Sandrart, Joachim von: ICONOLOGIA DEORUM. Nürnberg, 1680.[Spaltenumbruch] wohnbar gemacht/ hat man von ihm gedichtet/ als ob er dieses Thier Chimaera erwürgt und umbgebracht hätte. Hieher könte die Beschreibung vieles Unheyls/ so zu dem höllischen Geschlechte gehörig/ nicht unfüglich gezogen werden; weil es aber anderwerts schicklicher davon zu handeln Gelegenheit geben möchte/ als verspahren wirs bis dahin/ und wenden uns anietzo/ ohne weitern Umschweiff/ zu den Parcen/ welche von den Alten unter die Götter gezehlt/ und mit Tempeln und Altären Drey Parcen. verehret worden. Derer waren an der Zahl drey/ und stunden dem Pluto zu Dienste/ wie die eine unter ihnen/ beym Claudianus/ im 1. Buch von Entführung der Proserpina/ selbsten bekennet/ wann sie den Pluto bittlich ersuchet/ daß er von dem/ wider den Jupiter im Sinn habenden/ Kriege abstehen wolle: Der Innhalt ihrer Wort ist dieser: --- --- O maxime noctis Arbiter, umbrarumque potens, cui nostra laborant Stamina, qui finem cunctis, & semi- na praebes, Nascendique vices alterna morte re- pendis, Qui vitam, lethumque regis. Du grosser Nacht-Regent/ Beherrscher stiller Seelen/ dem/ was wir spinnen/ dient/ von dir kommt alles her/ und nimmt zu seiner Zeit dahin die Wie- derkehr/ der du hast über Tod und Leben zu befeh- len/ von dir kommts/ daß es heist/ nach der Gesetze Zwang/ deß einen Anfang ist deß andern Un- tergang. Warum sie deß Plutons Aufwärterinne seyen. Und zwar ist sichs nicht zu verwundern/ daß die Parcen deß Plutons Aufwärterinnen gewesen; dann man ihnen angedichtet/ als ob sie das menschliche Leben gleichsam aus einem Rocken spinneten/ welches kurtz oder lang ist/ nachdem der Leib aus einer stärckern oder schwächern Materia zusammen gefügt sich befindet; die Materie aber stellet uns Pluto vor. Die erste unter den Parcen haben die Alten deß Menschen Generation oder Erzeugung/ die andere dem Leben/ die dritte dem Tode vorgesetzt: Dann die jenige/ so unter ihnen als ein Ihr Ampt. Mägdlein gebildet ist/ hält den Rocken/ und ziehet den Faden heraus; die andere/ so in ihrem besten Alter zu seyn scheinet/ hat die Spindel in der Hand/ darauf sie die Fäden windet; die Letzte aber/ als ein altes Weib/ pflegt die Fäden abzuschneiden. Dannenhero die Poeten/ wann sie den Tod bedeuten wollen/ von Abreissung [Spaltenumbruch] der Fäden Meldung thun. Als Martialis: Ruperunt tetricae cum mala pensa Deae. Fulgentius eignet die Parcen dem Pluto zu/ weil deren Macht diese Unter-Dinge beherrschet. Droben aber haben wir erwähnt/ daß Pluto auch die Erde bedeute. Varro erinnert/ wie beym Agellius lib. III.zu sehen/ Woher die Parcen ihren Namen bekommen. daß die Alten der Parcen Namen von Pariendo oder gebähren/ und vom neundten und zehnten Monat/ hergeleitet: denn Parca, spricht er/ ist/ durch Verwandelung eines einigen Buchstabens/ von Partu, oder der Geburt; Werden auch Nona, Decima und Morta genennet. ingleichen Nona und Decima von der Zeit/ so zu einer zeitigen Geburt erfordert wird/ benamset. Dieweil aber derjenige/ so geboren ist/ auch wiederumb sterben muß/ ist die dritte aus ihnen Morta,gleichsam die Tödtende/ genennet worden/ weil die Alten davor gehalten haben/ als ob sie dem Menschen den Tod zu bringen pflege. Diese bescheibet Pausanias in Eliacis prioribus,wann er von deß Cypsellus Truhe redend also saget: Allhier sahe man/ wie Eteocles seinen auf den Knien liegenden Bruder Polynicem ängstigte: Hinter ihm stund ein Weib/ dero Zähne und krumme Klauen soviel zeigten/ daß sie an Grausamkeit keinem Thiere etwas bevorgebe. Die Uberschrifft bezeugte/ sie seye Morta/ eine aus der Anzahl der Parcen; wie auch/ daß Polynices aus Gewalt deß Verhängnus unten gelegen/ Eteocles aber/ durch sein eigen Verschulden/ umkommen wäre. Dieweil aber viel unter den Philosophen der Meinung gewesen/ es habe die Göttliche Providenz alle Dinge in diesem Welt-Runde einmal also angeordnet/ daß sie auf keinerley Weise mehr einiger Veränderung unterworffen/ sondern deren Ursachen in gewisser Ordnung dermassen unter einander Was das Fatum, Geschick oder Verhängnus sey. verbunden seyen/ daß nohtwendig alles von ihnen herfliessen müsse; dahero das Verhängnus seinen Namen und Ursprung hat/ welches die Poeten unter der Parcen Gedicht vorgebildet/ und derselben an der Zahl drey gesetzt haben; dann alle Dinge aus einem ursprünglichen Wesen hervor gehen müssen/ damit sie durch ihre endlich zum Ende führende Mittel/ wohin sie verordnet sind/ gelangen mögen. Von diesen nun dichtet man/ als ob sie aus dem Chaos entsprungen seyen/ weil in der ersten Scheidung aller Dinge/ einem iedwedem seine eigne Ursachen mitgetheilt worden. Einige haben davor gehalten/ sie seyen aus dem Abgrunde (so der innerste Theil deß Erdbodens ist) und der Nacht entstanden/ damit wir aus der Dunckel- oder Verborgenheit dieser [Spaltenumbruch] wohnbar gemacht/ hat man von ihm gedichtet/ als ob er dieses Thier Chimaera erwürgt und umbgebracht hätte. Hieher könte die Beschreibung vieles Unheyls/ so zu dem höllischen Geschlechte gehörig/ nicht unfüglich gezogen werden; weil es aber anderwerts schicklicher davon zu handeln Gelegenheit geben möchte/ als verspahren wirs bis dahin/ und wenden uns anietzo/ ohne weitern Umschweiff/ zu den Parcen/ welche von den Alten unter die Götter gezehlt/ und mit Tempeln und Altären Drey Parcen. verehret worden. Derer waren an der Zahl drey/ und stunden dem Pluto zu Dienste/ wie die eine unter ihnen/ beym Claudianus/ im 1. Buch von Entführung der Proserpina/ selbsten bekennet/ wann sie den Pluto bittlich ersuchet/ daß er von dem/ wider den Jupiter im Sinn habenden/ Kriege abstehen wolle: Der Innhalt ihrer Wort ist dieser: --- --- O maxime noctis Arbiter, umbrarumque potens, cui nostra laborant Stamina, qui finem cunctis, & semi- na praebes, Nascendique vices alterna morte re- pendis, Qui vitam, lethumque regis. Du grosser Nacht-Regent/ Beherrscher stiller Seelen/ dem/ was wir spinnen/ dient/ von dir kommt alles her/ und nimmt zu seiner Zeit dahin die Wie- derkehr/ der du hast über Tod und Leben zu befeh- len/ von dir kommts/ daß es heist/ nach der Gesetze Zwang/ deß einen Anfang ist deß andern Un- tergang. Warum sie deß Plutons Aufwärterinne seyen. Und zwar ist sichs nicht zu verwundern/ daß die Parcen deß Plutons Aufwärterinnen gewesen; dann man ihnen angedichtet/ als ob sie das menschliche Leben gleichsam aus einem Rocken spinneten/ welches kurtz oder lang ist/ nachdem der Leib aus einer stärckern oder schwächern Materia zusammen gefügt sich befindet; die Materie aber stellet uns Pluto vor. Die erste unter den Parcen haben die Alten deß Menschen Generation oder Erzeugung/ die andere dem Leben/ die dritte dem Tode vorgesetzt: Dann die jenige/ so unter ihnen als ein Ihr Ampt. Mägdlein gebildet ist/ hält den Rocken/ und ziehet den Faden heraus; die andere/ so in ihrem besten Alter zu seyn scheinet/ hat die Spindel in der Hand/ darauf sie die Fäden windet; die Letzte aber/ als ein altes Weib/ pflegt die Fäden abzuschneiden. Dannenhero die Poeten/ wann sie den Tod bedeuten wollen/ von Abreissung [Spaltenumbruch] der Fäden Meldung thun. Als Martialis: Ruperunt tetricae cum mala pensa Deae. Fulgentius eignet die Parcen dem Pluto zu/ weil deren Macht diese Unter-Dinge beherrschet. Droben aber haben wir erwähnt/ daß Pluto auch die Erde bedeute. Varro erinnert/ wie beym Agellius lib. III.zu sehen/ Woher die Parcen ihren Namen bekommen. daß die Alten der Parcen Namen von Pariendo oder gebähren/ und vom neundten und zehnten Monat/ hergeleitet: denn Parca, spricht er/ ist/ durch Verwandelung eines einigen Buchstabens/ von Partu, oder der Geburt; Werden auch Nona, Decima und Morta genennet. ingleichen Nona und Decima von der Zeit/ so zu einer zeitigen Geburt erfordert wird/ benamset. Dieweil aber derjenige/ so geboren ist/ auch wiederumb sterben muß/ ist die dritte aus ihnen Morta,gleichsam die Tödtende/ genennet worden/ weil die Alten davor gehalten haben/ als ob sie dem Menschen den Tod zu bringen pflege. Diese bescheibet Pausanias in Eliacis prioribus,wann er von deß Cypsellus Truhe redend also saget: Allhier sahe man/ wie Eteocles seinen auf den Knien liegenden Bruder Polynicem ängstigte: Hinter ihm stund ein Weib/ dero Zähne und krumme Klauen soviel zeigten/ daß sie an Grausamkeit keinem Thiere etwas bevorgebe. Die Uberschrifft bezeugte/ sie seye Morta/ eine aus der Anzahl der Parcen; wie auch/ daß Polynices aus Gewalt deß Verhängnus unten gelegen/ Eteocles aber/ durch sein eigen Verschulden/ umkommen wäre. Dieweil aber viel unter den Philosophen der Meinung gewesen/ es habe die Göttliche Providenz alle Dinge in diesem Welt-Runde einmal also angeordnet/ daß sie auf keinerley Weise mehr einiger Veränderung unterworffen/ sondern deren Ursachen in gewisser Ordnung dermassen unter einander Was das Fatum, Geschick oder Verhängnus sey. verbunden seyen/ daß nohtwendig alles von ihnen herfliessen müsse; dahero das Verhängnus seinen Namen und Ursprung hat/ welches die Poeten unter der Parcen Gedicht vorgebildet/ und derselben an der Zahl drey gesetzt haben; dann alle Dinge aus einem ursprünglichen Wesen hervor gehen müssen/ damit sie durch ihre endlich zum Ende führende Mittel/ wohin sie verordnet sind/ gelangen mögen. Von diesen nun dichtet man/ als ob sie aus dem Chaos entsprungen seyen/ weil in der ersten Scheidung aller Dinge/ einem iedwedem seine eigne Ursachen mitgetheilt worden. 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Von diesen nun dichtet man/ als ob sie aus dem Chaos entsprungen seyen/ weil in der ersten Scheidung aller Dinge/ einem iedwedem seine eigne Ursachen mitgetheilt worden. Einige haben davor gehalten/ sie seyen aus dem Abgrunde (so der innerste Theil deß Erdbodens ist) und der Nacht entstanden/ damit wir aus der Dunckel- oder Verborgenheit dieser </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [TA 1680, Iconologia Deorum, S. 107/0179]
wohnbar gemacht/ hat man von ihm gedichtet/ als ob er dieses Thier Chimaera erwürgt und umbgebracht hätte. Hieher könte die Beschreibung vieles Unheyls/ so zu dem höllischen Geschlechte gehörig/ nicht unfüglich gezogen werden; weil es aber anderwerts schicklicher davon zu handeln Gelegenheit geben möchte/ als verspahren wirs bis dahin/ und wenden uns anietzo/ ohne weitern Umschweiff/ zu den Parcen/ welche von den Alten unter die Götter gezehlt/ und mit Tempeln und Altären verehret worden. Derer waren an der Zahl drey/ und stunden dem Pluto zu Dienste/ wie die eine unter ihnen/ beym Claudianus/ im 1. Buch von Entführung der Proserpina/ selbsten bekennet/ wann sie den Pluto bittlich ersuchet/ daß er von dem/ wider den Jupiter im Sinn habenden/ Kriege abstehen wolle: Der Innhalt ihrer Wort ist dieser:
Drey Parcen. --- --- O maxime noctis
Arbiter, umbrarumque potens, cui
nostra laborant
Stamina, qui finem cunctis, & semi-
na praebes,
Nascendique vices alterna morte re-
pendis,
Qui vitam, lethumque regis.
Du grosser Nacht-Regent/ Beherrscher
stiller Seelen/
dem/ was wir spinnen/ dient/ von dir
kommt alles her/
und nimmt zu seiner Zeit dahin die Wie-
derkehr/
der du hast über Tod und Leben zu befeh-
len/
von dir kommts/ daß es heist/ nach der
Gesetze Zwang/
deß einen Anfang ist deß andern Un-
tergang.
Und zwar ist sichs nicht zu verwundern/ daß die Parcen deß Plutons Aufwärterinnen gewesen; dann man ihnen angedichtet/ als ob sie das menschliche Leben gleichsam aus einem Rocken spinneten/ welches kurtz oder lang ist/ nachdem der Leib aus einer stärckern oder schwächern Materia zusammen gefügt sich befindet; die Materie aber stellet uns Pluto vor. Die erste unter den Parcen haben die Alten deß Menschen Generation oder Erzeugung/ die andere dem Leben/ die dritte dem Tode vorgesetzt: Dann die jenige/ so unter ihnen als ein Mägdlein gebildet ist/ hält den Rocken/ und ziehet den Faden heraus; die andere/ so in ihrem besten Alter zu seyn scheinet/ hat die Spindel in der Hand/ darauf sie die Fäden windet; die Letzte aber/ als ein altes Weib/ pflegt die Fäden abzuschneiden. Dannenhero die Poeten/ wann sie den Tod bedeuten wollen/ von Abreissung
der Fäden Meldung thun. Als Martialis:
Warum sie deß Plutons Aufwärterinne seyen.
Ihr Ampt. Ruperunt tetricae cum mala pensa
Deae.
Wann nun die Grausamkeit der Parcen
hat gerissen
die Fäden gantz entzwey. etc.
Fulgentius eignet die Parcen dem Pluto zu/ weil deren Macht diese Unter-Dinge beherrschet. Droben aber haben wir erwähnt/ daß Pluto auch die Erde bedeute. Varro erinnert/ wie beym Agellius lib. III.zu sehen/ daß die Alten der Parcen Namen von Pariendo oder gebähren/ und vom neundten und zehnten Monat/ hergeleitet: denn Parca, spricht er/ ist/ durch Verwandelung eines einigen Buchstabens/ von Partu, oder der Geburt; ingleichen Nona und Decima von der Zeit/ so zu einer zeitigen Geburt erfordert wird/ benamset. Dieweil aber derjenige/ so geboren ist/ auch wiederumb sterben muß/ ist die dritte aus ihnen Morta,gleichsam die Tödtende/ genennet worden/ weil die Alten davor gehalten haben/ als ob sie dem Menschen den Tod zu bringen pflege. Diese bescheibet Pausanias in Eliacis prioribus,wann er von deß Cypsellus Truhe redend also saget: Allhier sahe man/ wie Eteocles seinen auf den Knien liegenden Bruder Polynicem ängstigte: Hinter ihm stund ein Weib/ dero Zähne und krumme Klauen soviel zeigten/ daß sie an Grausamkeit keinem Thiere etwas bevorgebe. Die Uberschrifft bezeugte/ sie seye Morta/ eine aus der Anzahl der Parcen; wie auch/ daß Polynices aus Gewalt deß Verhängnus unten gelegen/ Eteocles aber/ durch sein eigen Verschulden/ umkommen wäre. Dieweil aber viel unter den Philosophen der Meinung gewesen/ es habe die Göttliche Providenz alle Dinge in diesem Welt-Runde einmal also angeordnet/ daß sie auf keinerley Weise mehr einiger Veränderung unterworffen/ sondern deren Ursachen in gewisser Ordnung dermassen unter einander verbunden seyen/ daß nohtwendig alles von ihnen herfliessen müsse; dahero das Verhängnus seinen Namen und Ursprung hat/ welches die Poeten unter der Parcen Gedicht vorgebildet/ und derselben an der Zahl drey gesetzt haben; dann alle Dinge aus einem ursprünglichen Wesen hervor gehen müssen/ damit sie durch ihre endlich zum Ende führende Mittel/ wohin sie verordnet sind/ gelangen mögen. Von diesen nun dichtet man/ als ob sie aus dem Chaos entsprungen seyen/ weil in der ersten Scheidung aller Dinge/ einem iedwedem seine eigne Ursachen mitgetheilt worden. Einige haben davor gehalten/ sie seyen aus dem Abgrunde (so der innerste Theil deß Erdbodens ist) und der Nacht entstanden/ damit wir aus der Dunckel- oder Verborgenheit dieser
Woher die Parcen ihren Namen bekommen.
Werden auch Nona, Decima und Morta genennet.
Was das Fatum, Geschick oder Verhängnus sey.
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