Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 3. Salzburg, 1692.

Bild:
<< vorherige Seite

und will lieber falliren als psalliren.
einem Eyd betheuren/ daß er schon 9. gantzer Wochen
den Chor nie gesehen habe.

Ein solcher ist nit ungleich dem übelgesittetem Volck
Israel/ welches auch ein Eckel und Grausen hatte an dem
Himmlischen Manna! Ein solcher ist fast ähnlich einem
Schwanen/ der ein so abgesagter Feind des Singens/
daß er niemal/ ausser kurtz vor seinem End/ ein Gesang hö-
ren läst. Ein solcher ist natürlich wie ein Schnecke/ der
niemals pflegt zu singen/ ausser man legt ihn auf die Glut/
dort aber ist es zu spat. Ein solcher ist nit viel besser als
der Judas (verzeiht mirs ihr Herren Geistliche) dann er
auf gleiche Weise sich von dem Chor und psalliren ab-
schrauffet.

Pater Fulgents, warum so faulentz/ und nit im Chor? O
ich muß ausgehen/ etliche/ und gar wichtige/ Geschäfften
zu verrichten. Euer Ehrwürden kommt mir vor wie der
Raab in der Archen Noe: Warum dieser gerechte Alt-
Vatter solchen schwartzen Galgen-Vogel aus der Archen
geschickt/ und nit einen andern von weit bessern Qualitä-
ten/ wie da war der Adler/ der Phoenix, ware die Ursach/
als Noe in der Archen wolte das Fenster eröffnen/ so ist
der Rab der allererste und nechste darbey gewest/ welcher
mit schmeichlenden Gebärden/ mit seinem stäten Cra Cra,
sattsam zu verstehen gabe/ daß er gern draus wäre/ dann
ihm gar zu bang und zuwider/ daß er also eingesperrer
in dieser höltzernen Keuchen solle leben/ weilen dann der
nechste an der Hand/ also hat ihn Noe vor andern ausge-
lassen. Aber weit besser wär es gewesen vor ihn/ wann
er wäre in seiner Clausur verblieben/ dann daselbsten wäre
er nicht unter die stinckende Aas gerathen/ bey welchen
er seinen Untergang gefunden. Also ist es einem Geistli-
chen und Religiosen viel rathsamer/ daß er zu Hauß blei-
be/ dann ein solcher nur ein stattlicher Mann/ wann er
nit stattlich ist/ will sagen/ wann er in der Stadt nit viel

ist;

und will lieber falliren als pſalliren.
einem Eyd betheuren/ daß er ſchon 9. gantzer Wochen
den Chor nie geſehen habe.

Ein ſolcher iſt nit ungleich dem uͤbelgeſittetem Volck
Iſrael/ welches auch ein Eckel und Grauſen hatte an dem
Himmliſchen Manna! Ein ſolcher iſt faſt aͤhnlich einem
Schwanen/ der ein ſo abgeſagter Feind des Singens/
daß er niemal/ auſſer kurtz vor ſeinem End/ ein Geſang hoͤ-
ren laͤſt. Ein ſolcher iſt natuͤrlich wie ein Schnecke/ der
niemals pflegt zu ſingē/ auſſer man legt ihn auf die Glut/
dort aber iſt es zu ſpat. Ein ſolcher iſt nit viel beſſer als
der Judas (verzeiht mirs ihr Herren Geiſtliche) dann er
auf gleiche Weiſe ſich von dem Chor und pſalliren ab-
ſchrauffet.

Pater Fulgents, warum ſo faulentz/ und nit im Chor? O
ich muß ausgehen/ etliche/ und gar wichtige/ Geſchaͤfften
zu verrichten. Euer Ehrwuͤrden kommt mir vor wie der
Raab in der Archen Noe: Warum dieſer gerechte Alt-
Vatter ſolchen ſchwartzen Galgen-Vogel aus der Archen
geſchickt/ und nit einen andern von weit beſſern Qualitaͤ-
ten/ wie da war der Adler/ der Phœnix, ware die Urſach/
als Noe in der Archen wolte das Fenſter eroͤffnen/ ſo iſt
der Rab der allererſte und nechſte darbey geweſt/ welcher
mit ſchmeichlenden Gebaͤrden/ mit ſeinem ſtaͤten Cra Cra,
ſattſam zu verſtehen gabe/ daß er gern draus waͤre/ dann
ihm gar zu bang und zuwider/ daß er alſo eingeſperrer
in dieſer hoͤltzernen Keuchen ſolle leben/ weilen dann der
nechſte an der Hand/ alſo hat ihn Noe vor andern ausge-
laſſen. Aber weit beſſer waͤr es geweſen vor ihn/ wann
er waͤre in ſeiner Clauſur verblieben/ dann daſelbſten waͤre
er nicht unter die ſtinckende Aas gerathen/ bey welchen
er ſeinen Untergang gefunden. Alſo iſt es einem Geiſtli-
chen und Religioſen viel rathſamer/ daß er zu Hauß blei-
be/ dann ein ſolcher nur ein ſtattlicher Mann/ wann er
nit ſtattlich iſt/ will ſagen/ wann er in der Stadt nit viel

iſt;
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0127" n="95"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">und will lieber</hi><hi rendition="#aq">falli</hi><hi rendition="#fr">ren als</hi><hi rendition="#aq">p&#x017F;alli</hi><hi rendition="#fr">ren.</hi></fw><lb/>
einem Eyd betheuren/ daß er &#x017F;chon 9. gantzer Wochen<lb/>
den Chor nie ge&#x017F;ehen habe.</p><lb/>
        <p>Ein &#x017F;olcher i&#x017F;t nit ungleich dem u&#x0364;belge&#x017F;ittetem Volck<lb/>
I&#x017F;rael/ welches auch ein Eckel und Grau&#x017F;en hatte an dem<lb/>
Himmli&#x017F;chen Manna! Ein &#x017F;olcher i&#x017F;t fa&#x017F;t a&#x0364;hnlich einem<lb/>
Schwanen/ der ein &#x017F;o abge&#x017F;agter Feind des Singens/<lb/>
daß er niemal/ au&#x017F;&#x017F;er kurtz vor &#x017F;einem End/ ein Ge&#x017F;ang ho&#x0364;-<lb/>
ren la&#x0364;&#x017F;t. Ein &#x017F;olcher i&#x017F;t natu&#x0364;rlich wie ein Schnecke/ der<lb/>
niemals pflegt zu &#x017F;inge&#x0304;/ au&#x017F;&#x017F;er man legt ihn auf die Glut/<lb/>
dort aber i&#x017F;t es zu &#x017F;pat. Ein &#x017F;olcher i&#x017F;t nit viel be&#x017F;&#x017F;er als<lb/>
der <hi rendition="#aq">Judas</hi> (verzeiht mirs ihr Herren Gei&#x017F;tliche) dann er<lb/>
auf gleiche Wei&#x017F;e &#x017F;ich von dem Chor und <hi rendition="#aq">p&#x017F;alli</hi>ren ab-<lb/>
&#x017F;chrauffet.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">Pater Fulgents,</hi> warum &#x017F;o faulentz/ und nit im Chor? O<lb/>
ich muß ausgehen/ etliche/ und gar wichtige/ Ge&#x017F;cha&#x0364;fften<lb/>
zu verrichten. Euer Ehrwu&#x0364;rden kommt mir vor wie der<lb/>
Raab in der Archen Noe: Warum die&#x017F;er gerechte Alt-<lb/>
Vatter &#x017F;olchen &#x017F;chwartzen Galgen-Vogel aus der Archen<lb/>
ge&#x017F;chickt/ und nit einen andern von weit be&#x017F;&#x017F;ern <hi rendition="#aq">Quali</hi>ta&#x0364;-<lb/>
ten/ wie da war der Adler/ der <hi rendition="#aq">Ph&#x0153;nix,</hi> ware die Ur&#x017F;ach/<lb/>
als Noe in der Archen wolte das Fen&#x017F;ter ero&#x0364;ffnen/ &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
der Rab der allerer&#x017F;te und nech&#x017F;te darbey gewe&#x017F;t/ welcher<lb/>
mit &#x017F;chmeichlenden Geba&#x0364;rden/ mit &#x017F;einem &#x017F;ta&#x0364;ten <hi rendition="#aq">Cra Cra,</hi><lb/>
&#x017F;att&#x017F;am zu ver&#x017F;tehen gabe/ daß er gern draus wa&#x0364;re/ dann<lb/>
ihm gar zu bang und zuwider/ daß er al&#x017F;o einge&#x017F;perrer<lb/>
in die&#x017F;er ho&#x0364;ltzernen Keuchen &#x017F;olle leben/ weilen dann der<lb/>
nech&#x017F;te an der Hand/ al&#x017F;o hat ihn Noe vor andern ausge-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Aber weit be&#x017F;&#x017F;er wa&#x0364;r es gewe&#x017F;en vor ihn/ wann<lb/>
er wa&#x0364;re in &#x017F;einer <hi rendition="#aq">Clau&#x017F;ur</hi> verblieben/ dann da&#x017F;elb&#x017F;ten wa&#x0364;re<lb/>
er nicht unter die &#x017F;tinckende Aas gerathen/ bey welchen<lb/>
er &#x017F;einen Untergang gefunden. Al&#x017F;o i&#x017F;t es einem Gei&#x017F;tli-<lb/>
chen und <hi rendition="#aq">Religio</hi>&#x017F;en viel rath&#x017F;amer/ daß er zu Hauß blei-<lb/>
be/ dann ein &#x017F;olcher nur ein &#x017F;tattlicher Mann/ wann er<lb/>
nit &#x017F;tattlich i&#x017F;t/ will &#x017F;agen/ wann er in der Stadt nit viel<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">i&#x017F;t;</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[95/0127] und will lieber falliren als pſalliren. einem Eyd betheuren/ daß er ſchon 9. gantzer Wochen den Chor nie geſehen habe. Ein ſolcher iſt nit ungleich dem uͤbelgeſittetem Volck Iſrael/ welches auch ein Eckel und Grauſen hatte an dem Himmliſchen Manna! Ein ſolcher iſt faſt aͤhnlich einem Schwanen/ der ein ſo abgeſagter Feind des Singens/ daß er niemal/ auſſer kurtz vor ſeinem End/ ein Geſang hoͤ- ren laͤſt. Ein ſolcher iſt natuͤrlich wie ein Schnecke/ der niemals pflegt zu ſingē/ auſſer man legt ihn auf die Glut/ dort aber iſt es zu ſpat. Ein ſolcher iſt nit viel beſſer als der Judas (verzeiht mirs ihr Herren Geiſtliche) dann er auf gleiche Weiſe ſich von dem Chor und pſalliren ab- ſchrauffet. Pater Fulgents, warum ſo faulentz/ und nit im Chor? O ich muß ausgehen/ etliche/ und gar wichtige/ Geſchaͤfften zu verrichten. Euer Ehrwuͤrden kommt mir vor wie der Raab in der Archen Noe: Warum dieſer gerechte Alt- Vatter ſolchen ſchwartzen Galgen-Vogel aus der Archen geſchickt/ und nit einen andern von weit beſſern Qualitaͤ- ten/ wie da war der Adler/ der Phœnix, ware die Urſach/ als Noe in der Archen wolte das Fenſter eroͤffnen/ ſo iſt der Rab der allererſte und nechſte darbey geweſt/ welcher mit ſchmeichlenden Gebaͤrden/ mit ſeinem ſtaͤten Cra Cra, ſattſam zu verſtehen gabe/ daß er gern draus waͤre/ dann ihm gar zu bang und zuwider/ daß er alſo eingeſperrer in dieſer hoͤltzernen Keuchen ſolle leben/ weilen dann der nechſte an der Hand/ alſo hat ihn Noe vor andern ausge- laſſen. Aber weit beſſer waͤr es geweſen vor ihn/ wann er waͤre in ſeiner Clauſur verblieben/ dann daſelbſten waͤre er nicht unter die ſtinckende Aas gerathen/ bey welchen er ſeinen Untergang gefunden. Alſo iſt es einem Geiſtli- chen und Religioſen viel rathſamer/ daß er zu Hauß blei- be/ dann ein ſolcher nur ein ſtattlicher Mann/ wann er nit ſtattlich iſt/ will ſagen/ wann er in der Stadt nit viel iſt;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas03_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas03_1692/127
Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 3. Salzburg, 1692, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas03_1692/127>, abgerufen am 27.04.2024.