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Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 1. Salzburg, 1686.

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vnd Leibs-Gestalt.
die Seiten/ damit der Kayser nicht mit der Nasen anstosse/
vnd dannoch war er das vornembste Ehrzweig deß weit-
berühmtesten Oesterreicherischen Stammen-Baumbs.
Quintus Fabius Maximus hatte ein so grosse vngestalte
Wärtzen gehabt auff seinem obern Lefftzen/ daß sie ihm
fast wie ein Dächel über den Freßladen gehangen/ vnd dan-
noch ware er der allervortrefflichste Mann. Michael der
Römische Kayser hat sehr starck mit der Zungen angestos-
sen/ vnd mit der Red gar hart so-fo-fortkommen können:
gleichwol war er ein ansehlicher Monarch. Philippus
Macedo, Hannibal Chartaginensis, Sertorius Hispa-
nus
seynd einaugig gewest/ vnd doch waren sie die Lob-
würdigiste Herren. Henricus II. der Kayser ware krump.
Godefridus Secundus Dux Austrasiae ware kropffet/
vnd doch seynd sie beede die braveste Fürsten vnd Herren
gewest.

Weil dann öffters in einem mangelbafften Leib ein
vollkommenes Gemüth. Ideo non spernas hominem
in visu suo,
so verachte den Menschen nit nach dem äus-
serlichen schlechten Anseben/ wann er schon klein; ist schon
genug/ wann er ein groß Gemüth hat: wann er schon
bucklet/ ist schon genug/ wann er einen auffrichtigen
Wandel führt: wann er schon krump/ ist schon genug/
wann er nur nit in grosse Sünden fallt: wann er schon
schilcher/ oder einaugig ist/ ist schon genug/ wann er Gott
allzeit vor Augen bar: wann er schon schwartz/ ist schon
genug/ so er nur ein weiß Gwissen hat. Was hilfft es
einen gekrausten Kopff haben/ der aber mit Stroh auß-
gefüttert; was hilfft es einen schönen guldenen Becher
haben/ vnd darinnen nichts als ein schlechtes Stein Bier
auß Kärndten: was hilfft es ein Baar wolrüchendes
Römische Handschueh tragen/ vnd darinnen krätzige Pra-
tzen; was hilfft es ein wolgeschaffenen/ wolgenaturten/

wol-
S 2

vnd Leibs-Geſtalt.
die Seiten/ damit der Kayſer nicht mit der Naſen anſtoſſe/
vnd dannoch war er das vornembſte Ehrzweig deß weit-
beruͤhmteſten Oeſterreicheriſchen Stammen-Baumbs.
Quintus Fabius Maximus hatte ein ſo groſſe vngeſtalte
Waͤrtzen gehabt auff ſeinem obern Lefftzen/ daß ſie ihm
faſt wie ein Daͤchel uͤber den Freßladen gehangen/ vnd dan-
noch ware er der allervortrefflichſte Mann. Michaël der
Roͤmiſche Kayſer hat ſehr ſtarck mit der Zungen angeſtoſ-
ſen/ vnd mit der Red gar hart ſo-fo-fortkommen koͤnnen:
gleichwol war er ein anſehlicher Monarch. Philippus
Macedo, Hannibal Chartaginenſis, Sertorius Hiſpa-
nus
ſeynd einaugig geweſt/ vnd doch waren ſie die Lob-
wuͤrdigiſte Herren. Henricus II. der Kayſer ware krump.
Godefridus Secundus Dux Auſtraſiæ ware kropffet/
vnd doch ſeynd ſie beede die braveſte Fuͤrſten vnd Herren
geweſt.

Weil dann oͤffters in einem mangelbafften Leib ein
vollkommenes Gemuͤth. Ideo non ſpernas hominem
in viſu ſuo,
ſo verachte den Menſchen nit nach dem aͤuſ-
ſerlichen ſchlechten Anſeben/ wann er ſchon klein; iſt ſchon
genug/ wann er ein groß Gemuͤth hat: wann er ſchon
bucklet/ iſt ſchon genug/ wann er einen auffrichtigen
Wandel fuͤhrt: wann er ſchon krump/ iſt ſchon genug/
wann er nur nit in groſſe Suͤnden fallt: wann er ſchon
ſchilcher/ oder einaugig iſt/ iſt ſchon genug/ wann er Gott
allzeit vor Augen bar: wann er ſchon ſchwartz/ iſt ſchon
genug/ ſo er nur ein weiß Gwiſſen hat. Was hilfft es
einen gekrauſten Kopff haben/ der aber mit Stroh auß-
gefuͤttert; was hilfft es einen ſchoͤnen guldenen Becher
haben/ vnd darinnen nichts als ein ſchlechtes Stein Bier
auß Kaͤrndten: was hilfft es ein Baar wolruͤchendes
Roͤmiſche Handſchueh tragen/ vnd darinnen kraͤtzige Pra-
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S 2
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[139/0175] vnd Leibs-Geſtalt. die Seiten/ damit der Kayſer nicht mit der Naſen anſtoſſe/ vnd dannoch war er das vornembſte Ehrzweig deß weit- beruͤhmteſten Oeſterreicheriſchen Stammen-Baumbs. Quintus Fabius Maximus hatte ein ſo groſſe vngeſtalte Waͤrtzen gehabt auff ſeinem obern Lefftzen/ daß ſie ihm faſt wie ein Daͤchel uͤber den Freßladen gehangen/ vnd dan- noch ware er der allervortrefflichſte Mann. Michaël der Roͤmiſche Kayſer hat ſehr ſtarck mit der Zungen angeſtoſ- ſen/ vnd mit der Red gar hart ſo-fo-fortkommen koͤnnen: gleichwol war er ein anſehlicher Monarch. Philippus Macedo, Hannibal Chartaginenſis, Sertorius Hiſpa- nus ſeynd einaugig geweſt/ vnd doch waren ſie die Lob- wuͤrdigiſte Herren. Henricus II. der Kayſer ware krump. Godefridus Secundus Dux Auſtraſiæ ware kropffet/ vnd doch ſeynd ſie beede die braveſte Fuͤrſten vnd Herren geweſt. Weil dann oͤffters in einem mangelbafften Leib ein vollkommenes Gemuͤth. Ideo non ſpernas hominem in viſu ſuo, ſo verachte den Menſchen nit nach dem aͤuſ- ſerlichen ſchlechten Anſeben/ wann er ſchon klein; iſt ſchon genug/ wann er ein groß Gemuͤth hat: wann er ſchon bucklet/ iſt ſchon genug/ wann er einen auffrichtigen Wandel fuͤhrt: wann er ſchon krump/ iſt ſchon genug/ wann er nur nit in groſſe Suͤnden fallt: wann er ſchon ſchilcher/ oder einaugig iſt/ iſt ſchon genug/ wann er Gott allzeit vor Augen bar: wann er ſchon ſchwartz/ iſt ſchon genug/ ſo er nur ein weiß Gwiſſen hat. Was hilfft es einen gekrauſten Kopff haben/ der aber mit Stroh auß- gefuͤttert; was hilfft es einen ſchoͤnen guldenen Becher haben/ vnd darinnen nichts als ein ſchlechtes Stein Bier auß Kaͤrndten: was hilfft es ein Baar wolruͤchendes Roͤmiſche Handſchueh tragen/ vnd darinnen kraͤtzige Pra- tzen; was hilfft es ein wolgeſchaffenen/ wolgenaturten/ wol- S 2

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Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 1. Salzburg, 1686, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas01_1686/175>, abgerufen am 17.05.2024.