ral, oder in die Entwickelung der poetischen Schönheiten einzulassen. Lamnazeach las er gerade zu, und über- setzte es Praecentori, doch gefiels ihm nachher, als ich ihm sagte, daß ich Leminzach läse. Beim 8ten und 9ten Vers verglich er die LXX. mit der Vulg. und ver- theidigte beständig die letztere. Er bemerkte, daß die Griechen ydm von drm von pyt hergeleitet hät- ten. Beim 9ten Vers gestand er, daß er gar nicht wis- se, wie sie: Infirmatae sunt lingue eorum hätten herausbringen können. Der 65te Psalm ward noch an- gefangen. Der Aufschrift der LXX. daß ihn Jere- mias, oder Ezechiel gemacht, daß er auf die Gefangen- schaft der Juden eine Beziehung habe etc. sprach er alle Wahrscheinlichkeit ab. Der Vortrag war ganz latei- nisch, monotonisch, todt, unangenehm. Kaum schlug es 12. Uhr, so waren alle Zuhörer schon zur Thüre hinaus, und er und ich waren die Letzten. Weil man mir Aße- line als den geschicktesten Lehrer gerühmt hatte, hatt' ich weiter keine Lust, theologischen Vorlesungen in Paris bei- zuwohnen, und segnete Deutschland und seine Michaelis- se, Semlere, Griesbache etc. Hierauf besuchte ich
La Manufacture des Glaces, in der schönen An- tonius-Vorstadt. Auch das Gebäude sieht viel schöner und besser aus, als die Werkstätte der Gobelins. Man sieht grosse, aber niedere Säle, wo dreierlei Arbeiten vor- genommen werden. Die Arbeiter werden nicht Tagwei- se, sondern Stückweise bezahlt. Die Verquecksilberer haben Appointements, und erhalten sie auch, wenn sie krank sind, denn zum Theil ist die Arbeit hart, zum Theil ungesund. Man sieht Weiber und Männer arbeiten. Die Glasplatten werden aus der Pikardie hieher ge-
bracht;
ral, oder in die Entwickelung der poetiſchen Schoͤnheiten einzulaſſen. Lamnazeach las er gerade zu, und uͤber- ſetzte es Praecentori, doch gefiels ihm nachher, als ich ihm ſagte, daß ich Leminzach laͤſe. Beim 8ten und 9ten Vers verglich er die LXX. mit der Vulg. und ver- theidigte beſtaͤndig die letztere. Er bemerkte, daß die Griechen ידם von דרם von פית hergeleitet haͤt- ten. Beim 9ten Vers geſtand er, daß er gar nicht wiſ- ſe, wie ſie: Infirmatae ſunt lingue eorum haͤtten herausbringen koͤnnen. Der 65te Pſalm ward noch an- gefangen. Der Aufſchrift der LXX. daß ihn Jere- mias, oder Ezechiel gemacht, daß er auf die Gefangen- ſchaft der Juden eine Beziehung habe ꝛc. ſprach er alle Wahrſcheinlichkeit ab. Der Vortrag war ganz latei- niſch, monotoniſch, todt, unangenehm. Kaum ſchlug es 12. Uhr, ſo waren alle Zuhoͤrer ſchon zur Thuͤre hinaus, und er und ich waren die Letzten. Weil man mir Aße- line als den geſchickteſten Lehrer geruͤhmt hatte, hatt’ ich weiter keine Luſt, theologiſchen Vorleſungen in Paris bei- zuwohnen, und ſegnete Deutſchland und ſeine Michaeliſ- ſe, Semlere, Griesbache ꝛc. Hierauf beſuchte ich
La Manufacture des Glaces, in der ſchoͤnen An- tonius-Vorſtadt. Auch das Gebaͤude ſieht viel ſchoͤner und beſſer aus, als die Werkſtaͤtte der Gobelins. Man ſieht groſſe, aber niedere Saͤle, wo dreierlei Arbeiten vor- genommen werden. Die Arbeiter werden nicht Tagwei- ſe, ſondern Stuͤckweiſe bezahlt. Die Verqueckſilberer haben Appointements, und erhalten ſie auch, wenn ſie krank ſind, denn zum Theil iſt die Arbeit hart, zum Theil ungeſund. Man ſieht Weiber und Maͤnner arbeiten. Die Glasplatten werden aus der Pikardie hieher ge-
bracht;
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ral, oder in die Entwickelung der poetiſchen Schoͤnheiten
einzulaſſen. Lamnazeach las er gerade zu, und uͤber-
ſetzte es Praecentori, doch gefiels ihm nachher, als ich
ihm ſagte, daß ich Leminzach laͤſe. Beim 8ten und
9ten Vers verglich er die LXX. mit der Vulg. und ver-
theidigte beſtaͤndig die letztere. Er bemerkte, daß die
Griechen ידם von דרם von פית hergeleitet haͤt-
ten. Beim 9ten Vers geſtand er, daß er gar nicht wiſ-
ſe, wie ſie: Infirmatae ſunt lingue eorum haͤtten
herausbringen koͤnnen. Der 65te Pſalm ward noch an-
gefangen. Der Aufſchrift der LXX. daß ihn Jere-
mias, oder Ezechiel gemacht, daß er auf die Gefangen-
ſchaft der Juden eine Beziehung habe ꝛc. ſprach er alle
Wahrſcheinlichkeit ab. Der Vortrag war ganz latei-
niſch, monotoniſch, todt, unangenehm. Kaum ſchlug
es 12. Uhr, ſo waren alle Zuhoͤrer ſchon zur Thuͤre hinaus,
und er und ich waren die Letzten. Weil man mir Aße-
line als den geſchickteſten Lehrer geruͤhmt hatte, hatt’ ich
weiter keine Luſt, theologiſchen Vorleſungen in Paris bei-
zuwohnen, und ſegnete Deutſchland und ſeine Michaeliſ-
ſe, Semlere, Griesbache ꝛc. Hierauf beſuchte ich
La Manufacture des Glaces, in der ſchoͤnen An-
tonius-Vorſtadt. Auch das Gebaͤude ſieht viel ſchoͤner
und beſſer aus, als die Werkſtaͤtte der Gobelins. Man
ſieht groſſe, aber niedere Saͤle, wo dreierlei Arbeiten vor-
genommen werden. Die Arbeiter werden nicht Tagwei-
ſe, ſondern Stuͤckweiſe bezahlt. Die Verqueckſilberer
haben Appointements, und erhalten ſie auch, wenn ſie
krank ſind, denn zum Theil iſt die Arbeit hart, zum Theil
ungeſund. Man ſieht Weiber und Maͤnner arbeiten.
Die Glasplatten werden aus der Pikardie hieher ge-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/259>, abgerufen am 22.11.2024.
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