Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Ueber den Charakter Jesu Christi.
gerey ausgezeichnet haben, so bilden sich viele, sonderlich
gemeine Leute ein, daß in der Unthätigkeit, in einer kö-
niglichen Tafel, in einem von Golde starrenden Kleid,
die wahre Ehre und Größe bestehe. Ein Sybaritenle-
ben führen zu können, das ist der geheime Wunsch von
einem großen Theil der Menschen. Weil so wenige von
den Großen der Erde ihre Vorzüge dazu brauchen, wozu
sie ihnen anvertraut sind, so glauben viele, die dem Schein
folgen, und nicht selber prüfen, daß es ein Zeichen eines
kleinen Geistes sey, in der Zufriedenheit mit dem, was
da ist, zu leben, im Mittelstand seine Glückseligkeit zu
suchen, und sich beständig selber zu verbessern, damit man
desto geschickter werde, andern Menschen nützlich zu
seyn*). Die meisten sehen immer nur auf das Aeusser-
liche, auf das Gefolge, auf die Unterscheidungen durch
Rang und Titel, auf den Aufwand, auf das Kleid, auf
die Macht und Herrschaft in der Welt. Aber die wahre
Größe des Menschen thront in der Seele, und wird auch
nur von der Seele erkannt. Die ächte Größe, um die
es der Mühe werth ist zu streben, ist beständige Erwei-
sung der Güte, der Weisheit, der Gerechtigkeit, der
Frömmigkeit und der Uneigennützigkeit. Der wahr-
haftig große Mann denkt immer wie Gott, und han-
delt wie Gott. Jn seinem Herzen bewahrt er beständig
die allererhabensten Grundsätze der Gottesliebe und der

Menschen-
*) Eine schöne Dichterinn, die unserm Vaterland und ihrem
Geschlecht Ehre macht, Madem. Gatterer, sagt das
schön: Thu immerdar Gutes, und sollten auch nur die
Wenigsten dir es verdanken! S. Gött. Mus. Almanach
1779. S. 57.

Ueber den Charakter Jeſu Chriſti.
gerey ausgezeichnet haben, ſo bilden ſich viele, ſonderlich
gemeine Leute ein, daß in der Unthätigkeit, in einer kö-
niglichen Tafel, in einem von Golde ſtarrenden Kleid,
die wahre Ehre und Größe beſtehe. Ein Sybaritenle-
ben führen zu können, das iſt der geheime Wunſch von
einem großen Theil der Menſchen. Weil ſo wenige von
den Großen der Erde ihre Vorzüge dazu brauchen, wozu
ſie ihnen anvertraut ſind, ſo glauben viele, die dem Schein
folgen, und nicht ſelber prüfen, daß es ein Zeichen eines
kleinen Geiſtes ſey, in der Zufriedenheit mit dem, was
da iſt, zu leben, im Mittelſtand ſeine Glückſeligkeit zu
ſuchen, und ſich beſtändig ſelber zu verbeſſern, damit man
deſto geſchickter werde, andern Menſchen nützlich zu
ſeyn*). Die meiſten ſehen immer nur auf das Aeuſſer-
liche, auf das Gefolge, auf die Unterſcheidungen durch
Rang und Titel, auf den Aufwand, auf das Kleid, auf
die Macht und Herrſchaft in der Welt. Aber die wahre
Größe des Menſchen thront in der Seele, und wird auch
nur von der Seele erkannt. Die ächte Größe, um die
es der Mühe werth iſt zu ſtreben, iſt beſtändige Erwei-
ſung der Güte, der Weisheit, der Gerechtigkeit, der
Frömmigkeit und der Uneigennützigkeit. Der wahr-
haftig große Mann denkt immer wie Gott, und han-
delt wie Gott. Jn ſeinem Herzen bewahrt er beſtändig
die allererhabenſten Grundſätze der Gottesliebe und der

Menſchen-
*) Eine ſchöne Dichterinn, die unſerm Vaterland und ihrem
Geſchlecht Ehre macht, Madem. Gatterer, ſagt das
ſchön: Thu immerdar Gutes, und ſollten auch nur die
Wenigſten dir es verdanken! S. Gött. Muſ. Almanach
1779. S. 57.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0058" n="52"/><fw place="top" type="header">Ueber den Charakter Je&#x017F;u Chri&#x017F;ti.</fw><lb/>
gerey ausgezeichnet haben, &#x017F;o bilden &#x017F;ich viele, &#x017F;onderlich<lb/>
gemeine Leute ein, daß in der Unthätigkeit, in einer kö-<lb/>
niglichen Tafel, in einem von Golde &#x017F;tarrenden Kleid,<lb/>
die wahre Ehre und Größe be&#x017F;tehe. Ein Sybaritenle-<lb/>
ben führen zu können, das i&#x017F;t der geheime Wun&#x017F;ch von<lb/>
einem großen Theil der Men&#x017F;chen. Weil &#x017F;o wenige von<lb/>
den Großen der Erde ihre Vorzüge dazu brauchen, wozu<lb/>
&#x017F;ie ihnen anvertraut &#x017F;ind, &#x017F;o glauben viele, die dem Schein<lb/>
folgen, und nicht &#x017F;elber prüfen, daß es ein Zeichen eines<lb/>
kleinen Gei&#x017F;tes &#x017F;ey, in der Zufriedenheit mit dem, was<lb/>
da i&#x017F;t, zu leben, im Mittel&#x017F;tand &#x017F;eine Glück&#x017F;eligkeit zu<lb/>
&#x017F;uchen, und &#x017F;ich be&#x017F;tändig &#x017F;elber zu verbe&#x017F;&#x017F;ern, damit man<lb/>
de&#x017F;to ge&#x017F;chickter werde, andern Men&#x017F;chen nützlich zu<lb/>
&#x017F;eyn<note place="foot" n="*)">Eine &#x017F;chöne Dichterinn, die un&#x017F;erm Vaterland und ihrem<lb/>
Ge&#x017F;chlecht Ehre macht, Madem. <hi rendition="#fr">Gatterer,</hi> &#x017F;agt das<lb/>
&#x017F;chön: Thu immerdar Gutes, und &#x017F;ollten auch nur die<lb/>
Wenig&#x017F;ten dir es verdanken! S. Gött. Mu&#x017F;. Almanach<lb/>
1779. S. 57.</note>. Die mei&#x017F;ten &#x017F;ehen immer nur auf das Aeu&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
liche, auf das Gefolge, auf die Unter&#x017F;cheidungen durch<lb/>
Rang und Titel, auf den Aufwand, auf das Kleid, auf<lb/>
die Macht und Herr&#x017F;chaft in der Welt. Aber die wahre<lb/>
Größe des Men&#x017F;chen thront in der Seele, und wird auch<lb/>
nur von der Seele erkannt. Die ächte Größe, um die<lb/>
es der Mühe werth i&#x017F;t zu &#x017F;treben, i&#x017F;t be&#x017F;tändige Erwei-<lb/>
&#x017F;ung der Güte, der Weisheit, der Gerechtigkeit, der<lb/>
Frömmigkeit und der Uneigennützigkeit. Der wahr-<lb/>
haftig große Mann denkt immer wie Gott, und han-<lb/>
delt wie Gott. Jn &#x017F;einem Herzen bewahrt er be&#x017F;tändig<lb/>
die allererhaben&#x017F;ten Grund&#x017F;ätze der Gottesliebe und der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Men&#x017F;chen-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0058] Ueber den Charakter Jeſu Chriſti. gerey ausgezeichnet haben, ſo bilden ſich viele, ſonderlich gemeine Leute ein, daß in der Unthätigkeit, in einer kö- niglichen Tafel, in einem von Golde ſtarrenden Kleid, die wahre Ehre und Größe beſtehe. Ein Sybaritenle- ben führen zu können, das iſt der geheime Wunſch von einem großen Theil der Menſchen. Weil ſo wenige von den Großen der Erde ihre Vorzüge dazu brauchen, wozu ſie ihnen anvertraut ſind, ſo glauben viele, die dem Schein folgen, und nicht ſelber prüfen, daß es ein Zeichen eines kleinen Geiſtes ſey, in der Zufriedenheit mit dem, was da iſt, zu leben, im Mittelſtand ſeine Glückſeligkeit zu ſuchen, und ſich beſtändig ſelber zu verbeſſern, damit man deſto geſchickter werde, andern Menſchen nützlich zu ſeyn *). Die meiſten ſehen immer nur auf das Aeuſſer- liche, auf das Gefolge, auf die Unterſcheidungen durch Rang und Titel, auf den Aufwand, auf das Kleid, auf die Macht und Herrſchaft in der Welt. Aber die wahre Größe des Menſchen thront in der Seele, und wird auch nur von der Seele erkannt. Die ächte Größe, um die es der Mühe werth iſt zu ſtreben, iſt beſtändige Erwei- ſung der Güte, der Weisheit, der Gerechtigkeit, der Frömmigkeit und der Uneigennützigkeit. Der wahr- haftig große Mann denkt immer wie Gott, und han- delt wie Gott. Jn ſeinem Herzen bewahrt er beſtändig die allererhabenſten Grundſätze der Gottesliebe und der Menſchen- *) Eine ſchöne Dichterinn, die unſerm Vaterland und ihrem Geſchlecht Ehre macht, Madem. Gatterer, ſagt das ſchön: Thu immerdar Gutes, und ſollten auch nur die Wenigſten dir es verdanken! S. Gött. Muſ. Almanach 1779. S. 57.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/58
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/58>, abgerufen am 24.06.2024.