freilich nicht für eine Residenz halten. Im Schlosse sind die Gemälde der lebenden Familie von einer Malerin in Berlin. Das Billardzimmer theilt die zwei Flü- gel des Schlosses. In der Schloskirche ist nichts Merk- würdiges. Im Eingange des Schlosses ist ein wildes Schwein und ein Hirsch von ungewöhnlicher Grösse ab- gemahlt, dergleichen hier zuweilen vorkommen. Die Unterthanen prozessirten aber noch vor wenigen Jahren, (vielleicht noch) mit der Herrschaft, wegen der Jagd, die sie nun ganz an sich gezogen hat, und wurden darüber von Würtembergischen Exekutionstruppen gezüchtiget. In der Stadtkirche ist vor dem Altare das Begräbnis der Fürstl. Familie. Ein schwerer Aufsatz von Metall, der oben mit Inschriften und Wappen geziert ist, muß alsdann herabgenommen werden. Nicht weit von der Stadt steht ein Nonnenkloster Gnadenthal, und in der Stadt selber sind Franziskaner und Kapuziner. Man sieht wenige Rebberge, ohne Zweifel ist die Gegend schon zu rauh dazu. Schöne, blumichte Wiesen, vortrefliche Viehheerden, starke Melkkühe, viel Milch, Butter, Kä- se, Fische etc. gibts hier. Der Handel der Hechinger mit Wacholderbeeren ist bekannt. Zu einem Jagdhau- se, der Lindig genannt, führt eine stundenlange Allee durch den Wald. Auch liegt nicht weit vom Stamm- schlosse ein andres Sommerhaus.
Aber das Wichtigste für den Reisenden ist freilich die alte Bergfestung Hohenzollern, das Stammhaus des grossen Königs, den Europa bewundert. Es liegt auf einem ungemein hohen, und ziemlich steilen Berge. Man geht durch eine angenehme, natürliche Wildnis hinauf, die dem Ermüdeten Ruheplätze genug zur Erholung an-
bietet.
freilich nicht fuͤr eine Reſidenz halten. Im Schloſſe ſind die Gemaͤlde der lebenden Familie von einer Malerin in Berlin. Das Billardzimmer theilt die zwei Fluͤ- gel des Schloſſes. In der Schloskirche iſt nichts Merk- wuͤrdiges. Im Eingange des Schloſſes iſt ein wildes Schwein und ein Hirſch von ungewoͤhnlicher Groͤſſe ab- gemahlt, dergleichen hier zuweilen vorkommen. Die Unterthanen prozeſſirten aber noch vor wenigen Jahren, (vielleicht noch) mit der Herrſchaft, wegen der Jagd, die ſie nun ganz an ſich gezogen hat, und wurden daruͤber von Wuͤrtembergiſchen Exekutionstruppen gezuͤchtiget. In der Stadtkirche iſt vor dem Altare das Begraͤbnis der Fuͤrſtl. Familie. Ein ſchwerer Aufſatz von Metall, der oben mit Inſchriften und Wappen geziert iſt, muß alsdann herabgenommen werden. Nicht weit von der Stadt ſteht ein Nonnenkloſter Gnadenthal, und in der Stadt ſelber ſind Franziskaner und Kapuziner. Man ſieht wenige Rebberge, ohne Zweifel iſt die Gegend ſchon zu rauh dazu. Schoͤne, blumichte Wieſen, vortrefliche Viehheerden, ſtarke Melkkuͤhe, viel Milch, Butter, Kaͤ- ſe, Fiſche ꝛc. gibts hier. Der Handel der Hechinger mit Wacholderbeeren iſt bekannt. Zu einem Jagdhau- ſe, der Lindig genannt, fuͤhrt eine ſtundenlange Allee durch den Wald. Auch liegt nicht weit vom Stamm- ſchloſſe ein andres Sommerhaus.
Aber das Wichtigſte fuͤr den Reiſenden iſt freilich die alte Bergfeſtung Hohenzollern, das Stammhaus des groſſen Koͤnigs, den Europa bewundert. Es liegt auf einem ungemein hohen, und ziemlich ſteilen Berge. Man geht durch eine angenehme, natuͤrliche Wildnis hinauf, die dem Ermuͤdeten Ruheplaͤtze genug zur Erholung an-
bietet.
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freilich nicht fuͤr eine Reſidenz halten. Im Schloſſe
ſind die Gemaͤlde der lebenden Familie von einer Malerin
in Berlin. Das Billardzimmer theilt die zwei Fluͤ-
gel des Schloſſes. In der Schloskirche iſt nichts Merk-
wuͤrdiges. Im Eingange des Schloſſes iſt ein wildes
Schwein und ein Hirſch von ungewoͤhnlicher Groͤſſe ab-
gemahlt, dergleichen hier zuweilen vorkommen. Die
Unterthanen prozeſſirten aber noch vor wenigen Jahren,
(vielleicht noch) mit der Herrſchaft, wegen der Jagd,
die ſie nun ganz an ſich gezogen hat, und wurden daruͤber
von Wuͤrtembergiſchen Exekutionstruppen gezuͤchtiget.
In der Stadtkirche iſt vor dem Altare das Begraͤbnis
der Fuͤrſtl. Familie. Ein ſchwerer Aufſatz von Metall,
der oben mit Inſchriften und Wappen geziert iſt, muß
alsdann herabgenommen werden. Nicht weit von der
Stadt ſteht ein Nonnenkloſter Gnadenthal, und in der
Stadt ſelber ſind Franziskaner und Kapuziner. Man
ſieht wenige Rebberge, ohne Zweifel iſt die Gegend ſchon
zu rauh dazu. Schoͤne, blumichte Wieſen, vortrefliche
Viehheerden, ſtarke Melkkuͤhe, viel Milch, Butter, Kaͤ-
ſe, Fiſche ꝛc. gibts hier. Der Handel der Hechinger
mit Wacholderbeeren iſt bekannt. Zu einem Jagdhau-
ſe, der Lindig genannt, fuͤhrt eine ſtundenlange Allee
durch den Wald. Auch liegt nicht weit vom Stamm-
ſchloſſe ein andres Sommerhaus.
Aber das Wichtigſte fuͤr den Reiſenden iſt freilich die
alte Bergfeſtung Hohenzollern, das Stammhaus des
groſſen Koͤnigs, den Europa bewundert. Es liegt auf
einem ungemein hohen, und ziemlich ſteilen Berge. Man
geht durch eine angenehme, natuͤrliche Wildnis hinauf,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/291>, abgerufen am 29.11.2024.
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