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Sandrart, Joachim von: ICONOLOGIA DEORUM. Nürnberg, 1680.

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[Spaltenumbruch] nennen pflegen. Etliche sind in der Meinung/ das Wort Lamia, oder die Nacht-Frau/ habe bey den Griechen eben diese Bedeutung/ als Strix bey den Lateinern. Philostratus aber/ Lamia im Leben deß Apollonius/ saget/ es seyen die Lamiae böse unreine Geister/ von grosser Geilheit und Grausamkeit/ und Menschen-Fleisch zu fressen sehr begierig. Svidas und Phavorinus berichten/ daß die Lamia ein schön Weib gewest/ die der Jupiter geliebt/ und von ihr einen Sohn empfangen/ aber die Juno habe ihm aus Eifersucht denselben umbgebracht/ daher die Lamia/ für Betrübnus/ sich an Gestalt solle heßlich verändert/ und hernach andere Kinder hinwegzunehmen und umbzubringen in Gebrauch gehabt haben. Ingleichen haben sich etliche gefunden/ so die Lamien für grimmige Thiere gehalten/ welche nach dem Gesichte für Weiber anzusehen gewesen/ dargegen aber Pferd-Füsse gehabt.

Dion beschreibet ihre Natur. Dion schreibet diese Eigenschafften in historia Libyca den Lamiis zu: Im Angesicht sehen sie schönen Weibs-Bildern ähnlich/ die erhabene Brüste und Hertzen sind so anmuhtig/ daß sie der künstlichste Mahler schöner nicht mahlen und ausbilden könte/ die Farb ist lebhafft und herrlich gläntzend/ so offt man sie anschauet/ siehet man eine annehmliche Holdseligkeit ihnen aus den Augen spielen/ also/ daß einem ihre Leutseligkeit im Gemüht treffliche Zuneigung erwecket/ der übrige Theil deß Leibs ist gantz hart/ und wegen Dichte der Schuppen undurchdringlich; Unten sind sie als eine Schlange geformt/ in dero Kopff sich das unterste Theil/ so überaus erschrecklich und grausam anzuschauen/ zu endigen pflegt. Diese Thiere sind mit Flügeln nicht versehen/ können weder reden noch einige andere Stimme von sich geben/ sondern allein starck pfeiffen/ wie die Drachen/ sind unter allen irrdischen Thieren die geschwindesten/ und kan ihnen kein Thier entfliehen. Die andere Thiere zwar überwältigen den Menschen durch ihre Kräffte/ diese aber allein durch List und Betrug; sie eröffnen das Hertz/ und zeigen ihre Brüste (welches auch der Prophet Jeremias bekräfftiget/ wann er saget: es haben auch die Nacht-Frauen oder Lamiae ihre Brüste entblöset) den Anschauer aber zwingen sie/ durch ihre Bezauberung/ zum Verlangen eines Gesprächs mit ihnen; gehet einer auf sie/ als auf Weiblein zu/ so bleiben sie unerschrocken stehen/ sehen öffters von oben hinabwarts auf die Erde/ stellen sich an Schmuck und Schamhafftigkeit den Weibern gleich/ und also pflegen sie die jenige/ so ihnen zu nahe kommen/ hinweg zu schleppen; dann sie haben an statt der Hände Thieres-Klauen/ welche sie listiglich zu verbergen wissen; letzlich beisset die Schlange zu/ tödtet sie mit ihrem Giffte/ und zehret also den Leib auf. Aber gnug von den Lamiis.

Sphinx Nunmehr schreiten wir fort/ und kommen auch zu den Sphingen/ so denen vorhergehenden[Spaltenumbruch] nicht gar ungleich/ und zwar theils fabelhafftig/ theils auch der Warheit ähnlich sind. Plinius im IIX. Buch meldet von ihnen/ daß sie mit einem dunckel- oder braunschwartzen Haar und zweyen Dutten auf der Brust in Mohrenlande gezeuget werden. Albertus Magnus zehlet sie/ wann er von den Thieren schreibet/ unter die Affen; aus dessen Worten man vermuhten möchte/ sie seyen die Meer-Katzen. Allein die Poeten/ aus welchen es nachmals die Mahler und Bildhauer entlehnt/ reden anderst von ihnen; dann dieselbe/ wie Aelianus erzehlet/ den Sphinx also abbilden/ daß dessen Helffte die Gestalt eines Weibsbildes/ die andere Helffte eines Löwens praesentire und vorstelle; und also hat ihn die Fabel/ so von den Thebanern erzehlet wird/ beschrieben/ woselbsten er auf einem oben über den Weg herüber hangenden Felsen sitzend den Vorbeyreisenden unauflößliche Rähtselen zu rahten vorlegte/ auch alle/ die solche nicht aufzulösen wusten/ mit seinen Klauen Seine Bildnis. und Flügeln umbrachte. Es wird aber sein Bildnus/ nach Innhalt der Fabeln/ dieses seyn/ daß er am Haupte/ Händen und der Brust einer Jungfrau/ an den Flügeln einem Vogel/ am übrigen Leibe einem Löwen gleiche/ wie aus etlichen Gedichten deß Poeten Ausonius abzunehmen ist. Plinius/ im XXXV. Buche/ schreibet von diesem Wahngeschöpffe also: vor den Egyptischen Grabspitzen stehet ein Sphinx/ der noch wunderlicher ist/ gleich als eine wilde Gottheit der Einwohner. Man meinet/ daß König Amasis darinn begraben sey: und die gemeine Sage gehet/ daß er dahin geführet worden. Er ist aus einem selbgewachsnen Steine gehauen/ und glatt. Der Kopff dieses Wunder-Geschöpfes ist in seinem Umzuge 122. Schuhe dick/ 143. lang/ und vom Bauche Chimaera. biß an die Scheitel 62. hoch; Ich muß aber allhier auch deß Thiers Chimaera nicht vergessen/ ungeachtet es anders nichts/ als ein erdichtetes Monstrum ist. Nach des Homerus und Lucretius Beschreibung war

Prima Leo, postrema Draco, media
ipsa Chimaera.

Chimaera vornen her ein Löw/ ein Drach
von hinden/

in Mitten eine Geiß an der Gestalt zu fin-
den.

Aus dem Rachen pflegte dieses Thier eine gewaltige Flamme auszuspeyen/ welches auch Virgilius bezeuget/ wann er es/ im VI. Buch Aeneidos, neben andern Unthieren in den vordern Eingang der Hölle setzet. Es verhielte sich aber die Sache also: In Lycien war ein Feuer-speyender Berg/ auf dessen Spitzen die Löwen sich aufzuhalten pflegten; Mitten aber auf selbigem/ allwo es eine schöne grüne Weide gab/ enthielten sich die Geissen/ und zu unterst die Schlangen. Weil nun der Bellerophontes oder Bellerophon diesen Berg bewohnbar

[Spaltenumbruch] nennen pflegen. Etliche sind in der Meinung/ das Wort Lamia, oder die Nacht-Frau/ habe bey den Griechen eben diese Bedeutung/ als Strix bey den Lateinern. Philostratus aber/ Lamia im Leben deß Apollonius/ saget/ es seyen die Lamiae böse unreine Geister/ von grosser Geilheit und Grausamkeit/ und Menschen-Fleisch zu fressen sehr begierig. Svidas und Phavorinus berichten/ daß die Lamia ein schön Weib gewest/ die der Jupiter geliebt/ und von ihr einen Sohn empfangen/ aber die Juno habe ihm aus Eifersucht denselben umbgebracht/ daher die Lamia/ für Betrübnus/ sich an Gestalt solle heßlich verändert/ und hernach andere Kinder hinwegzunehmen und umbzubringen in Gebrauch gehabt haben. Ingleichen haben sich etliche gefunden/ so die Lamien für grimmige Thiere gehalten/ welche nach dem Gesichte für Weiber anzusehen gewesen/ dargegen aber Pferd-Füsse gehabt.

Dion beschreibet ihre Natur. Dion schreibet diese Eigenschafften in historia Libyca den Lamiis zu: Im Angesicht sehen sie schönen Weibs-Bildern ähnlich/ die erhabene Brüste und Hertzen sind so anmuhtig/ daß sie der künstlichste Mahler schöner nicht mahlen und ausbilden könte/ die Farb ist lebhafft und herrlich gläntzend/ so offt man sie anschauet/ siehet man eine annehmliche Holdseligkeit ihnen aus den Augen spielen/ also/ daß einem ihre Leutseligkeit im Gemüht treffliche Zuneigung erwecket/ der übrige Theil deß Leibs ist gantz hart/ und wegen Dichte der Schuppen undurchdringlich; Unten sind sie als eine Schlange geformt/ in dero Kopff sich das unterste Theil/ so überaus erschrecklich und grausam anzuschauen/ zu endigen pflegt. Diese Thiere sind mit Flügeln nicht versehen/ können weder reden noch einige andere Stimme von sich geben/ sondern allein starck pfeiffen/ wie die Drachen/ sind unter allen irrdischen Thieren die geschwindesten/ und kan ihnen kein Thier entfliehen. Die andere Thiere zwar überwältigen den Menschen durch ihre Kräffte/ diese aber allein durch List und Betrug; sie eröffnen das Hertz/ und zeigen ihre Brüste (welches auch der Prophet Jeremias bekräfftiget/ wann er saget: es haben auch die Nacht-Frauen oder Lamiae ihre Brüste entblöset) den Anschauer aber zwingen sie/ durch ihre Bezauberung/ zum Verlangen eines Gesprächs mit ihnen; gehet einer auf sie/ als auf Weiblein zu/ so bleiben sie unerschrocken stehen/ sehen öffters von oben hinabwarts auf die Erde/ stellen sich an Schmuck und Schamhafftigkeit den Weibern gleich/ und also pflegen sie die jenige/ so ihnen zu nahe kommen/ hinweg zu schleppen; dann sie haben an statt der Hände Thieres-Klauen/ welche sie listiglich zu verbergen wissen; letzlich beisset die Schlange zu/ tödtet sie mit ihrem Giffte/ und zehret also den Leib auf. Aber gnug von den Lamiis.

Sphinx Nunmehr schreiten wir fort/ und kommen auch zu den Sphingen/ so denen vorhergehenden[Spaltenumbruch] nicht gar ungleich/ und zwar theils fabelhafftig/ theils auch der Warheit ähnlich sind. Plinius im IIX. Buch meldet von ihnen/ daß sie mit einem dunckel- oder braunschwartzen Haar und zweyen Dutten auf der Brust in Mohrenlande gezeuget werden. Albertus Magnus zehlet sie/ wann er von den Thieren schreibet/ unter die Affen; aus dessen Worten man vermuhten möchte/ sie seyen die Meer-Katzen. Allein die Poeten/ aus welchen es nachmals die Mahler und Bildhauer entlehnt/ reden anderst von ihnen; dann dieselbe/ wie Aelianus erzehlet/ den Sphinx also abbilden/ daß dessen Helffte die Gestalt eines Weibsbildes/ die andere Helffte eines Löwens praesentire und vorstelle; und also hat ihn die Fabel/ so von den Thebanern erzehlet wird/ beschrieben/ woselbsten er auf einem oben über den Weg herüber hangenden Felsen sitzend den Vorbeyreisenden unauflößliche Rähtselen zu rahten vorlegte/ auch alle/ die solche nicht aufzulösen wusten/ mit seinen Klauen Seine Bildnis. und Flügeln umbrachte. Es wird aber sein Bildnus/ nach Innhalt der Fabeln/ dieses seyn/ daß er am Haupte/ Händen und der Brust einer Jungfrau/ an den Flügeln einem Vogel/ am übrigen Leibe einem Löwen gleiche/ wie aus etlichen Gedichten deß Poeten Ausonius abzunehmen ist. Plinius/ im XXXV. Buche/ schreibet von diesem Wahngeschöpffe also: vor den Egyptischen Grabspitzen stehet ein Sphinx/ der noch wunderlicher ist/ gleich als eine wilde Gottheit der Einwohner. Man meinet/ daß König Amasis darinn begraben sey: und die gemeine Sage gehet/ daß er dahin geführet worden. Er ist aus einem selbgewachsnen Steine gehauen/ und glatt. Der Kopff dieses Wunder-Geschöpfes ist in seinem Umzuge 122. Schuhe dick/ 143. lang/ und vom Bauche Chimaera. biß an die Scheitel 62. hoch; Ich muß aber allhier auch deß Thiers Chimaera nicht vergessen/ ungeachtet es anders nichts/ als ein erdichtetes Monstrum ist. Nach des Homerus und Lucretius Beschreibung war

Prima Leo, postrema Draco, media
ipsa Chimaera.

Chimaera vornen her ein Löw/ ein Drach
von hinden/

in Mitten eine Geiß an der Gestalt zu fin-
den.

Aus dem Rachen pflegte dieses Thier eine gewaltige Flamme auszuspeyen/ welches auch Virgilius bezeuget/ wann er es/ im VI. Buch Aeneidos, neben andern Unthieren in den vordern Eingang der Hölle setzet. Es verhielte sich aber die Sache also: In Lycien war ein Feuer-speyender Berg/ auf dessen Spitzen die Löwen sich aufzuhalten pflegten; Mitten aber auf selbigem/ allwo es eine schöne grüne Weide gab/ enthielten sich die Geissen/ und zu unterst die Schlangen. Weil nun der Bellerophontes oder Bellerophon diesen Berg bewohnbar

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Lamia Dion schreibet diese Eigenschafften in historia Libyca den Lamiis zu: Im Angesicht sehen sie schönen Weibs-Bildern ähnlich/ die erhabene Brüste und Hertzen sind so anmuhtig/ daß sie der künstlichste Mahler schöner nicht mahlen und ausbilden könte/ die Farb ist lebhafft und herrlich gläntzend/ so offt man sie anschauet/ siehet man eine annehmliche Holdseligkeit ihnen aus den Augen spielen/ also/ daß einem ihre Leutseligkeit im Gemüht treffliche Zuneigung erwecket/ der übrige Theil deß Leibs ist gantz hart/ und wegen Dichte der Schuppen undurchdringlich; Unten sind sie als eine Schlange geformt/ in dero Kopff sich das unterste Theil/ so überaus erschrecklich und grausam anzuschauen/ zu endigen pflegt. Diese Thiere sind mit Flügeln nicht versehen/ können weder reden noch einige andere Stimme von sich geben/ sondern allein starck pfeiffen/ wie die Drachen/ sind unter allen irrdischen Thieren die geschwindesten/ und kan ihnen kein Thier entfliehen. Die andere Thiere zwar überwältigen den Menschen durch ihre Kräffte/ diese aber allein durch List und Betrug; sie eröffnen das Hertz/ und zeigen ihre Brüste (welches auch der Prophet Jeremias bekräfftiget/ wann er saget: es haben auch die Nacht-Frauen oder Lamiae ihre Brüste entblöset) den Anschauer aber zwingen sie/ durch ihre Bezauberung/ zum Verlangen eines Gesprächs mit ihnen; gehet einer auf sie/ als auf Weiblein zu/ so bleiben sie unerschrocken stehen/ sehen öffters von oben hinabwarts auf die Erde/ stellen sich an Schmuck und Schamhafftigkeit den Weibern gleich/ und also pflegen sie die jenige/ so ihnen zu nahe kommen/ hinweg zu schleppen; dann sie haben an statt der Hände Thieres-Klauen/ welche sie listiglich zu verbergen wissen; letzlich beisset die Schlange zu/ tödtet sie mit ihrem Giffte/ und zehret also den Leib auf. Aber gnug von den Lamiis. Dion beschreibet ihre Natur. Nunmehr schreiten wir fort/ und kommen auch zu den Sphingen/ so denen vorhergehenden nicht gar ungleich/ und zwar theils fabelhafftig/ theils auch der Warheit ähnlich sind. Plinius im IIX. Buch meldet von ihnen/ daß sie mit einem dunckel- oder braunschwartzen Haar und zweyen Dutten auf der Brust in Mohrenlande gezeuget werden. Albertus Magnus zehlet sie/ wann er von den Thieren schreibet/ unter die Affen; aus dessen Worten man vermuhten möchte/ sie seyen die Meer-Katzen. Allein die Poeten/ aus welchen es nachmals die Mahler und Bildhauer entlehnt/ reden anderst von ihnen; dann dieselbe/ wie Aelianus erzehlet/ den Sphinx also abbilden/ daß dessen Helffte die Gestalt eines Weibsbildes/ die andere Helffte eines Löwens praesentire und vorstelle; und also hat ihn die Fabel/ so von den Thebanern erzehlet wird/ beschrieben/ woselbsten er auf einem oben über den Weg herüber hangenden Felsen sitzend den Vorbeyreisenden unauflößliche Rähtselen zu rahten vorlegte/ auch alle/ die solche nicht aufzulösen wusten/ mit seinen Klauen und Flügeln umbrachte. Es wird aber sein Bildnus/ nach Innhalt der Fabeln/ dieses seyn/ daß er am Haupte/ Händen und der Brust einer Jungfrau/ an den Flügeln einem Vogel/ am übrigen Leibe einem Löwen gleiche/ wie aus etlichen Gedichten deß Poeten Ausonius abzunehmen ist. Plinius/ im XXXV. Buche/ schreibet von diesem Wahngeschöpffe also: vor den Egyptischen Grabspitzen stehet ein Sphinx/ der noch wunderlicher ist/ gleich als eine wilde Gottheit der Einwohner. Man meinet/ daß König Amasis darinn begraben sey: und die gemeine Sage gehet/ daß er dahin geführet worden. Er ist aus einem selbgewachsnen Steine gehauen/ und glatt. Der Kopff dieses Wunder-Geschöpfes ist in seinem Umzuge 122. Schuhe dick/ 143. lang/ und vom Bauche biß an die Scheitel 62. hoch; Ich muß aber allhier auch deß Thiers Chimaera nicht vergessen/ ungeachtet es anders nichts/ als ein erdichtetes Monstrum ist. Nach des Homerus und Lucretius Beschreibung war Sphinx Seine Bildnis. Chimaera. Prima Leo, postrema Draco, media ipsa Chimaera. Chimaera vornen her ein Löw/ ein Drach von hinden/ in Mitten eine Geiß an der Gestalt zu fin- den. Aus dem Rachen pflegte dieses Thier eine gewaltige Flamme auszuspeyen/ welches auch Virgilius bezeuget/ wann er es/ im VI. 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Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Bei Worttrennungen am Spalten- oder Seitenumbruch, steht das gesamte Wort auf der vorhergehenden Spalte bzw. Seite.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.



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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: ICONOLOGIA DEORUM. Nürnberg, 1680, S. TA 1680, Iconologia Deorum, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_iconologia_1680/178>, abgerufen am 27.04.2024.