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Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 3. Salzburg, 1692.

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Judas Iscarioth/ wolte sein liederliches Ende nehmen/
bringen/ dann nit nur ein Weeg im Himmel/ sondern
mehrer. Gleichwie das Volck Israel durch das rohte Meer
so wunderlich passiret an das gewünschte Gestatt/ nit aber
durch einen engen Weeg/ sondern durch zwölff unterschie-
dene/ also daß ein jedes Geschlecht einen besondern Paß ge-
habt; deßgleichen seynd ebenfalls unterschiedliche Weeg
im Himmel/ als zum Gestatt der Seeligkeit; Einen Weeg
haben die Geistlichen/ und GOtt-gewidmete Personen;
einen andern haben die Weltlichen/ unter denen auch die
Kauff- und Handels-Leute/ dann ich derselben eine Män-
ge habe im Himmel gesehen: Da war der H. Frumentius,
der H. Guido, und viel/ viel andere wehr/ welche Handel-
schafft getrieben/ und gleichwol die Gnade GOttes nit
vertrieben/ warum soll es nit seyn können/ daß einer
Küen Ruß verkaufft/ und gleichwol ein weisses Gewissen
behält? warum soll es nit seyn können/ daß einer mi[t] Eng-
lischen Tuch handle/ und gleichwol darneben ein Engli-
sches Leben führe? Warum soll es nit seyn können/ daß
einer mit Eisen und Stahl handle/ und dannoch ein
weich-hertziges Gemüth zu denen Armen trage? Warum
soll es nit seyn können/ daß jemand mit Bildern handle/
und dannoch seine Seele als ein Ebenbild GOttes nit ver-
schertze? Warum soll es nit seyn können/ daß einer Bern-
häuter-Zeug verkaufft/ und doch darneben ein ehrlicher
Mann verbleibe? es kan gar leicht seyn.

Künstler und Handwercker hab ich auch im Himmel
gesucht/ dann ich habe mir eingebildt/ daß sie werden bey-
einander stehen/ ob zwar die Erste den Vorzug billich ha-
ben/ dann mehrer ist doch gewest der jenige Goldschmied/
welcher den guldenen Ring verfertiget/ wormit der alte
Vatter seinen verlohrnen Sohn beschenckt hat/ als der-

selbi-

Judas Iſcarioth/ wolte ſein liederliches Ende nehmen/
bringen/ dann nit nur ein Weeg im Himmel/ ſondern
mehrer. Gleichwie das Volck Iſrael durch das rohte Meer
ſo wunderlich paſſiret an das gewuͤnſchte Geſtatt/ nit aber
durch einen engen Weeg/ ſondern durch zwoͤlff unterſchie-
dene/ alſo daß ein jedes Geſchlecht einen beſondern Paß ge-
habt; deßgleichen ſeynd ebenfalls unterſchiedliche Weeg
im Him̄el/ als zum Geſtatt der Seeligkeit; Einen Weeg
haben die Geiſtlichen/ und GOtt-gewidmete Perſonen;
einen andern haben die Weltlichen/ unter denen auch die
Kauff- und Handels-Leute/ dann ich derſelben eine Maͤn-
ge habe im Him̄el geſehen: Da war der H. Frumentius,
der H. Guido, und viel/ viel andere wehr/ welche Handel-
ſchafft getrieben/ und gleichwol die Gnade GOttes nit
vertrieben/ warum ſoll es nit ſeyn koͤnnen/ daß einer
Kuͤen Ruß verkaufft/ und gleichwol ein weiſſes Gewiſſen
behaͤlt? warum ſoll es nit ſeyn koͤnnen/ daß einer mi[t] Eng-
liſchen Tuch handle/ und gleichwol darneben ein Engli-
ſches Leben fuͤhre? Warum ſoll es nit ſeyn koͤnnen/ daß
einer mit Eiſen und Stahl handle/ und dannoch ein
weich-hertziges Gemuͤth zu denen Armen trage? Warum
ſoll es nit ſeyn koͤnnen/ daß jemand mit Bildern handle/
und dannoch ſeine Seele als ein Ebenbild GOttes nit ver-
ſchertze? Warum ſoll es nit ſeyn koͤnnen/ daß einer Bern-
haͤuter-Zeug verkaufft/ und doch darneben ein ehrlicher
Mann verbleibe? es kan gar leicht ſeyn.

Kuͤnſtler und Handwercker hab ich auch im Himmel
geſucht/ dann ich habe mir eingebildt/ daß ſie werden bey-
einander ſtehen/ ob zwar die Erſte den Vorzug billich ha-
ben/ dann mehrer iſt doch geweſt der jenige Goldſchmied/
welcher den guldenen Ring verfertiget/ wormit der alte
Vatter ſeinen verlohrnen Sohn beſchenckt hat/ als der-

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[512/0544] Judas Iſcarioth/ wolte ſein liederliches Ende nehmen/ bringen/ dann nit nur ein Weeg im Himmel/ ſondern mehrer. Gleichwie das Volck Iſrael durch das rohte Meer ſo wunderlich paſſiret an das gewuͤnſchte Geſtatt/ nit aber durch einen engen Weeg/ ſondern durch zwoͤlff unterſchie- dene/ alſo daß ein jedes Geſchlecht einen beſondern Paß ge- habt; deßgleichen ſeynd ebenfalls unterſchiedliche Weeg im Him̄el/ als zum Geſtatt der Seeligkeit; Einen Weeg haben die Geiſtlichen/ und GOtt-gewidmete Perſonen; einen andern haben die Weltlichen/ unter denen auch die Kauff- und Handels-Leute/ dann ich derſelben eine Maͤn- ge habe im Him̄el geſehen: Da war der H. Frumentius, der H. Guido, und viel/ viel andere wehr/ welche Handel- ſchafft getrieben/ und gleichwol die Gnade GOttes nit vertrieben/ warum ſoll es nit ſeyn koͤnnen/ daß einer Kuͤen Ruß verkaufft/ und gleichwol ein weiſſes Gewiſſen behaͤlt? warum ſoll es nit ſeyn koͤnnen/ daß einer mit Eng- liſchen Tuch handle/ und gleichwol darneben ein Engli- ſches Leben fuͤhre? Warum ſoll es nit ſeyn koͤnnen/ daß einer mit Eiſen und Stahl handle/ und dannoch ein weich-hertziges Gemuͤth zu denen Armen trage? Warum ſoll es nit ſeyn koͤnnen/ daß jemand mit Bildern handle/ und dannoch ſeine Seele als ein Ebenbild GOttes nit ver- ſchertze? Warum ſoll es nit ſeyn koͤnnen/ daß einer Bern- haͤuter-Zeug verkaufft/ und doch darneben ein ehrlicher Mann verbleibe? es kan gar leicht ſeyn. Kuͤnſtler und Handwercker hab ich auch im Himmel geſucht/ dann ich habe mir eingebildt/ daß ſie werden bey- einander ſtehen/ ob zwar die Erſte den Vorzug billich ha- ben/ dann mehrer iſt doch geweſt der jenige Goldſchmied/ welcher den guldenen Ring verfertiget/ wormit der alte Vatter ſeinen verlohrnen Sohn beſchenckt hat/ als der- ſelbi-

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Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 3. Salzburg, 1692, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas03_1692/544>, abgerufen am 19.05.2024.