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Sandrart, Joachim von: ICONOLOGIA DEORUM. Nürnberg, 1680.

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[Spaltenumbruch] Der die Sterne kont bereiten/
etzet auch derselben Zier
heute noch in den Safier.
Alle Zeiten
weiß allein sein Will zu leiten.
Auf Ihn wird mein Hertzens-Bogen
angezogen/
Nach Ihn meine Seufzer eilen.
Er ist meine Scheib/ allein/
solte sie noch ferner seyn
tausend Meilen:
könt' ich doch nicht besser pfeilen.

Daß der Himmel (gedachte ich hier auf bey mir) der Dicht-Kunst wahre Heimat sey/ erscheinet auch hieraus: daß wir bey günstigen Blicken seines enthüllten Angesichts zu derselben/ wo nit glücklicher doch fertiger seyn/ und unsern Geist von seinem Liecht/ wie ein Buler von den Reitz-blicken seiner Liebstinn/ ermuntert wissen. Dannenhero hat auch das kluge Alterthum nicht nur die Kunst-Göttinnen auf die Himmel-benachbarte Berge gesetzet: sondern auch ihre Lehrlinge dahin verwiesen. Dieweil es/ von dem nähern Einfluß mehr Würckung/ als von dem ferneren hoffete.

Diese Gedanken hegete das vormals weise Griechenland/ welche ihre anmutigste Landschafft Phocis, und in derselben den hohen Parnassus zum Musen-sitz gewidmet: weil nicht allein eine gemässigte Lufft um seine Scheitel spielet/ sondern auch der/ seine Lenden gleichsam umgürtende/ Wolcken-Flor die freye Himmel-Schau darauf nicht hintern kan O! daß auch mir (erseufzete ich hier auf mit vernemlicher Stimme) durch ein geneigtes Schicksel/ erlaubet wäre/ dieselbe Gegend zu grüssen/ und die gleichsam noch übrige Gerippe ihrer Welt-gepriesenen/ alterthümlichen Verlassenschafft zu küssen. Wie das nöhtigste/ also würde das erste seyn die beruffene Huf-qvelle aufzusuchen/ meinen kalten Geist darinnen in das Feuer Bad zuführen/ und auf das wenigste von dem Parnass ein paar nasse Kiele zu bringen/ aus welchen Hitz und Witz fliessen mögte.

[Spaltenumbruch]

Dieses verlangen hielte meine Sinnen also gefangen/ daß mir eher der Gruß-Schall einer Nymfe in die Ohren/ als ihre Gestalt in die Augen/ fiele. Ihre ernstliche Blicke/ die aus den bräunlichten Augen blitzeten/ setzten mich in solche Bestürzung: daß ich die Dank-Antwort/ erstlich mit einer demütigen Stille/ und hierauf mit der Entschuldigung meiner Blödigkeit ablegen muste. Teutscher Hirt/ sagte sie/ ich kenne/ aus dem angehörten Wunsch/ deine Neigungen/ und lobe was du liebest/ nemlich die beede Himmel-Schwestern/ Kunst und Tugend: die mit ihrer Gefehrtin/ dem Ehr-Ruhm/ einen gedritten Klee der unverbrüchlichen Freundschafft darstellen. Diese haben/ mit ihrem Gebieter und Gespielinnen die Boeotische Alpen überstiegen/ und sich in den Alemannischen Gränzen nidergelassen: Und bin ich Dieselbe zu suchen und zu besuchen reisfärtig. So du nun des Himmels Schickung erkennen/ und keine Weg-Beschwerung scheuen wirst: kanst du mir folgen. Ich bezeugte hierauf/ daß ich dieses Ansinnen/ so meine Wunschseeligkeit beförderte/ mit ewigem Dank ehren würde; und gienge/ ohne fernerem Wort-Wechsel/ (nachdem ich meine Heerde der Hut eines getreuen Weid-genossenes überlassen)meiner Führerin nach. Welche/ nach kurzer Zeit/ bey einem Scheid-Wege stillstunde/ und mich befragte: welchen ich unter beeden/ ohne Weg-Zeigerin zum wandeln belieben würde? So den Ausen-Sinnen zu trauen/ widerredete ich/ scheinet der lincke Pfad/ wie der gebähnteste/ also der beqvemste/ wie der lustigste/ so der füglichste zu seyn. Wolbedinget. (begegnete mir die Nymfe) Die Heerden mögen den Ausen-Sinnen/ Hirten aber sollen der Vernunfft nachgehen: welche weiset/ daß jene mehrmals irren. Wie dann das Aug öffters trieget/ das Ohr belieget/ der Geruch täuschet und der Geschmack verführet: viele auch im fühlen fehlen. Die Vernunfft überreichet uns auch der Klugheit Ferne-Glas/ und heisset uns/ vor den Eingang/ nach dem Ausgange schauen.

[Spaltenumbruch] Der die Sterne kont bereiten/
etzet auch derselben Zier
heute noch in den Safier.
Alle Zeiten
weiß allein sein Will zu leiten.
Auf Ihn wird mein Hertzens-Bogen
angezogen/
Nach Ihn meine Seufzer eilen.
Er ist meine Scheib/ allein/
solte sie noch ferner seyn
tausend Meilen:
könt’ ich doch nicht besser pfeilen.

Daß der Himmel (gedachte ich hier auf bey mir) der Dicht-Kunst wahre Heimat sey/ erscheinet auch hieraus: daß wir bey günstigen Blicken seines enthüllten Angesichts zu derselben/ wo nit glücklicher doch fertiger seyn/ und unsern Geist von seinem Liecht/ wie ein Buler von den Reitz-blicken seiner Liebstinn/ ermuntert wissen. Dannenhero hat auch das kluge Alterthum nicht nur die Kunst-Göttinnen auf die Himmel-benachbarte Berge gesetzet: sondern auch ihre Lehrlinge dahin verwiesen. Dieweil es/ von dem nähern Einfluß mehr Würckung/ als von dem ferneren hoffete.

Diese Gedanken hegete das vormals weise Griechenland/ welche ihre anmutigste Landschafft Phocis, und in derselben den hohen Parnassus zum Musen-sitz gewidmet: weil nicht allein eine gemässigte Lufft um seine Scheitel spielet/ sondern auch der/ seine Lenden gleichsam umgürtende/ Wolcken-Flor die freye Himmel-Schau darauf nicht hintern kan O! daß auch mir (erseufzete ich hier auf mit vernemlicher Stimme) durch ein geneigtes Schicksel/ erlaubet wäre/ dieselbe Gegend zu grüssen/ und die gleichsam noch übrige Gerippe ihrer Welt-gepriesenen/ alterthümlichen Verlassenschafft zu küssen. Wie das nöhtigste/ also würde das erste seyn die beruffene Huf-qvelle aufzusuchen/ meinen kalten Geist darinnen in das Feuer Bad zuführen/ und auf das wenigste von dem Parnass ein paar nasse Kiele zu bringen/ aus welchen Hitz und Witz fliessen mögte.

[Spaltenumbruch]

Dieses verlangen hielte meine Sinnen also gefangen/ daß mir eher der Gruß-Schall einer Nymfe in die Ohren/ als ihre Gestalt in die Augen/ fiele. Ihre ernstliche Blicke/ die aus den bräunlichten Augen blitzeten/ setzten mich in solche Bestürzung: daß ich die Dank-Antwort/ erstlich mit einer demütigen Stille/ und hierauf mit der Entschuldigung meiner Blödigkeit ablegen muste. Teutscher Hirt/ sagte sie/ ich kenne/ aus dem angehörten Wunsch/ deine Neigungen/ und lobe was du liebest/ nemlich die beede Himmel-Schwestern/ Kunst und Tugend: die mit ihrer Gefehrtin/ dem Ehr-Ruhm/ einen gedritten Klee der unverbrüchlichen Freundschafft darstellen. Diese haben/ mit ihrem Gebieter und Gespielinnen die Boeotische Alpen überstiegen/ und sich in den Alemannischen Gränzen nidergelassen: Und bin ich Dieselbe zu suchen und zu besuchen reisfärtig. So du nun des Himmels Schickung erkennen/ und keine Weg-Beschwerung scheuen wirst: kanst du mir folgen. Ich bezeugte hierauf/ daß ich dieses Ansinnen/ so meine Wunschseeligkeit beförderte/ mit ewigem Dank ehren würde; und gienge/ ohne fernerem Wort-Wechsel/ (nachdem ich meine Heerde der Hut eines getreuen Weid-genossenes überlassen)meiner Führerin nach. Welche/ nach kurzer Zeit/ bey einem Scheid-Wege stillstunde/ und mich befragte: welchen ich unter beeden/ ohne Weg-Zeigerin zum wandeln belieben würde? So den Ausen-Sinnen zu trauen/ widerredete ich/ scheinet der lincke Pfad/ wie der gebähnteste/ also der beqvemste/ wie der lustigste/ so der füglichste zu seyn. Wolbedinget. (begegnete mir die Nymfe) Die Heerden mögen den Ausen-Sinnen/ Hirten aber sollen der Vernunfft nachgehen: welche weiset/ daß jene mehrmals irren. Wie dann das Aug öffters trieget/ das Ohr belieget/ der Geruch täuschet und der Geschmack verführet: viele auch im fühlen fehlen. Die Vernunfft überreichet uns auch der Klugheit Ferne-Glas/ und heisset uns/ vor den Eingang/ nach dem Ausgange schauen.

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[TA 1680, Iconologia Deorum, Ehren-Preiß [II]/0020] Der die Sterne kont bereiten/ etzet auch derselben Zier heute noch in den Safier. Alle Zeiten weiß allein sein Will zu leiten. Auf Ihn wird mein Hertzens-Bogen angezogen/ Nach Ihn meine Seufzer eilen. Er ist meine Scheib/ allein/ solte sie noch ferner seyn tausend Meilen: könt’ ich doch nicht besser pfeilen. Daß der Himmel (gedachte ich hier auf bey mir) der Dicht-Kunst wahre Heimat sey/ erscheinet auch hieraus: daß wir bey günstigen Blicken seines enthüllten Angesichts zu derselben/ wo nit glücklicher doch fertiger seyn/ und unsern Geist von seinem Liecht/ wie ein Buler von den Reitz- blicken seiner Liebstinn/ ermuntert wissen. Dannenhero hat auch das kluge Alterthum nicht nur die Kunst-Göttinnen auf die Himmel-benachbarte Berge gesetzet: sondern auch ihre Lehrlinge dahin verwiesen. Dieweil es/ von dem nähern Einfluß mehr Würckung/ als von dem ferneren hoffete. Diese Gedanken hegete das vormals weise Griechenland/ welche ihre anmutigste Landschafft Phocis, und in derselben den hohen Parnassus zum Musen-sitz gewidmet: weil nicht allein eine gemässigte Lufft um seine Scheitel spielet/ sondern auch der/ seine Lenden gleichsam umgürtende/ Wolcken-Flor die freye Himmel-Schau darauf nicht hintern kan O! daß auch mir (erseufzete ich hier auf mit vernemlicher Stimme) durch ein geneigtes Schicksel/ erlaubet wäre/ dieselbe Gegend zu grüssen/ und die gleichsam noch übrige Gerippe ihrer Welt-gepriesenen/ alterthümlichen Verlassenschafft zu küssen. Wie das nöhtigste/ also würde das erste seyn die beruffene Huf-qvelle aufzusuchen/ meinen kalten Geist darinnen in das Feuer Bad zuführen/ und auf das wenigste von dem Parnass ein paar nasse Kiele zu bringen/ aus welchen Hitz und Witz fliessen mögte. Dieses verlangen hielte meine Sinnen also gefangen/ daß mir eher der Gruß-Schall einer Nymfe in die Ohren/ als ihre Gestalt in die Augen/ fiele. Ihre ernstliche Blicke/ die aus den bräunlichten Augen blitzeten/ setzten mich in solche Bestürzung: daß ich die Dank-Antwort/ erstlich mit einer demütigen Stille/ und hierauf mit der Entschuldigung meiner Blödigkeit ablegen muste. Teutscher Hirt/ sagte sie/ ich kenne/ aus dem angehörten Wunsch/ deine Neigungen/ und lobe was du liebest/ nemlich die beede Himmel-Schwestern/ Kunst und Tugend: die mit ihrer Gefehrtin/ dem Ehr-Ruhm/ einen gedritten Klee der unverbrüchlichen Freundschafft darstellen. Diese haben/ mit ihrem Gebieter und Gespielinnen die Boeotische Alpen überstiegen/ und sich in den Alemannischen Gränzen nidergelassen: Und bin ich Dieselbe zu suchen und zu besuchen reisfärtig. So du nun des Himmels Schickung erkennen/ und keine Weg-Beschwerung scheuen wirst: kanst du mir folgen. Ich bezeugte hierauf/ daß ich dieses Ansinnen/ so meine Wunschseeligkeit beförderte/ mit ewigem Dank ehren würde; und gienge/ ohne fernerem Wort-Wechsel/ (nachdem ich meine Heerde der Hut eines getreuen Weid-genossenes überlassen)meiner Führerin nach. Welche/ nach kurzer Zeit/ bey einem Scheid-Wege stillstunde/ und mich befragte: welchen ich unter beeden/ ohne Weg-Zeigerin zum wandeln belieben würde? So den Ausen-Sinnen zu trauen/ widerredete ich/ scheinet der lincke Pfad/ wie der gebähnteste/ also der beqvemste/ wie der lustigste/ so der füglichste zu seyn. Wolbedinget. (begegnete mir die Nymfe) Die Heerden mögen den Ausen-Sinnen/ Hirten aber sollen der Vernunfft nachgehen: welche weiset/ daß jene mehrmals irren. Wie dann das Aug öffters trieget/ das Ohr belieget/ der Geruch täuschet und der Geschmack verführet: viele auch im fühlen fehlen. Die Vernunfft überreichet uns auch der Klugheit Ferne-Glas/ und heisset uns/ vor den Eingang/ nach dem Ausgange schauen.

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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: ICONOLOGIA DEORUM. Nürnberg, 1680, S. TA 1680, Iconologia Deorum, Ehren-Preiß [II]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_iconologia_1680/20>, abgerufen am 22.11.2024.