Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Ueber die Erzählung vom Sämann. nie weder ganz böse, noch ganz gut sind, mit allen ihrenFarben zeichnen wollte. Eine Zeit lang glauben sie; aber wenn sie alte Lieblingssünden unterlassen sollen, wenn man ihren gewohnten Vorurtheilen zu nahe kommt, wenn sie auch ein leises Gefühl von Tugend und Unrecht zeigen sollen, wenn ihnen Gottes Liebe, das Wohl der Seelen, die zukünftigen Güter theurer, schätzbarer seyn sollen, als alle andre Spielwerke und Tändeleyen, dann, dann fallen sie ab. Malt ihrs ihnen vor die Augen, daß sie durch dies und jenes, das sie als ein Stück ihrer Freude ansehen, zum größten Unglück andrer Menschen Gelegenheit geben -- dafür haben die Leute, die über den Tod einer Nachtigall wimmern, und Elegien singen können, kein Gewissen. Sie sagen -- ha, wie unar- tig, und doch, wie wahr! sie sagen manchem guten Men- schen das gerade in das Gesicht, was ihn kränken und schmerzen muß. Es ist wahr, die Güte Gottes kennt unsre Schwäche, und fordert von gebrechlichen Menschen keine Vollkommenheit. Er weiß es, wir sind Staub, (Psalm 103, 14.) -- aber das ist nur Trost für den redlichen, für den lautern, für den thätigen Christen, dessen Vorsatz fest ist, überall dem Evangelium Jesu Christi würdig zu wandeln. (Philipp. 1, 27.) Ent- weihet ihr, ihr, die ihr noch keine wahre Furcht und Liebe des Höchsten habt, ihr, die ihr eure Schuldigkeit, mit dem Erlöser zu leiden, und aus dankbarem Gehorsam ge- gen ihn euch ihm ganz aufzuopfern, noch nie erkannt habt, entheiligt ihr diese kostbare Versicherungen der göttlichen Langmuth nicht. Für euch ist die Warnung in der Schrift: daß ohne Heiligung niemand den Herrn sehen wird. (Ebr. 12, 14.) Für euch ist die Ermah- nung: M 3
Ueber die Erzählung vom Sämann. nie weder ganz böſe, noch ganz gut ſind, mit allen ihrenFarben zeichnen wollte. Eine Zeit lang glauben ſie; aber wenn ſie alte Lieblingsſünden unterlaſſen ſollen, wenn man ihren gewohnten Vorurtheilen zu nahe kommt, wenn ſie auch ein leiſes Gefühl von Tugend und Unrecht zeigen ſollen, wenn ihnen Gottes Liebe, das Wohl der Seelen, die zukünftigen Güter theurer, ſchätzbarer ſeyn ſollen, als alle andre Spielwerke und Tändeleyen, dann, dann fallen ſie ab. Malt ihrs ihnen vor die Augen, daß ſie durch dies und jenes, das ſie als ein Stück ihrer Freude anſehen, zum größten Unglück andrer Menſchen Gelegenheit geben — dafür haben die Leute, die über den Tod einer Nachtigall wimmern, und Elegien ſingen können, kein Gewiſſen. Sie ſagen — ha, wie unar- tig, und doch, wie wahr! ſie ſagen manchem guten Men- ſchen das gerade in das Geſicht, was ihn kränken und ſchmerzen muß. Es iſt wahr, die Güte Gottes kennt unſre Schwäche, und fordert von gebrechlichen Menſchen keine Vollkommenheit. Er weiß es, wir ſind Staub, (Pſalm 103, 14.) — aber das iſt nur Troſt für den redlichen, für den lautern, für den thätigen Chriſten, deſſen Vorſatz feſt iſt, überall dem Evangelium Jeſu Chriſti würdig zu wandeln. (Philipp. 1, 27.) Ent- weihet ihr, ihr, die ihr noch keine wahre Furcht und Liebe des Höchſten habt, ihr, die ihr eure Schuldigkeit, mit dem Erlöſer zu leiden, und aus dankbarem Gehorſam ge- gen ihn euch ihm ganz aufzuopfern, noch nie erkannt habt, entheiligt ihr dieſe koſtbare Verſicherungen der göttlichen Langmuth nicht. Für euch iſt die Warnung in der Schrift: daß ohne Heiligung niemand den Herrn ſehen wird. (Ebr. 12, 14.) Für euch iſt die Ermah- nung: M 3
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Ueber die Erzählung vom Sämann.
nie weder ganz böſe, noch ganz gut ſind, mit allen ihren
Farben zeichnen wollte. Eine Zeit lang glauben ſie;
aber wenn ſie alte Lieblingsſünden unterlaſſen ſollen, wenn
man ihren gewohnten Vorurtheilen zu nahe kommt, wenn
ſie auch ein leiſes Gefühl von Tugend und Unrecht zeigen
ſollen, wenn ihnen Gottes Liebe, das Wohl der Seelen,
die zukünftigen Güter theurer, ſchätzbarer ſeyn ſollen, als
alle andre Spielwerke und Tändeleyen, dann, dann
fallen ſie ab. Malt ihrs ihnen vor die Augen, daß
ſie durch dies und jenes, das ſie als ein Stück ihrer
Freude anſehen, zum größten Unglück andrer Menſchen
Gelegenheit geben — dafür haben die Leute, die über
den Tod einer Nachtigall wimmern, und Elegien ſingen
können, kein Gewiſſen. Sie ſagen — ha, wie unar-
tig, und doch, wie wahr! ſie ſagen manchem guten Men-
ſchen das gerade in das Geſicht, was ihn kränken und
ſchmerzen muß. Es iſt wahr, die Güte Gottes kennt
unſre Schwäche, und fordert von gebrechlichen Menſchen
keine Vollkommenheit. Er weiß es, wir ſind Staub,
(Pſalm 103, 14.) — aber das iſt nur Troſt für den
redlichen, für den lautern, für den thätigen Chriſten,
deſſen Vorſatz feſt iſt, überall dem Evangelium Jeſu
Chriſti würdig zu wandeln. (Philipp. 1, 27.) Ent-
weihet ihr, ihr, die ihr noch keine wahre Furcht und Liebe
des Höchſten habt, ihr, die ihr eure Schuldigkeit, mit
dem Erlöſer zu leiden, und aus dankbarem Gehorſam ge-
gen ihn euch ihm ganz aufzuopfern, noch nie erkannt habt,
entheiligt ihr dieſe koſtbare Verſicherungen der göttlichen
Langmuth nicht. Für euch iſt die Warnung in der
Schrift: daß ohne Heiligung niemand den Herrn
ſehen wird. (Ebr. 12, 14.) Für euch iſt die Ermah-
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