Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite
Die von Zugtieren bewegten Fahrzeuge.

Die ältesten Räder waren Scheibenräder; bei diesen bestand der
ganze Radkörper aus einem einzigen Stück. Diese primitivste Art der
Räder finden wir noch heute in Gegenden geringer Kultur. Merk-
würdiger Weise aber haben diese alten Scheibenräder bei den Eisen-
bahnwagenrädern in zahlreichen Exemplaren wiederum Anwendung
gefunden, da die Herstellung derselben eine sehr bequeme und leichte
ist. Alsbald trat an die Stelle des unschönen Scheibenrades das
graziösere Speichenrad. Weder der Erfinder des einen noch des andern
ist uns bekannt.

Die ältesten auf Rädern ruhenden Wagen hatten nur eine Achse
und zwei Räder. Die Figuren 401 und 402 stellen einen römischen Renn-
wagen dar; das Original desselben befindet sich im vatikanischen Museum.

[Abbildung] Fig. 401.

Römischer Rennwagen.

[Abbildung] Fig. 402.

Römischer Rennwagen.

Der eigentliche Wagenkasten ist aus Holz angefertigt und mit Bronze
bekleidet; die Deichsel ist mit der Achse fest verbunden. Vor diese
zweiachsigen Wagen spannte man zwei, drei, auch vier Pferde, und
zwar sämtlich nebeneinander in einer Reihe; man unterschied demnach
Zweispänner (bigae), Dreispänner (trigae), und Vierspänner (quadrigae).
Im allgemeinen galt in der älteren Zeit der Griechen und Römer
die Benutzung von Wagen als ein Zeichen besonderer Ehrung oder
aber der Verweichlichung. So durften in Rom innerhalb der Haupt-
stadt nur Triumphatoren, Vestalinnen, Priester und Senatoren Personen-
wagen benutzen; auch war, wohl mit Rücksicht auf den starken Verkehr
innerhalb der engen Straßen, der Transport von Lasten auf ganz
bestimmte Stunden beschränkt. Mit dem wachsenden Luxus nahm auch
die Benutzung der Wagen für den Personentransport zu. Hierzu diente
die oft auf das prunkvollste ausgestattete vierrädrige carruca (Karosse).
Von Nero wird erzählt, daß er auf seinen Reisen fünfhundert solcher
Wagen mit sich geführt habe. Der erste mit Schlafvorrichtung ver-
sehene Wagen, also der älteste Vorläufer unserer modernen waggons
lits
, wird dem Verres zugeschrieben.

Die von Zugtieren bewegten Fahrzeuge.

Die älteſten Räder waren Scheibenräder; bei dieſen beſtand der
ganze Radkörper aus einem einzigen Stück. Dieſe primitivſte Art der
Räder finden wir noch heute in Gegenden geringer Kultur. Merk-
würdiger Weiſe aber haben dieſe alten Scheibenräder bei den Eiſen-
bahnwagenrädern in zahlreichen Exemplaren wiederum Anwendung
gefunden, da die Herſtellung derſelben eine ſehr bequeme und leichte
iſt. Alsbald trat an die Stelle des unſchönen Scheibenrades das
graziöſere Speichenrad. Weder der Erfinder des einen noch des andern
iſt uns bekannt.

Die älteſten auf Rädern ruhenden Wagen hatten nur eine Achſe
und zwei Räder. Die Figuren 401 und 402 ſtellen einen römiſchen Renn-
wagen dar; das Original desſelben befindet ſich im vatikaniſchen Muſeum.

[Abbildung] Fig. 401.

Römiſcher Rennwagen.

[Abbildung] Fig. 402.

Römiſcher Rennwagen.

Der eigentliche Wagenkaſten iſt aus Holz angefertigt und mit Bronze
bekleidet; die Deichſel iſt mit der Achſe feſt verbunden. Vor dieſe
zweiachſigen Wagen ſpannte man zwei, drei, auch vier Pferde, und
zwar ſämtlich nebeneinander in einer Reihe; man unterſchied demnach
Zweiſpänner (bigae), Dreiſpänner (trigae), und Vierſpänner (quadrigae).
Im allgemeinen galt in der älteren Zeit der Griechen und Römer
die Benutzung von Wagen als ein Zeichen beſonderer Ehrung oder
aber der Verweichlichung. So durften in Rom innerhalb der Haupt-
ſtadt nur Triumphatoren, Veſtalinnen, Prieſter und Senatoren Perſonen-
wagen benutzen; auch war, wohl mit Rückſicht auf den ſtarken Verkehr
innerhalb der engen Straßen, der Transport von Laſten auf ganz
beſtimmte Stunden beſchränkt. Mit dem wachſenden Luxus nahm auch
die Benutzung der Wagen für den Perſonentransport zu. Hierzu diente
die oft auf das prunkvollſte ausgeſtattete vierrädrige carruca (Karoſſe).
Von Nero wird erzählt, daß er auf ſeinen Reiſen fünfhundert ſolcher
Wagen mit ſich geführt habe. Der erſte mit Schlafvorrichtung ver-
ſehene Wagen, alſo der älteſte Vorläufer unſerer modernen waggons
lits
, wird dem Verres zugeſchrieben.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0743" n="725"/>
              <fw place="top" type="header">Die von Zugtieren bewegten Fahrzeuge.</fw><lb/>
              <p>Die älte&#x017F;ten Räder waren Scheibenräder; bei die&#x017F;en be&#x017F;tand der<lb/>
ganze Radkörper aus einem einzigen Stück. Die&#x017F;e primitiv&#x017F;te Art der<lb/>
Räder finden wir noch heute in Gegenden geringer Kultur. Merk-<lb/>
würdiger Wei&#x017F;e aber haben die&#x017F;e alten Scheibenräder bei den Ei&#x017F;en-<lb/>
bahnwagenrädern in zahlreichen Exemplaren wiederum Anwendung<lb/>
gefunden, da die Her&#x017F;tellung der&#x017F;elben eine &#x017F;ehr bequeme und leichte<lb/>
i&#x017F;t. Alsbald trat an die Stelle des un&#x017F;chönen Scheibenrades das<lb/>
graziö&#x017F;ere Speichenrad. Weder der Erfinder des einen noch des andern<lb/>
i&#x017F;t uns bekannt.</p><lb/>
              <p>Die älte&#x017F;ten auf Rädern ruhenden Wagen hatten nur eine Ach&#x017F;e<lb/>
und zwei Räder. Die Figuren 401 und 402 &#x017F;tellen einen römi&#x017F;chen Renn-<lb/>
wagen dar; das Original des&#x017F;elben befindet &#x017F;ich im vatikani&#x017F;chen Mu&#x017F;eum.<lb/><figure><head>Fig. 401.</head><lb/><p>Römi&#x017F;cher Rennwagen.</p></figure><lb/><figure><head>Fig. 402.</head><lb/><p>Römi&#x017F;cher Rennwagen.</p></figure><lb/>
Der eigentliche Wagenka&#x017F;ten i&#x017F;t aus Holz angefertigt und mit Bronze<lb/>
bekleidet; die Deich&#x017F;el i&#x017F;t mit der Ach&#x017F;e fe&#x017F;t verbunden. Vor die&#x017F;e<lb/>
zweiach&#x017F;igen Wagen &#x017F;pannte man zwei, drei, auch vier Pferde, und<lb/>
zwar &#x017F;ämtlich nebeneinander in einer Reihe; man unter&#x017F;chied demnach<lb/>
Zwei&#x017F;pänner (<hi rendition="#aq">bigae</hi>), Drei&#x017F;pänner (<hi rendition="#aq">trigae</hi>), und Vier&#x017F;pänner (<hi rendition="#aq">quadrigae</hi>).<lb/>
Im allgemeinen galt in der älteren Zeit der Griechen und Römer<lb/>
die Benutzung von Wagen als ein Zeichen be&#x017F;onderer Ehrung oder<lb/>
aber der Verweichlichung. So durften in Rom innerhalb der Haupt-<lb/>
&#x017F;tadt nur Triumphatoren, Ve&#x017F;talinnen, Prie&#x017F;ter und Senatoren Per&#x017F;onen-<lb/>
wagen benutzen; auch war, wohl mit Rück&#x017F;icht auf den &#x017F;tarken Verkehr<lb/>
innerhalb der engen Straßen, der Transport von La&#x017F;ten auf ganz<lb/>
be&#x017F;timmte Stunden be&#x017F;chränkt. Mit dem wach&#x017F;enden Luxus nahm auch<lb/>
die Benutzung der Wagen für den Per&#x017F;onentransport zu. Hierzu diente<lb/>
die oft auf das prunkvoll&#x017F;te ausge&#x017F;tattete vierrädrige <hi rendition="#aq">carruca</hi> (Karo&#x017F;&#x017F;e).<lb/>
Von Nero wird erzählt, daß er auf &#x017F;einen Rei&#x017F;en fünfhundert &#x017F;olcher<lb/>
Wagen mit &#x017F;ich geführt habe. Der er&#x017F;te mit Schlafvorrichtung ver-<lb/>
&#x017F;ehene Wagen, al&#x017F;o der älte&#x017F;te Vorläufer un&#x017F;erer modernen <hi rendition="#aq">waggons<lb/>
lits</hi>, wird dem Verres zuge&#x017F;chrieben.</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[725/0743] Die von Zugtieren bewegten Fahrzeuge. Die älteſten Räder waren Scheibenräder; bei dieſen beſtand der ganze Radkörper aus einem einzigen Stück. Dieſe primitivſte Art der Räder finden wir noch heute in Gegenden geringer Kultur. Merk- würdiger Weiſe aber haben dieſe alten Scheibenräder bei den Eiſen- bahnwagenrädern in zahlreichen Exemplaren wiederum Anwendung gefunden, da die Herſtellung derſelben eine ſehr bequeme und leichte iſt. Alsbald trat an die Stelle des unſchönen Scheibenrades das graziöſere Speichenrad. Weder der Erfinder des einen noch des andern iſt uns bekannt. Die älteſten auf Rädern ruhenden Wagen hatten nur eine Achſe und zwei Räder. Die Figuren 401 und 402 ſtellen einen römiſchen Renn- wagen dar; das Original desſelben befindet ſich im vatikaniſchen Muſeum. [Abbildung Fig. 401. Römiſcher Rennwagen.] [Abbildung Fig. 402. Römiſcher Rennwagen.] Der eigentliche Wagenkaſten iſt aus Holz angefertigt und mit Bronze bekleidet; die Deichſel iſt mit der Achſe feſt verbunden. Vor dieſe zweiachſigen Wagen ſpannte man zwei, drei, auch vier Pferde, und zwar ſämtlich nebeneinander in einer Reihe; man unterſchied demnach Zweiſpänner (bigae), Dreiſpänner (trigae), und Vierſpänner (quadrigae). Im allgemeinen galt in der älteren Zeit der Griechen und Römer die Benutzung von Wagen als ein Zeichen beſonderer Ehrung oder aber der Verweichlichung. So durften in Rom innerhalb der Haupt- ſtadt nur Triumphatoren, Veſtalinnen, Prieſter und Senatoren Perſonen- wagen benutzen; auch war, wohl mit Rückſicht auf den ſtarken Verkehr innerhalb der engen Straßen, der Transport von Laſten auf ganz beſtimmte Stunden beſchränkt. Mit dem wachſenden Luxus nahm auch die Benutzung der Wagen für den Perſonentransport zu. Hierzu diente die oft auf das prunkvollſte ausgeſtattete vierrädrige carruca (Karoſſe). Von Nero wird erzählt, daß er auf ſeinen Reiſen fünfhundert ſolcher Wagen mit ſich geführt habe. Der erſte mit Schlafvorrichtung ver- ſehene Wagen, alſo der älteſte Vorläufer unſerer modernen waggons lits, wird dem Verres zugeſchrieben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/743
Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 725. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/743>, abgerufen am 16.06.2024.