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Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695.

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Essen und Trincken ergeben.

Joannes mit dem Zunahmen Faust/ insgemein der Do-
ctor Faust genannt/ sonst von Gundlingen gebürtig/ der nun der
gantzen Welt fast bekandt wegen seiner Zauberey/ und grossen
Pact/ den er mit dem bösen Feind gehabt. Dieser saubere Gesell
hat seine Teuffels-Kunst zu Cracau in Pohlen gelernet; dann zur
selben Zeit wurde besagte schöne Kunst (scil.) daselbst offentlich
dociert. Wie dieser einmahl ungefehr in ein Haus gerathen/
allwo dazumahl ein stattliche Mahlzeit ware/ und die gesammte
Gäst bereits tieff in die Kandel geschaut/ dahero mit öffter wie-
derholten Bitten den Magister Faust ersucht/ daß er ihnen zu ei-
ner Gnad etwas von seinen so berühmten Stücklen möchte sehen
lassen. Joannes auf so grosses Verlangen wollte der nassen
Bursch endlich solches nicht abschlagen/ fragt aber zugleich/ was
ihnen mögte beliebig seyn? worauf die berauschte Gesellen einhel-
lig begehrt/ daß er ihnen an statt deß Confects solle gantze frische
Weinbeer aufsetzen/ es war dazumahl die rauhe Winters-Zeit.
Der Faust verspricht dieses/ jedoch mit diesem Beding/ daß keiner
ein Wort solle reden/ biß er ihnen werde schaffen die Weintrau-
ben abzuschneiden; wofern aber einer das geringste Wort solle
hören lassen/ so möchte es seinen Halß gelten. Wie sie nun alle
solches angelobt/ da hat er diese bezechte Kerl dergestalten ver-
blendt/ daß einer vermeint/ als stehe vor seiner der schönste Wein-
stock mit frischen und gantz zeitigen Trauben/ worauf dann ein je-
der das Messer ergriffen/ und auf die Wein-Trauben gehalten/
gantz begierig erwartend die Erlaubnuß abzuschneiden. Da er
sie ein Weil in dieser Verblendung gelassen/ da hat er gemacht/
daß alles Augenblicklich verschwunden/ ein jeder aber das Mes-
ser auf seiner Nasen gehalten/ daß wofern er den Befehl nit hätte
gehalten/ er ihme selbst seinen Schmecker hätte abgestutzt. DasMajol. in
c.
455.

ware eine Mahlzeit/ wo bey einem Haar einem jeden wäre die
Nasen abgeschniten worden/ es wäre gewiß ein schädliches schnei-
den gewest; aber doch die Nasen abschneiden scheint nit so schmerz-
lich als die Ehr abschneiden/ welches doch beym Essen und Trin-

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Eſſen und Trincken ergeben.

Joannes mit dem Zunahmen Fauſt/ insgemein der Do-
ctor Fauſt genannt/ ſonſt von Gundlingen gebuͤrtig/ der nun der
gantzen Welt faſt bekandt wegen ſeiner Zauberey/ und groſſen
Pact/ den er mit dem boͤſen Feind gehabt. Dieſer ſaubere Geſell
hat ſeine Teuffels-Kunſt zu Cracau in Pohlen gelernet; dann zur
ſelben Zeit wurde beſagte ſchoͤne Kunſt (ſcil.) daſelbſt offentlich
dociert. Wie dieſer einmahl ungefehr in ein Haus gerathen/
allwo dazumahl ein ſtattliche Mahlzeit ware/ und die geſammte
Gaͤſt bereits tieff in die Kandel geſchaut/ dahero mit oͤffter wie-
derholten Bitten den Magiſter Fauſt erſucht/ daß er ihnen zu ei-
ner Gnad etwas von ſeinen ſo beruͤhmten Stuͤcklen moͤchte ſehen
laſſen. Joannes auf ſo groſſes Verlangen wollte der naſſen
Burſch endlich ſolches nicht abſchlagen/ fragt aber zugleich/ was
ihnen moͤgte beliebig ſeyn? worauf die berauſchte Geſellen einhel-
lig begehrt/ daß er ihnen an ſtatt deß Confects ſolle gantze friſche
Weinbeer aufſetzen/ es war dazumahl die rauhe Winters-Zeit.
Der Fauſt verſpricht dieſes/ jedoch mit dieſem Beding/ daß keiner
ein Wort ſolle reden/ biß er ihnen werde ſchaffen die Weintrau-
ben abzuſchneiden; wofern aber einer das geringſte Wort ſolle
hoͤren laſſen/ ſo moͤchte es ſeinen Halß gelten. Wie ſie nun alle
ſolches angelobt/ da hat er dieſe bezechte Kerl dergeſtalten ver-
blendt/ daß einer vermeint/ als ſtehe vor ſeiner der ſchoͤnſte Wein-
ſtock mit friſchen und gantz zeitigen Trauben/ worauf dann ein je-
der das Meſſer ergriffen/ und auf die Wein-Trauben gehalten/
gantz begierig erwartend die Erlaubnuß abzuſchneiden. Da er
ſie ein Weil in dieſer Verblendung gelaſſen/ da hat er gemacht/
daß alles Augenblicklich verſchwunden/ ein jeder aber das Meſ-
ſer auf ſeiner Naſen gehalten/ daß wofern er den Befehl nit haͤtte
gehalten/ er ihme ſelbſt ſeinen Schmecker haͤtte abgeſtutzt. DasMajol. in
c.
455.

ware eine Mahlzeit/ wo bey einem Haar einem jeden waͤre die
Naſen abgeſchniten worden/ es waͤre gewiß ein ſchaͤdliches ſchnei-
den geweſt; aber doch die Naſen abſchneiden ſcheint nit ſo ſchmerz-
lich als die Ehr abſchneiden/ welches doch beym Eſſen und Trin-

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[99/0111] Eſſen und Trincken ergeben. Joannes mit dem Zunahmen Fauſt/ insgemein der Do- ctor Fauſt genannt/ ſonſt von Gundlingen gebuͤrtig/ der nun der gantzen Welt faſt bekandt wegen ſeiner Zauberey/ und groſſen Pact/ den er mit dem boͤſen Feind gehabt. Dieſer ſaubere Geſell hat ſeine Teuffels-Kunſt zu Cracau in Pohlen gelernet; dann zur ſelben Zeit wurde beſagte ſchoͤne Kunſt (ſcil.) daſelbſt offentlich dociert. Wie dieſer einmahl ungefehr in ein Haus gerathen/ allwo dazumahl ein ſtattliche Mahlzeit ware/ und die geſammte Gaͤſt bereits tieff in die Kandel geſchaut/ dahero mit oͤffter wie- derholten Bitten den Magiſter Fauſt erſucht/ daß er ihnen zu ei- ner Gnad etwas von ſeinen ſo beruͤhmten Stuͤcklen moͤchte ſehen laſſen. Joannes auf ſo groſſes Verlangen wollte der naſſen Burſch endlich ſolches nicht abſchlagen/ fragt aber zugleich/ was ihnen moͤgte beliebig ſeyn? worauf die berauſchte Geſellen einhel- lig begehrt/ daß er ihnen an ſtatt deß Confects ſolle gantze friſche Weinbeer aufſetzen/ es war dazumahl die rauhe Winters-Zeit. Der Fauſt verſpricht dieſes/ jedoch mit dieſem Beding/ daß keiner ein Wort ſolle reden/ biß er ihnen werde ſchaffen die Weintrau- ben abzuſchneiden; wofern aber einer das geringſte Wort ſolle hoͤren laſſen/ ſo moͤchte es ſeinen Halß gelten. Wie ſie nun alle ſolches angelobt/ da hat er dieſe bezechte Kerl dergeſtalten ver- blendt/ daß einer vermeint/ als ſtehe vor ſeiner der ſchoͤnſte Wein- ſtock mit friſchen und gantz zeitigen Trauben/ worauf dann ein je- der das Meſſer ergriffen/ und auf die Wein-Trauben gehalten/ gantz begierig erwartend die Erlaubnuß abzuſchneiden. Da er ſie ein Weil in dieſer Verblendung gelaſſen/ da hat er gemacht/ daß alles Augenblicklich verſchwunden/ ein jeder aber das Meſ- ſer auf ſeiner Naſen gehalten/ daß wofern er den Befehl nit haͤtte gehalten/ er ihme ſelbſt ſeinen Schmecker haͤtte abgeſtutzt. Das ware eine Mahlzeit/ wo bey einem Haar einem jeden waͤre die Naſen abgeſchniten worden/ es waͤre gewiß ein ſchaͤdliches ſchnei- den geweſt; aber doch die Naſen abſchneiden ſcheint nit ſo ſchmerz- lich als die Ehr abſchneiden/ welches doch beym Eſſen und Trin- cken/ Majol. in c. 455. N 2

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Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695/111>, abgerufen am 29.03.2024.