sagen, daß sie das Brückenbauen verstehen. Die Noth zwingt sie, sich auf diese Kunst zu legen.
Schafhausen an sich ist eine alte schlechtgebaute, meist enge und bergigte Stadt. Der Ton, der unter den Bürgern herrscht, ist erbärmlich. Der dumme Stolz sitzt den meisten Schweizerbürgern auf der Stirne. Nach äussrer Kultur und Politur, nach feinen Sitten und gu- ter Lebensart, nach einem gewissen Maas von allgemein verbreiteter Aufklärung und Wissenschaft müssen Sie in Schafhausen nicht fragen. Der Fremde ist der Erste, dem sie es zum Vorwurf machen, daß er ein Fremder sei, und erst jetzt, wie sie sagen, in ihr Land geschmeckt habe. Mir geschah nichts Unangenehmes, aber ich sah wohl die Denkungsart der Leute und hörte manches erzäh- len, woraus ich mir gleich den Geist des Volks abstra- hiren konnte. Indessen ist Schafhausen eine reiche Stadt. Die Bürger haben Geld, und das ist es eben, worauf sie trotzen. Alles handelt hier; es sind Kattun- fabriken, seidene Strümpf- und Schnupftücherfabriken da; noch mehr aber leben sie davon, daß wegen den Fäl- len, die der Rhein hier macht, alles was auf dem Stro- me von Bregenz, Costanz etc. herabkommt, vor der Stadt ausgeladen, und auf der Achse bis unter Lauffen geführt werden muß. Damit beschäftigt sich dann ein grosser Theil der Schafhäuser Bürger. Ferner dürfen auch alle andere Güter, die irgend woher nach der Schweizer Grenze kommen, und in das Innre des Landes gehen sollen, von keinen andern Fuhrleuten, als von Schafhäusern geführt werden. Hier müssen selbst Böhmische Fuhrleute abladen, und umkehren. Sie dürfen nicht weiter, und wenn sie keine Fracht zur Rück-
kehr
ſagen, daß ſie das Bruͤckenbauen verſtehen. Die Noth zwingt ſie, ſich auf dieſe Kunſt zu legen.
Schafhauſen an ſich iſt eine alte ſchlechtgebaute, meiſt enge und bergigte Stadt. Der Ton, der unter den Buͤrgern herrſcht, iſt erbaͤrmlich. Der dumme Stolz ſitzt den meiſten Schweizerbuͤrgern auf der Stirne. Nach aͤuſſrer Kultur und Politur, nach feinen Sitten und gu- ter Lebensart, nach einem gewiſſen Maas von allgemein verbreiteter Aufklaͤrung und Wiſſenſchaft muͤſſen Sie in Schafhauſen nicht fragen. Der Fremde iſt der Erſte, dem ſie es zum Vorwurf machen, daß er ein Fremder ſei, und erſt jetzt, wie ſie ſagen, in ihr Land geſchmeckt habe. Mir geſchah nichts Unangenehmes, aber ich ſah wohl die Denkungsart der Leute und hoͤrte manches erzaͤh- len, woraus ich mir gleich den Geiſt des Volks abſtra- hiren konnte. Indeſſen iſt Schafhauſen eine reiche Stadt. Die Buͤrger haben Geld, und das iſt es eben, worauf ſie trotzen. Alles handelt hier; es ſind Kattun- fabriken, ſeidene Struͤmpf- und Schnupftuͤcherfabriken da; noch mehr aber leben ſie davon, daß wegen den Faͤl- len, die der Rhein hier macht, alles was auf dem Stro- me von Bregenz, Coſtanz ꝛc. herabkommt, vor der Stadt ausgeladen, und auf der Achſe bis unter Lauffen gefuͤhrt werden muß. Damit beſchaͤftigt ſich dann ein groſſer Theil der Schafhaͤuſer Buͤrger. Ferner duͤrfen auch alle andere Guͤter, die irgend woher nach der Schweizer Grenze kommen, und in das Innre des Landes gehen ſollen, von keinen andern Fuhrleuten, als von Schafhaͤuſern gefuͤhrt werden. Hier muͤſſen ſelbſt Boͤhmiſche Fuhrleute abladen, und umkehren. Sie duͤrfen nicht weiter, und wenn ſie keine Fracht zur Ruͤck-
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ſagen, daß ſie das Bruͤckenbauen verſtehen. Die Noth
zwingt ſie, ſich auf dieſe Kunſt zu legen.
Schafhauſen an ſich iſt eine alte ſchlechtgebaute,
meiſt enge und bergigte Stadt. Der Ton, der unter
den Buͤrgern herrſcht, iſt erbaͤrmlich. Der dumme Stolz
ſitzt den meiſten Schweizerbuͤrgern auf der Stirne. Nach
aͤuſſrer Kultur und Politur, nach feinen Sitten und gu-
ter Lebensart, nach einem gewiſſen Maas von allgemein
verbreiteter Aufklaͤrung und Wiſſenſchaft muͤſſen Sie in
Schafhauſen nicht fragen. Der Fremde iſt der Erſte,
dem ſie es zum Vorwurf machen, daß er ein Fremder
ſei, und erſt jetzt, wie ſie ſagen, in ihr Land geſchmeckt
habe. Mir geſchah nichts Unangenehmes, aber ich ſah
wohl die Denkungsart der Leute und hoͤrte manches erzaͤh-
len, woraus ich mir gleich den Geiſt des Volks abſtra-
hiren konnte. Indeſſen iſt Schafhauſen eine reiche
Stadt. Die Buͤrger haben Geld, und das iſt es eben,
worauf ſie trotzen. Alles handelt hier; es ſind Kattun-
fabriken, ſeidene Struͤmpf- und Schnupftuͤcherfabriken
da; noch mehr aber leben ſie davon, daß wegen den Faͤl-
len, die der Rhein hier macht, alles was auf dem Stro-
me von Bregenz, Coſtanz ꝛc. herabkommt, vor der
Stadt ausgeladen, und auf der Achſe bis unter Lauffen
gefuͤhrt werden muß. Damit beſchaͤftigt ſich dann ein
groſſer Theil der Schafhaͤuſer Buͤrger. Ferner duͤrfen
auch alle andere Guͤter, die irgend woher nach der
Schweizer Grenze kommen, und in das Innre des
Landes gehen ſollen, von keinen andern Fuhrleuten, als
von Schafhaͤuſern gefuͤhrt werden. Hier muͤſſen ſelbſt
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/325>, abgerufen am 25.11.2024.
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