gangen/ welcher doch zuvor meistens in
einem Sessel/ wie ein Taschen-Messer zusammen gekrümpet/ ge-
tragen worden/ so hat solches fast jederman/ forderist die Bekand-
te/ in grosse Verwunderung gezogen/ also zwar/ daß einige Po-
dagrische Krüppel ihn befragt/ mit was Mittel er die überlästi-
ge Kranctheit vertrieben/ ja die meiste thäten ihn bittlich ersuchen/
er wolle doch aus Christlicher Liebe ihnen das Recept com-
municiren.
Nachdeme sich solcher anfänglich gestellt/ als hätte
er für besagten Zustand ein sonders Arcanum, hat er endlich
selbes zu sondern Gnaden entdeckt. Jch/ sagte er/ habe nichts
anderst gebraucht/ als solgende drey Stuck/ benanntlich alle Tag
24. Streich von einem Brügel/ 2. Um ein Creutzer Brod.
3. ein Krügel Wasser/ del resto niente, und sonst nichts.
Dieses hat mich vom Podagra geholffen; dann so lang er zu Haus
die gute und wolbesetzte Taffel genossen/ so lang hat er diesen un-
werthen Gast bey sich gehabt; sobald er zu der ob schon gezwung-

ner
O 3

Eſſen und Trincken ergeben.
dieſe haben nie den Magen geklagt/ dieſe haben nie einen Doctor
gebraucht/ dieſe haben um kein Apothecken gewuſt/ dieſe haben kein
Ader gelaſſen. Warum? darum. Sie haben weder Geſottnes
noch Gebrattnes fuͤr ein Speiß gehabt/ ſie haben weder Fiſch
noch Fleiſch geſſen/ ſie haben niemahlen einen Rauſch gehabt/ ſon-
dern die Kraͤuter waren ihre Speiß/ das Waſſer ihr Tranck.

Zu Genua in dieſer ſchoͤnen Welſchen Stadt hat ſich ein
reicher Herr befunden/ welcher aber neben allen ſeinem groſſen
Vermoͤgen niemahl die gewuͤnſchte Geſundheit gehabt/ und ab-
ſonderlich ware er in derſelben Zunfft/ denen das verdrießliche
Podagra die Glieder aus dem Angel hebt. Als erſt-gedachter
reiche Handels-Mann eineſt auf dem Meer ſich befunden/ iſt er
in das groͤſte Ungluͤck gerathen/ daß er von denen Tripolitani-
ſchen Tuͤrcken und Meer-Raubern gefangen worden/ ja Jahr
und Tag dieſe Gefangenſchafft muͤſſen ausſtehen/ biß die begehrte
Rantzion erfolget iſt. Als er nun von ſolcher Sclavitaͤt zuruck
kommen/ und zu Genua auf dem Platz gleich einem jungen fri-
ſchen Geſellen ſpatzieren gangen/ welcher doch zuvor meiſtens in
einem Seſſel/ wie ein Taſchen-Meſſer zuſammen gekruͤmpet/ ge-
tragen worden/ ſo hat ſolches faſt jederman/ forderiſt die Bekand-
te/ in groſſe Verwunderung gezogen/ alſo zwar/ daß einige Po-
dagriſche Kruͤppel ihn befragt/ mit was Mittel er die uͤberlaͤſti-
ge Kranctheit vertrieben/ ja die meiſte thaͤten ihn bittlich erſuchen/
er wolle doch aus Chriſtlicher Liebe ihnen das Recept com-
municiren.
Nachdeme ſich ſolcher anfaͤnglich geſtellt/ als haͤtte
er fuͤr beſagten Zuſtand ein ſonders Arcanum, hat er endlich
ſelbes zu ſondern Gnaden entdeckt. Jch/ ſagte er/ habe nichts
anderſt gebraucht/ als ſolgende drey Stuck/ benanntlich alle Tag
24. Streich von einem Bruͤgel/ 2. Um ein Creutzer Brod.
3. ein Kruͤgel Waſſer/ del reſto niente, und ſonſt nichts.
Dieſes hat mich vom Podagra geholffen; dann ſo lang er zu Haus
die gute und wolbeſetzte Taffel genoſſen/ ſo lang hat er dieſen un-
werthen Gaſt bey ſich gehabt; ſobald er zu der ob ſchon gezwung-

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[109/0121] Eſſen und Trincken ergeben. dieſe haben nie den Magen geklagt/ dieſe haben nie einen Doctor gebraucht/ dieſe haben um kein Apothecken gewuſt/ dieſe haben kein Ader gelaſſen. Warum? darum. Sie haben weder Geſottnes noch Gebrattnes fuͤr ein Speiß gehabt/ ſie haben weder Fiſch noch Fleiſch geſſen/ ſie haben niemahlen einen Rauſch gehabt/ ſon- dern die Kraͤuter waren ihre Speiß/ das Waſſer ihr Tranck. Zu Genua in dieſer ſchoͤnen Welſchen Stadt hat ſich ein reicher Herr befunden/ welcher aber neben allen ſeinem groſſen Vermoͤgen niemahl die gewuͤnſchte Geſundheit gehabt/ und ab- ſonderlich ware er in derſelben Zunfft/ denen das verdrießliche Podagra die Glieder aus dem Angel hebt. Als erſt-gedachter reiche Handels-Mann eineſt auf dem Meer ſich befunden/ iſt er in das groͤſte Ungluͤck gerathen/ daß er von denen Tripolitani- ſchen Tuͤrcken und Meer-Raubern gefangen worden/ ja Jahr und Tag dieſe Gefangenſchafft muͤſſen ausſtehen/ biß die begehrte Rantzion erfolget iſt. Als er nun von ſolcher Sclavitaͤt zuruck kommen/ und zu Genua auf dem Platz gleich einem jungen fri- ſchen Geſellen ſpatzieren gangen/ welcher doch zuvor meiſtens in einem Seſſel/ wie ein Taſchen-Meſſer zuſammen gekruͤmpet/ ge- tragen worden/ ſo hat ſolches faſt jederman/ forderiſt die Bekand- te/ in groſſe Verwunderung gezogen/ alſo zwar/ daß einige Po- dagriſche Kruͤppel ihn befragt/ mit was Mittel er die uͤberlaͤſti- ge Kranctheit vertrieben/ ja die meiſte thaͤten ihn bittlich erſuchen/ er wolle doch aus Chriſtlicher Liebe ihnen das Recept com- municiren. Nachdeme ſich ſolcher anfaͤnglich geſtellt/ als haͤtte er fuͤr beſagten Zuſtand ein ſonders Arcanum, hat er endlich ſelbes zu ſondern Gnaden entdeckt. Jch/ ſagte er/ habe nichts anderſt gebraucht/ als ſolgende drey Stuck/ benanntlich alle Tag 24. Streich von einem Bruͤgel/ 2. Um ein Creutzer Brod. 3. ein Kruͤgel Waſſer/ del reſto niente, und ſonſt nichts. Dieſes hat mich vom Podagra geholffen; dann ſo lang er zu Haus die gute und wolbeſetzte Taffel genoſſen/ ſo lang hat er dieſen un- werthen Gaſt bey ſich gehabt; ſobald er zu der ob ſchon gezwung- ner O 3

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Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695/121>, abgerufen am 26.04.2024.