Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Ueber den Charakter Jesu Christi. gerey ausgezeichnet haben, so bilden sich viele, sonderlichgemeine Leute ein, daß in der Unthätigkeit, in einer kö- niglichen Tafel, in einem von Golde starrenden Kleid, die wahre Ehre und Größe bestehe. Ein Sybaritenle- ben führen zu können, das ist der geheime Wunsch von einem großen Theil der Menschen. Weil so wenige von den Großen der Erde ihre Vorzüge dazu brauchen, wozu sie ihnen anvertraut sind, so glauben viele, die dem Schein folgen, und nicht selber prüfen, daß es ein Zeichen eines kleinen Geistes sey, in der Zufriedenheit mit dem, was da ist, zu leben, im Mittelstand seine Glückseligkeit zu suchen, und sich beständig selber zu verbessern, damit man desto geschickter werde, andern Menschen nützlich zu seyn*). Die meisten sehen immer nur auf das Aeusser- liche, auf das Gefolge, auf die Unterscheidungen durch Rang und Titel, auf den Aufwand, auf das Kleid, auf die Macht und Herrschaft in der Welt. Aber die wahre Größe des Menschen thront in der Seele, und wird auch nur von der Seele erkannt. Die ächte Größe, um die es der Mühe werth ist zu streben, ist beständige Erwei- sung der Güte, der Weisheit, der Gerechtigkeit, der Frömmigkeit und der Uneigennützigkeit. Der wahr- haftig große Mann denkt immer wie Gott, und han- delt wie Gott. Jn seinem Herzen bewahrt er beständig die allererhabensten Grundsätze der Gottesliebe und der Menschen- *) Eine schöne Dichterinn, die unserm Vaterland und ihrem
Geschlecht Ehre macht, Madem. Gatterer, sagt das schön: Thu immerdar Gutes, und sollten auch nur die Wenigsten dir es verdanken! S. Gött. Mus. Almanach 1779. S. 57. Ueber den Charakter Jeſu Chriſti. gerey ausgezeichnet haben, ſo bilden ſich viele, ſonderlichgemeine Leute ein, daß in der Unthätigkeit, in einer kö- niglichen Tafel, in einem von Golde ſtarrenden Kleid, die wahre Ehre und Größe beſtehe. Ein Sybaritenle- ben führen zu können, das iſt der geheime Wunſch von einem großen Theil der Menſchen. Weil ſo wenige von den Großen der Erde ihre Vorzüge dazu brauchen, wozu ſie ihnen anvertraut ſind, ſo glauben viele, die dem Schein folgen, und nicht ſelber prüfen, daß es ein Zeichen eines kleinen Geiſtes ſey, in der Zufriedenheit mit dem, was da iſt, zu leben, im Mittelſtand ſeine Glückſeligkeit zu ſuchen, und ſich beſtändig ſelber zu verbeſſern, damit man deſto geſchickter werde, andern Menſchen nützlich zu ſeyn*). Die meiſten ſehen immer nur auf das Aeuſſer- liche, auf das Gefolge, auf die Unterſcheidungen durch Rang und Titel, auf den Aufwand, auf das Kleid, auf die Macht und Herrſchaft in der Welt. Aber die wahre Größe des Menſchen thront in der Seele, und wird auch nur von der Seele erkannt. Die ächte Größe, um die es der Mühe werth iſt zu ſtreben, iſt beſtändige Erwei- ſung der Güte, der Weisheit, der Gerechtigkeit, der Frömmigkeit und der Uneigennützigkeit. Der wahr- haftig große Mann denkt immer wie Gott, und han- delt wie Gott. Jn ſeinem Herzen bewahrt er beſtändig die allererhabenſten Grundſätze der Gottesliebe und der Menſchen- *) Eine ſchöne Dichterinn, die unſerm Vaterland und ihrem
Geſchlecht Ehre macht, Madem. Gatterer, ſagt das ſchön: Thu immerdar Gutes, und ſollten auch nur die Wenigſten dir es verdanken! S. Gött. Muſ. Almanach 1779. S. 57. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0058" n="52"/><fw place="top" type="header">Ueber den Charakter Jeſu Chriſti.</fw><lb/> gerey ausgezeichnet haben, ſo bilden ſich viele, ſonderlich<lb/> gemeine Leute ein, daß in der Unthätigkeit, in einer kö-<lb/> niglichen Tafel, in einem von Golde ſtarrenden Kleid,<lb/> die wahre Ehre und Größe beſtehe. Ein Sybaritenle-<lb/> ben führen zu können, das iſt der geheime Wunſch von<lb/> einem großen Theil der Menſchen. Weil ſo wenige von<lb/> den Großen der Erde ihre Vorzüge dazu brauchen, wozu<lb/> ſie ihnen anvertraut ſind, ſo glauben viele, die dem Schein<lb/> folgen, und nicht ſelber prüfen, daß es ein Zeichen eines<lb/> kleinen Geiſtes ſey, in der Zufriedenheit mit dem, was<lb/> da iſt, zu leben, im Mittelſtand ſeine Glückſeligkeit zu<lb/> ſuchen, und ſich beſtändig ſelber zu verbeſſern, damit man<lb/> deſto geſchickter werde, andern Menſchen nützlich zu<lb/> ſeyn<note place="foot" n="*)">Eine ſchöne Dichterinn, die unſerm Vaterland und ihrem<lb/> Geſchlecht Ehre macht, Madem. <hi rendition="#fr">Gatterer,</hi> ſagt das<lb/> ſchön: Thu immerdar Gutes, und ſollten auch nur die<lb/> Wenigſten dir es verdanken! S. Gött. Muſ. Almanach<lb/> 1779. S. 57.</note>. Die meiſten ſehen immer nur auf das Aeuſſer-<lb/> liche, auf das Gefolge, auf die Unterſcheidungen durch<lb/> Rang und Titel, auf den Aufwand, auf das Kleid, auf<lb/> die Macht und Herrſchaft in der Welt. Aber die wahre<lb/> Größe des Menſchen thront in der Seele, und wird auch<lb/> nur von der Seele erkannt. Die ächte Größe, um die<lb/> es der Mühe werth iſt zu ſtreben, iſt beſtändige Erwei-<lb/> ſung der Güte, der Weisheit, der Gerechtigkeit, der<lb/> Frömmigkeit und der Uneigennützigkeit. Der wahr-<lb/> haftig große Mann denkt immer wie Gott, und han-<lb/> delt wie Gott. Jn ſeinem Herzen bewahrt er beſtändig<lb/> die allererhabenſten Grundſätze der Gottesliebe und der<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Menſchen-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [52/0058]
Ueber den Charakter Jeſu Chriſti.
gerey ausgezeichnet haben, ſo bilden ſich viele, ſonderlich
gemeine Leute ein, daß in der Unthätigkeit, in einer kö-
niglichen Tafel, in einem von Golde ſtarrenden Kleid,
die wahre Ehre und Größe beſtehe. Ein Sybaritenle-
ben führen zu können, das iſt der geheime Wunſch von
einem großen Theil der Menſchen. Weil ſo wenige von
den Großen der Erde ihre Vorzüge dazu brauchen, wozu
ſie ihnen anvertraut ſind, ſo glauben viele, die dem Schein
folgen, und nicht ſelber prüfen, daß es ein Zeichen eines
kleinen Geiſtes ſey, in der Zufriedenheit mit dem, was
da iſt, zu leben, im Mittelſtand ſeine Glückſeligkeit zu
ſuchen, und ſich beſtändig ſelber zu verbeſſern, damit man
deſto geſchickter werde, andern Menſchen nützlich zu
ſeyn *). Die meiſten ſehen immer nur auf das Aeuſſer-
liche, auf das Gefolge, auf die Unterſcheidungen durch
Rang und Titel, auf den Aufwand, auf das Kleid, auf
die Macht und Herrſchaft in der Welt. Aber die wahre
Größe des Menſchen thront in der Seele, und wird auch
nur von der Seele erkannt. Die ächte Größe, um die
es der Mühe werth iſt zu ſtreben, iſt beſtändige Erwei-
ſung der Güte, der Weisheit, der Gerechtigkeit, der
Frömmigkeit und der Uneigennützigkeit. Der wahr-
haftig große Mann denkt immer wie Gott, und han-
delt wie Gott. Jn ſeinem Herzen bewahrt er beſtändig
die allererhabenſten Grundſätze der Gottesliebe und der
Menſchen-
*) Eine ſchöne Dichterinn, die unſerm Vaterland und ihrem
Geſchlecht Ehre macht, Madem. Gatterer, ſagt das
ſchön: Thu immerdar Gutes, und ſollten auch nur die
Wenigſten dir es verdanken! S. Gött. Muſ. Almanach
1779. S. 57.
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