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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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Einmahl fand man am Morgen dünnes Eis in den klein-
sten Gräben, das aber zerschmolz, so bald die Sonne
hervortrat.

Den andern Tag war ich in Müllheim, und ruhte
unter guten Freunden aus. Es ist das ein sehr grosser
und ansehnlicher Flecken, der in manchem Lande gar eine
hübsche Stadt heissen würde. Alle herrschaftliche Be-
diente für das Oberamt Badenweiler wohnen hier, und
man genießt die herrlichen Schätze der Natur in der Ru-
he auf dem Lande, und in der glücklichen Entfernung von
der Eitelkeit der Stadt, und dem Lärm vieler müssiger
Menschen, hier vielleicht besser, als an vielen andern Or-
ten. Der Oberamtmann sagte mir, daß er Hofnung
habe, in diesem Jahre die zweite reife Traube zu bekom-
men. Wenigstens war sie schon ganz ausgewachsen, und
färbte sich bereits. Ich sprach davon bei Tisch mit dem
P. Groskeller aus dem Kloster St. Peter, der eben
auch wegen Geschäften in der Kanzlei hier war, und er
versicherte mir, daß er auch auf den Aeckern seines Klo-
sters, das doch ziemlich hoch und kalt liegt, den Fall er-
lebt hätte, daß in Einem Sommer zweimahl Flachs ge-
wachsen sei. Der zweite Flachs ward nicht ausgesäet.
Er wuchs nur vom ausgefallenen Saamen auf, und
ward wieder völlig zeitig.

Bei guten Freunden verrauscht ein Tag sehr schnell.
Zwei von ihnen begleiteten mich am folgenden Morgen
bis auf die Probstei Bürglen, die schon dem Fürsten von
St. Blasien gehört, und die Gefälle und Zehenden, die
das Kloster in der Gegend hat, einziehen muß. Sie
liegt auf einem hohen, fast unzugänglichen Berge, der
hinter Feldberg und Obereggenen in die Höhe steigt.

Schreck-
A a 2

Einmahl fand man am Morgen duͤnnes Eis in den klein-
ſten Graͤben, das aber zerſchmolz, ſo bald die Sonne
hervortrat.

Den andern Tag war ich in Muͤllheim, und ruhte
unter guten Freunden aus. Es iſt das ein ſehr groſſer
und anſehnlicher Flecken, der in manchem Lande gar eine
huͤbſche Stadt heiſſen wuͤrde. Alle herrſchaftliche Be-
diente fuͤr das Oberamt Badenweiler wohnen hier, und
man genießt die herrlichen Schaͤtze der Natur in der Ru-
he auf dem Lande, und in der gluͤcklichen Entfernung von
der Eitelkeit der Stadt, und dem Laͤrm vieler muͤſſiger
Menſchen, hier vielleicht beſſer, als an vielen andern Or-
ten. Der Oberamtmann ſagte mir, daß er Hofnung
habe, in dieſem Jahre die zweite reife Traube zu bekom-
men. Wenigſtens war ſie ſchon ganz ausgewachſen, und
faͤrbte ſich bereits. Ich ſprach davon bei Tiſch mit dem
P. Groskeller aus dem Kloſter St. Peter, der eben
auch wegen Geſchaͤften in der Kanzlei hier war, und er
verſicherte mir, daß er auch auf den Aeckern ſeines Klo-
ſters, das doch ziemlich hoch und kalt liegt, den Fall er-
lebt haͤtte, daß in Einem Sommer zweimahl Flachs ge-
wachſen ſei. Der zweite Flachs ward nicht ausgeſaͤet.
Er wuchs nur vom ausgefallenen Saamen auf, und
ward wieder voͤllig zeitig.

Bei guten Freunden verrauſcht ein Tag ſehr ſchnell.
Zwei von ihnen begleiteten mich am folgenden Morgen
bis auf die Probſtei Buͤrglen, die ſchon dem Fuͤrſten von
St. Blaſien gehoͤrt, und die Gefaͤlle und Zehenden, die
das Kloſter in der Gegend hat, einziehen muß. Sie
liegt auf einem hohen, faſt unzugaͤnglichen Berge, der
hinter Feldberg und Obereggenen in die Hoͤhe ſteigt.

Schreck-
A a 2
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[371/0409] Einmahl fand man am Morgen duͤnnes Eis in den klein- ſten Graͤben, das aber zerſchmolz, ſo bald die Sonne hervortrat. Den andern Tag war ich in Muͤllheim, und ruhte unter guten Freunden aus. Es iſt das ein ſehr groſſer und anſehnlicher Flecken, der in manchem Lande gar eine huͤbſche Stadt heiſſen wuͤrde. Alle herrſchaftliche Be- diente fuͤr das Oberamt Badenweiler wohnen hier, und man genießt die herrlichen Schaͤtze der Natur in der Ru- he auf dem Lande, und in der gluͤcklichen Entfernung von der Eitelkeit der Stadt, und dem Laͤrm vieler muͤſſiger Menſchen, hier vielleicht beſſer, als an vielen andern Or- ten. Der Oberamtmann ſagte mir, daß er Hofnung habe, in dieſem Jahre die zweite reife Traube zu bekom- men. Wenigſtens war ſie ſchon ganz ausgewachſen, und faͤrbte ſich bereits. Ich ſprach davon bei Tiſch mit dem P. Groskeller aus dem Kloſter St. Peter, der eben auch wegen Geſchaͤften in der Kanzlei hier war, und er verſicherte mir, daß er auch auf den Aeckern ſeines Klo- ſters, das doch ziemlich hoch und kalt liegt, den Fall er- lebt haͤtte, daß in Einem Sommer zweimahl Flachs ge- wachſen ſei. Der zweite Flachs ward nicht ausgeſaͤet. Er wuchs nur vom ausgefallenen Saamen auf, und ward wieder voͤllig zeitig. Bei guten Freunden verrauſcht ein Tag ſehr ſchnell. Zwei von ihnen begleiteten mich am folgenden Morgen bis auf die Probſtei Buͤrglen, die ſchon dem Fuͤrſten von St. Blaſien gehoͤrt, und die Gefaͤlle und Zehenden, die das Kloſter in der Gegend hat, einziehen muß. Sie liegt auf einem hohen, faſt unzugaͤnglichen Berge, der hinter Feldberg und Obereggenen in die Hoͤhe ſteigt. Schreck- A a 2

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/409>, abgerufen am 03.05.2024.