die Nation, wie man sie etwa auf den höchsten Alpen, und in den innersten Thälern finden möchte.
Man hatte noch vor vielen Fenstern die äussern, oder doppelten Fenster vom Winter her, weil von der plötz- lichen Hitze und plötzlichen Kälte oft Winde entstehen, die alles durchfahren.
Viele Papil. Rhamni frangulae L. flogen in die- sen heissen Thälern vor mir her.
In manchem grossen Orte ist nur ein Röhrbrun- nen. Man kan oft kein anderes Trinkwasser haben, als das, was ausm Rhein geschöpft wird. Sollten Sie das zwischen den Bergen und Thälern der Schweiz vermuthen? Das Rheinwasser kühlt den Durst nicht, ist hier noch sehr hart, rauh, voll Unreinigkeiten, und schwimmt voll feiner dünner Moosfäden, die gleich beim ersten Anblicke alle Lust benehmen.
Desto köstlicher dagegen ist die Milch mit der Sah- ne, die man aber doch auch nicht zu allen Stunden des Tags, und in allen Häusern haben kan. Wenn man saure Milch haben will, so muß man dicke Milch sa- gen, um verstanden zu werden.
Von der Hitze der Berge sehen die Eewachsene meist sehr häßlich aus, und fast alle Kinder sind so unnatür- lich roth im Gesicht, als wenn sie mit Mennig überstri- chen wären.
Im Städtchen Diessenhofen, 2. starke Stunden von Schafhausen, geht eine hölzerne bedeckte Brücke über den Rhein, und über diese läuft der Weg fort auf der andern Seite. Man muß den Schweizern nach-
sagen,
die Nation, wie man ſie etwa auf den hoͤchſten Alpen, und in den innerſten Thaͤlern finden moͤchte.
Man hatte noch vor vielen Fenſtern die aͤuſſern, oder doppelten Fenſter vom Winter her, weil von der ploͤtz- lichen Hitze und ploͤtzlichen Kaͤlte oft Winde entſtehen, die alles durchfahren.
Viele Papil. Rhamni frangulae L. flogen in die- ſen heiſſen Thaͤlern vor mir her.
In manchem groſſen Orte iſt nur ein Roͤhrbrun- nen. Man kan oft kein anderes Trinkwaſſer haben, als das, was ausm Rhein geſchoͤpft wird. Sollten Sie das zwiſchen den Bergen und Thaͤlern der Schweiz vermuthen? Das Rheinwaſſer kuͤhlt den Durſt nicht, iſt hier noch ſehr hart, rauh, voll Unreinigkeiten, und ſchwimmt voll feiner duͤnner Moosfaͤden, die gleich beim erſten Anblicke alle Luſt benehmen.
Deſto koͤſtlicher dagegen iſt die Milch mit der Sah- ne, die man aber doch auch nicht zu allen Stunden des Tags, und in allen Haͤuſern haben kan. Wenn man ſaure Milch haben will, ſo muß man dicke Milch ſa- gen, um verſtanden zu werden.
Von der Hitze der Berge ſehen die Eewachſene meiſt ſehr haͤßlich aus, und faſt alle Kinder ſind ſo unnatuͤr- lich roth im Geſicht, als wenn ſie mit Mennig uͤberſtri- chen waͤren.
Im Staͤdtchen Dieſſenhofen, 2. ſtarke Stunden von Schafhauſen, geht eine hoͤlzerne bedeckte Bruͤcke uͤber den Rhein, und uͤber dieſe laͤuft der Weg fort auf der andern Seite. Man muß den Schweizern nach-
ſagen,
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die Nation, wie man ſie etwa auf den hoͤchſten Alpen,
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Man hatte noch vor vielen Fenſtern die aͤuſſern, oder
doppelten Fenſter vom Winter her, weil von der ploͤtz-
lichen Hitze und ploͤtzlichen Kaͤlte oft Winde entſtehen,
die alles durchfahren.
Viele Papil. Rhamni frangulae L. flogen in die-
ſen heiſſen Thaͤlern vor mir her.
In manchem groſſen Orte iſt nur ein Roͤhrbrun-
nen. Man kan oft kein anderes Trinkwaſſer haben,
als das, was ausm Rhein geſchoͤpft wird. Sollten
Sie das zwiſchen den Bergen und Thaͤlern der Schweiz
vermuthen? Das Rheinwaſſer kuͤhlt den Durſt nicht,
iſt hier noch ſehr hart, rauh, voll Unreinigkeiten, und
ſchwimmt voll feiner duͤnner Moosfaͤden, die gleich beim
erſten Anblicke alle Luſt benehmen.
Deſto koͤſtlicher dagegen iſt die Milch mit der Sah-
ne, die man aber doch auch nicht zu allen Stunden des
Tags, und in allen Haͤuſern haben kan. Wenn man
ſaure Milch haben will, ſo muß man dicke Milch ſa-
gen, um verſtanden zu werden.
Von der Hitze der Berge ſehen die Eewachſene meiſt
ſehr haͤßlich aus, und faſt alle Kinder ſind ſo unnatuͤr-
lich roth im Geſicht, als wenn ſie mit Mennig uͤberſtri-
chen waͤren.
Im Staͤdtchen Dieſſenhofen, 2. ſtarke Stunden
von Schafhauſen, geht eine hoͤlzerne bedeckte Bruͤcke
uͤber den Rhein, und uͤber dieſe laͤuft der Weg fort auf
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/324>, abgerufen am 25.11.2024.
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