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Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 3. Salzburg, 1692.

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und will lieber falliren als psalliren.
süß und lieblich/ sondern sauer und widerwärtig erschallet/
dergleichen ist ein geschwindes und überhupfftes Singen/
worinnen die Psalinen einen solchen Callop müssen lauf-
seu/ daß sie kaum schnauffen können/ und gar viel Worte
in denselben zu kurtz kommen. Nachdem die Aposteln
durch die fromme und andächtige Weiber die Nachricht
erhalten/ daß Christus der HErr nit mehr im Grab liege/
sondern von Todten auferstanden/ da haben Petrus und
Joannes alle beede angefangen zu lauffen nach dem Heil.
Grab/ aber Joannes, um weilen er jünger und besser beyJoan. 10.
Leibeskräfften/ ist dem guten Petro vorgeloffen. Man kan
auch wohl glauben/ daß sich Petrus des Lauffens nit gar
zu starck angenommen/ weilen er an der Weiber Zeitungen
schier etwas zweiffelte/ dann ohnlängst vorhero ein Weib
ihn hinter das Liecht geführt/ daß ihm auch der Haan sol-
ches vorgeropft. Seye dem wie ihm wolle/ es seynd doch
beede geloffen/ und ware diß ein heiliges und verdienstliches
Lauffen/ benanntlichen zwey Chör/ daß ein jeder verlan-
get vorzulauffen/ und solches Lauffen ist höchststräfflich/
auch ein schädliche Aergernus in der Kirchen GOttes. Es
seynd in dem einzigen Psalm Dixit Dominus &c. sambt
dem Gloria &c. hundert und sechs Wort/ gar offt eilet
man mit diesen also schnell fort/ daß über dreyssig Wort
unterwegs bleiben/ und muß ein Verß dem andern auf die
Versen tretten. Aber wehe euch Vorstehern der Kirchen/
wann ihr um ein jedes vernachlässigtes Wort/ welches
doch der Heil. Geist selbst aufgesetzt/ müst zu seiner Zeit
genaue Rechenschafft geben.

Jacobus a Vitriaco schreibt/ daß auf eine Zeit einem
sehr frommen und gottseeligen Religiosen der böse Feind
mit einem grossen angefüllten Sack über die Achsel im

Chor
N 3

und will lieber falliren als pſalliren.
ſuͤß und lieblich/ ſondern ſauer und widerwaͤrtig erſchallet/
dergleichen iſt ein geſchwindes und uͤberhupfftes Singen/
worinnen die Pſalinen einen ſolchen Callop muͤſſen lauf-
ſeu/ daß ſie kaum ſchnauffen koͤnnen/ und gar viel Worte
in denſelben zu kurtz kommen. Nachdem die Apoſteln
durch die fromme und andaͤchtige Weiber die Nachricht
erhalten/ daß Chriſtus der HErr nit mehr im Grab liege/
ſondern von Todten auferſtanden/ da haben Petrus und
Joannes alle beede angefangen zu lauffen nach dem Heil.
Grab/ aber Joannes, um weilen er juͤnger und beſſer beyJoan. 10.
Leibeskraͤfften/ iſt dem guten Petro vorgeloffen. Man kan
auch wohl glauben/ daß ſich Petrus des Lauffens nit gar
zu ſtarck angenommen/ weilen er an der Weibeꝛ Zeitungen
ſchier etwas zweiffelte/ dann ohnlaͤngſt vorhero ein Weib
ihn hinter das Liecht gefuͤhrt/ daß ihm auch der Haan ſol-
ches vorgeropft. Seye dem wie ihm wolle/ es ſeynd doch
beede geloffen/ und ware diß ein heiliges und verdienſtliches
Lauffen/ benanntlichen zwey Choͤr/ daß ein jeder verlan-
get vorzulauffen/ und ſolches Lauffen iſt hoͤchſtſtraͤfflich/
auch ein ſchaͤdliche Aergernus in der Kirchen GOttes. Es
ſeynd in dem einzigen Pſalm Dixit Dominus &c. ſambt
dem Gloria &c. hundert und ſechs Wort/ gar offt eilet
man mit dieſen alſo ſchnell fort/ daß uͤber dreyſſig Wort
unterwegs bleiben/ und muß ein Verß dem andern auf die
Verſen tretten. Aber wehe euch Vorſtehern der Kirchen/
wann ihr um ein jedes vernachlaͤſſigtes Wort/ welches
doch der Heil. Geiſt ſelbſt aufgeſetzt/ muͤſt zu ſeiner Zeit
genaue Rechenſchafft geben.

Jacobus â Vitriaco ſchreibt/ daß auf eine Zeit einem
ſehr frommen und gottſeeligen Religioſen der boͤſe Feind
mit einem groſſen angefuͤllten Sack uͤber die Achſel im

Chor
N 3
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[101/0133] und will lieber falliren als pſalliren. ſuͤß und lieblich/ ſondern ſauer und widerwaͤrtig erſchallet/ dergleichen iſt ein geſchwindes und uͤberhupfftes Singen/ worinnen die Pſalinen einen ſolchen Callop muͤſſen lauf- ſeu/ daß ſie kaum ſchnauffen koͤnnen/ und gar viel Worte in denſelben zu kurtz kommen. Nachdem die Apoſteln durch die fromme und andaͤchtige Weiber die Nachricht erhalten/ daß Chriſtus der HErr nit mehr im Grab liege/ ſondern von Todten auferſtanden/ da haben Petrus und Joannes alle beede angefangen zu lauffen nach dem Heil. Grab/ aber Joannes, um weilen er juͤnger und beſſer bey Leibeskraͤfften/ iſt dem guten Petro vorgeloffen. Man kan auch wohl glauben/ daß ſich Petrus des Lauffens nit gar zu ſtarck angenommen/ weilen er an der Weibeꝛ Zeitungen ſchier etwas zweiffelte/ dann ohnlaͤngſt vorhero ein Weib ihn hinter das Liecht gefuͤhrt/ daß ihm auch der Haan ſol- ches vorgeropft. Seye dem wie ihm wolle/ es ſeynd doch beede geloffen/ und ware diß ein heiliges und verdienſtliches Lauffen/ benanntlichen zwey Choͤr/ daß ein jeder verlan- get vorzulauffen/ und ſolches Lauffen iſt hoͤchſtſtraͤfflich/ auch ein ſchaͤdliche Aergernus in der Kirchen GOttes. Es ſeynd in dem einzigen Pſalm Dixit Dominus &c. ſambt dem Gloria &c. hundert und ſechs Wort/ gar offt eilet man mit dieſen alſo ſchnell fort/ daß uͤber dreyſſig Wort unterwegs bleiben/ und muß ein Verß dem andern auf die Verſen tretten. Aber wehe euch Vorſtehern der Kirchen/ wann ihr um ein jedes vernachlaͤſſigtes Wort/ welches doch der Heil. Geiſt ſelbſt aufgeſetzt/ muͤſt zu ſeiner Zeit genaue Rechenſchafft geben. Joan. 10. Jacobus â Vitriaco ſchreibt/ daß auf eine Zeit einem ſehr frommen und gottſeeligen Religioſen der boͤſe Feind mit einem groſſen angefuͤllten Sack uͤber die Achſel im Chor N 3

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Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 3. Salzburg, 1692, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas03_1692/133>, abgerufen am 28.11.2024.