Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Menschenliebe des Erlösers. wissen, das Zittern vor dem Tode, die Abneigung gegenGott, das mühsame Bestreben, in der Welt groß und glücklich zu werden, nicht. Prüfet den Lohn der irrdischen Arbeiten. Untersuchet den kleinen Gewinn, den ihr in so vielen Jahren gemacht habt. Lohnen dann die Freu- den der Welt den Eifer, womit wir nach ihnen ringen? Werden wir dann, wenn wir von andern vorgezogen, und zu allen Ergötzungen der Ersten und der Reichsten zugezogen werden, dadurch wirklich glücklich, und ruhig in der Seele? Kommen dann die rastlosen Begierden dadurch zum Stillschweigen, wenn wir an der Ehre die- ser Welt wachsen und zunehmen? Verringert sich dann die Marter, die Pein in der Seele, so oft wir in die Zu- kunst dringen, wenn wir unsre Absichten erreichen, und mehr als unsre Brüder in der Welt zu bedeuten haben? fühlen wir nicht noch immer eine gewisse Leere in der Seele? Verlieren wir nicht oft alle Glückseligkeiten, die wir in unserm Beruf, am Arm der Unschuld und Tu- gend genießen könnten, indem wir alles anwenden, um den Schatten, der Ehre heißt, zu erhaschen? Sehen wir nicht auch das, was uns am meisten blenden und verfüh- ren konnte, zuletzt mit Ekel an, und werden selber durch den Besitz gleichgültig und unempfindlich? Ist es nicht ein trauriges Geschäft, daß wir dies gestehen müssen? Aber treuer Erlöser! der du am meisten dabey littest, und in deiner heiligen Seele wehmüthig und bewegt wurdest, wenn du auf der schönen Erde viele unedle Menschen wandeln, und sich noch dabey brüsten sahest! du allein kannst uns helfen, kannst uns allein den Werth schenken, den wir vor dir haben sollen. Lehre uns den Unterricht, den du uns hinterließest, recht schätzen. Lehre uns auf deinen
Menſchenliebe des Erlöſers. wiſſen, das Zittern vor dem Tode, die Abneigung gegenGott, das mühſame Beſtreben, in der Welt groß und glücklich zu werden, nicht. Prüfet den Lohn der irrdiſchen Arbeiten. Unterſuchet den kleinen Gewinn, den ihr in ſo vielen Jahren gemacht habt. Lohnen dann die Freu- den der Welt den Eifer, womit wir nach ihnen ringen? Werden wir dann, wenn wir von andern vorgezogen, und zu allen Ergötzungen der Erſten und der Reichſten zugezogen werden, dadurch wirklich glücklich, und ruhig in der Seele? Kommen dann die raſtloſen Begierden dadurch zum Stillſchweigen, wenn wir an der Ehre die- ſer Welt wachſen und zunehmen? Verringert ſich dann die Marter, die Pein in der Seele, ſo oft wir in die Zu- kunſt dringen, wenn wir unſre Abſichten erreichen, und mehr als unſre Brüder in der Welt zu bedeuten haben? fühlen wir nicht noch immer eine gewiſſe Leere in der Seele? Verlieren wir nicht oft alle Glückſeligkeiten, die wir in unſerm Beruf, am Arm der Unſchuld und Tu- gend genießen könnten, indem wir alles anwenden, um den Schatten, der Ehre heißt, zu erhaſchen? Sehen wir nicht auch das, was uns am meiſten blenden und verfüh- ren konnte, zuletzt mit Ekel an, und werden ſelber durch den Beſitz gleichgültig und unempfindlich? Iſt es nicht ein trauriges Geſchäft, daß wir dies geſtehen müſſen? Aber treuer Erlöſer! der du am meiſten dabey litteſt, und in deiner heiligen Seele wehmüthig und bewegt wurdeſt, wenn du auf der ſchönen Erde viele unedle Menſchen wandeln, und ſich noch dabey brüſten ſaheſt! du allein kannſt uns helfen, kannſt uns allein den Werth ſchenken, den wir vor dir haben ſollen. Lehre uns den Unterricht, den du uns hinterließeſt, recht ſchätzen. Lehre uns auf deinen
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Menſchenliebe des Erlöſers.
wiſſen, das Zittern vor dem Tode, die Abneigung gegen
Gott, das mühſame Beſtreben, in der Welt groß und
glücklich zu werden, nicht. Prüfet den Lohn der irrdiſchen
Arbeiten. Unterſuchet den kleinen Gewinn, den ihr in
ſo vielen Jahren gemacht habt. Lohnen dann die Freu-
den der Welt den Eifer, womit wir nach ihnen ringen?
Werden wir dann, wenn wir von andern vorgezogen,
und zu allen Ergötzungen der Erſten und der Reichſten
zugezogen werden, dadurch wirklich glücklich, und ruhig
in der Seele? Kommen dann die raſtloſen Begierden
dadurch zum Stillſchweigen, wenn wir an der Ehre die-
ſer Welt wachſen und zunehmen? Verringert ſich dann
die Marter, die Pein in der Seele, ſo oft wir in die Zu-
kunſt dringen, wenn wir unſre Abſichten erreichen, und
mehr als unſre Brüder in der Welt zu bedeuten haben?
fühlen wir nicht noch immer eine gewiſſe Leere in der
Seele? Verlieren wir nicht oft alle Glückſeligkeiten, die
wir in unſerm Beruf, am Arm der Unſchuld und Tu-
gend genießen könnten, indem wir alles anwenden, um
den Schatten, der Ehre heißt, zu erhaſchen? Sehen wir
nicht auch das, was uns am meiſten blenden und verfüh-
ren konnte, zuletzt mit Ekel an, und werden ſelber durch
den Beſitz gleichgültig und unempfindlich? Iſt es nicht
ein trauriges Geſchäft, daß wir dies geſtehen müſſen?
Aber treuer Erlöſer! der du am meiſten dabey litteſt, und
in deiner heiligen Seele wehmüthig und bewegt wurdeſt,
wenn du auf der ſchönen Erde viele unedle Menſchen
wandeln, und ſich noch dabey brüſten ſaheſt! du allein
kannſt uns helfen, kannſt uns allein den Werth ſchenken,
den wir vor dir haben ſollen. Lehre uns den Unterricht,
den du uns hinterließeſt, recht ſchätzen. Lehre uns auf
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