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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

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Gegen die selbsterfundene Religion.
mißt die Tugend nach dem Grad der Erkenntniß, und
nach dem Maaße der Kräfte und der Gelegenheiten ab.
Merket das, ihr, die ihr auch das immer als eine Be-
denklichkeit gegen das Christenthum ansehet, daß es
noch nicht die ganze Welt durchdrungen,
und zu
allen Menschen gekommen ist. Der Herr ist so hart,
so unbillig nicht, daß er da erndten wollte, wo er
nicht gesäet hat.
(Luc. 19, 22.) Der bedaurenswür-
dige Haufen der Heiden und Abgötter wird nicht so ge-
richtet werden, wie die glücklichere Welt der Christen.
Der allgemeine Menschenvater handelt nicht wie eine
unbillige Mutter, die die Stieftochter zurücksetzt, um
den andern Kindern ihre ganze Liebe zuzuwenden. Seine
Allwissenheit wirds aufs genaueste bestimmen, wie weit
jeder unter den Götzendienern der Stimme der Natur
treu geblieben, und dem Licht der Vernunft nad, gegangen
ist. Noch ist es seine Absicht nicht, und wer unter uns
kann die geheimen Ursachen der Regierung Gottes auf-
decken? daß die Fackel der Lehre Jesu Christi in allen
Gegenden der Erde schimmern soll. Aber das Wort
des Erlösers, das nie lügt, ist uns Bürge dafür, daß
Gott auch für die, die ihn unter den Finsternissen des
Aberglaubens, von einem schwachen Schimmer der Er-
kenntniß, aber von einem guten und kindlichen Herzen
geleitet, anbeten, einen gewissen Grad von Glückseligkeit
bestimmt, und am glänzenden Sternhimmel irgendwo
eine Welt, ein Land hat, wo sie, die hier, wie Knaben in
den Probejahren, nicht wußten, was sie werden sollten,
zu höherem Rang erhoben, mit uns Gott, den Vater un-
sers Herrn Jesu Christi, anbeten werden! Aber eben die-
ser zukünftige Richter der Lebendigen und der Todten, der

uns
G 3

Gegen die ſelbſterfundene Religion.
mißt die Tugend nach dem Grad der Erkenntniß, und
nach dem Maaße der Kräfte und der Gelegenheiten ab.
Merket das, ihr, die ihr auch das immer als eine Be-
denklichkeit gegen das Chriſtenthum anſehet, daß es
noch nicht die ganze Welt durchdrungen,
und zu
allen Menſchen gekommen iſt. Der Herr iſt ſo hart,
ſo unbillig nicht, daß er da erndten wollte, wo er
nicht geſäet hat.
(Luc. 19, 22.) Der bedaurenswür-
dige Haufen der Heiden und Abgötter wird nicht ſo ge-
richtet werden, wie die glücklichere Welt der Chriſten.
Der allgemeine Menſchenvater handelt nicht wie eine
unbillige Mutter, die die Stieftochter zurückſetzt, um
den andern Kindern ihre ganze Liebe zuzuwenden. Seine
Allwiſſenheit wirds aufs genaueſte beſtimmen, wie weit
jeder unter den Götzendienern der Stimme der Natur
treu geblieben, und dem Licht der Vernunft nad, gegangen
iſt. Noch iſt es ſeine Abſicht nicht, und wer unter uns
kann die geheimen Urſachen der Regierung Gottes auf-
decken? daß die Fackel der Lehre Jeſu Chriſti in allen
Gegenden der Erde ſchimmern ſoll. Aber das Wort
des Erlöſers, das nie lügt, iſt uns Bürge dafür, daß
Gott auch für die, die ihn unter den Finſterniſſen des
Aberglaubens, von einem ſchwachen Schimmer der Er-
kenntniß, aber von einem guten und kindlichen Herzen
geleitet, anbeten, einen gewiſſen Grad von Glückſeligkeit
beſtimmt, und am glänzenden Sternhimmel irgendwo
eine Welt, ein Land hat, wo ſie, die hier, wie Knaben in
den Probejahren, nicht wußten, was ſie werden ſollten,
zu höherem Rang erhoben, mit uns Gott, den Vater un-
ſers Herrn Jeſu Chriſti, anbeten werden! Aber eben die-
ſer zukünftige Richter der Lebendigen und der Todten, der

uns
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[101/0107] Gegen die ſelbſterfundene Religion. mißt die Tugend nach dem Grad der Erkenntniß, und nach dem Maaße der Kräfte und der Gelegenheiten ab. Merket das, ihr, die ihr auch das immer als eine Be- denklichkeit gegen das Chriſtenthum anſehet, daß es noch nicht die ganze Welt durchdrungen, und zu allen Menſchen gekommen iſt. Der Herr iſt ſo hart, ſo unbillig nicht, daß er da erndten wollte, wo er nicht geſäet hat. (Luc. 19, 22.) Der bedaurenswür- dige Haufen der Heiden und Abgötter wird nicht ſo ge- richtet werden, wie die glücklichere Welt der Chriſten. Der allgemeine Menſchenvater handelt nicht wie eine unbillige Mutter, die die Stieftochter zurückſetzt, um den andern Kindern ihre ganze Liebe zuzuwenden. Seine Allwiſſenheit wirds aufs genaueſte beſtimmen, wie weit jeder unter den Götzendienern der Stimme der Natur treu geblieben, und dem Licht der Vernunft nad, gegangen iſt. Noch iſt es ſeine Abſicht nicht, und wer unter uns kann die geheimen Urſachen der Regierung Gottes auf- decken? daß die Fackel der Lehre Jeſu Chriſti in allen Gegenden der Erde ſchimmern ſoll. Aber das Wort des Erlöſers, das nie lügt, iſt uns Bürge dafür, daß Gott auch für die, die ihn unter den Finſterniſſen des Aberglaubens, von einem ſchwachen Schimmer der Er- kenntniß, aber von einem guten und kindlichen Herzen geleitet, anbeten, einen gewiſſen Grad von Glückſeligkeit beſtimmt, und am glänzenden Sternhimmel irgendwo eine Welt, ein Land hat, wo ſie, die hier, wie Knaben in den Probejahren, nicht wußten, was ſie werden ſollten, zu höherem Rang erhoben, mit uns Gott, den Vater un- ſers Herrn Jeſu Chriſti, anbeten werden! Aber eben die- ſer zukünftige Richter der Lebendigen und der Todten, der uns G 3

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/107>, abgerufen am 23.11.2024.