geschweige denn von einem Fortschritte des Verkehrswesens nichts zu spüren. Man begnügte sich meist mit dem von den Vorfahren Ererbten und beschränkte sich im übrigen auf das Allernotwendigste, ja es galt zu Zeiten das Reiten als die einzig zulässige und würdige Art des Reisens, so daß ein Bedürfnis nach guten und systematisch angelegten Wegen für weite Kreise der Bevölkerung überhaupt nicht vorlag. Hervorzuheben sind nur die Leistungen Karls des Großen im Abendlande und der Kalifen im Orient. Die von Karl dem Großen erbauten Straßen zeichneten sich dadurch aus, daß ihre Fahrbahn in der Weise hergestellt wurde, daß Steine nebeneinander in Kalk ein- gesetzt wurden, die nach dem Erhärten dieses Bindemittels im Verein mit letzterem ein festes Ganze bildeten. Diese Straßen erhielten nach der eigenartigen und weitgehenden Verwendung des Kalkes den Namen: "calciata", französisch "caucie", woraus sich dann allmählich die Be- zeichnung "Chaussee" entwickelte.
Sieht man von Nebenstraßen lediglich lokaler Bedeutung ab, so bildete nach den Kreuzzügen Nürnberg den Mittelpunkt des gesamten deutschen Straßennetzes. Die einzelnen Straßenzüge konnten sich jedoch hinsichtlich der Güte der Bauausführung nicht mit den alten festen Römerstraßen messen, und laute Klagen über die schlechte Beschaffenheit der Wege bildeten das ständige Thema der Tagebücher der wenigen Reisenden. Eine durchgreifende Verbesserung der Verkehrswege bahnte sich in Deutschland erst im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts an. Man rühmte zunächst die gute Beschaffenheit der Fahrstraßen Württem- bergs. Die erste nach allen Regeln der Kunst erbaute Straße wurde im Jahre 1753 zwischen den schwäbischen Städten Öttingen und Nörd- lingen dem Verkehr übergeben.
In Frankreich hatte sich ein Wandel zum Bessern bereits im siebzehnten Jahrhundert vollzogen; dort verwendete man unter Hein- rich IV im Jahre 1603 schon 3 Millionen Francs, d. i. mehr als den zwölften Teil der gesamten Staatseinnahmen, auf den Bau von Straßen. Colbert ging später, da ihm das Wegebau-Budget auf 400000 Francs vermindert wurde, dazu über, die Gemeinden zu den Kosten des Wegebaues heranzuziehen.
Weniger gut standen die Verhältnisse in England; auch hier voll- zog sich ein endgültiger Umschwung erst gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts. Bemerkenswert ist jedoch, daß dort zuerst die für die Regelung eines intensiven Verkehres so sehr wichtige Regel des Rechts- fahrens und des Ausweichens nach der rechten Seite hin eingeführt wurde; auch legte man zuerst in England mit Recht einen besonderen Wert auf eine angemessene Festsetzung des auf den Wagen zu trans- portierenden Gewichtes.
In der Gegenwart geht man bei dem Bau eines Landweges, das ist derjenigen Art von Kunststraßen, welche man allgemein als Chaussee bezeichnet, in folgender Weise vor. Zunächst wird die von
Das Buch der Erfindungen. 46
Der Bau von Straßen und Wegen.
geſchweige denn von einem Fortſchritte des Verkehrsweſens nichts zu ſpüren. Man begnügte ſich meiſt mit dem von den Vorfahren Ererbten und beſchränkte ſich im übrigen auf das Allernotwendigſte, ja es galt zu Zeiten das Reiten als die einzig zuläſſige und würdige Art des Reiſens, ſo daß ein Bedürfnis nach guten und ſyſtematiſch angelegten Wegen für weite Kreiſe der Bevölkerung überhaupt nicht vorlag. Hervorzuheben ſind nur die Leiſtungen Karls des Großen im Abendlande und der Kalifen im Orient. Die von Karl dem Großen erbauten Straßen zeichneten ſich dadurch aus, daß ihre Fahrbahn in der Weiſe hergeſtellt wurde, daß Steine nebeneinander in Kalk ein- geſetzt wurden, die nach dem Erhärten dieſes Bindemittels im Verein mit letzterem ein feſtes Ganze bildeten. Dieſe Straßen erhielten nach der eigenartigen und weitgehenden Verwendung des Kalkes den Namen: „calciata“, franzöſiſch „caucié“, woraus ſich dann allmählich die Be- zeichnung „Chauſſee“ entwickelte.
Sieht man von Nebenſtraßen lediglich lokaler Bedeutung ab, ſo bildete nach den Kreuzzügen Nürnberg den Mittelpunkt des geſamten deutſchen Straßennetzes. Die einzelnen Straßenzüge konnten ſich jedoch hinſichtlich der Güte der Bauausführung nicht mit den alten feſten Römerſtraßen meſſen, und laute Klagen über die ſchlechte Beſchaffenheit der Wege bildeten das ſtändige Thema der Tagebücher der wenigen Reiſenden. Eine durchgreifende Verbeſſerung der Verkehrswege bahnte ſich in Deutſchland erſt im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts an. Man rühmte zunächſt die gute Beſchaffenheit der Fahrſtraßen Württem- bergs. Die erſte nach allen Regeln der Kunſt erbaute Straße wurde im Jahre 1753 zwiſchen den ſchwäbiſchen Städten Öttingen und Nörd- lingen dem Verkehr übergeben.
In Frankreich hatte ſich ein Wandel zum Beſſern bereits im ſiebzehnten Jahrhundert vollzogen; dort verwendete man unter Hein- rich IV im Jahre 1603 ſchon 3 Millionen Francs, d. i. mehr als den zwölften Teil der geſamten Staatseinnahmen, auf den Bau von Straßen. Colbert ging ſpäter, da ihm das Wegebau-Budget auf 400000 Francs vermindert wurde, dazu über, die Gemeinden zu den Koſten des Wegebaues heranzuziehen.
Weniger gut ſtanden die Verhältniſſe in England; auch hier voll- zog ſich ein endgültiger Umſchwung erſt gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts. Bemerkenswert iſt jedoch, daß dort zuerſt die für die Regelung eines intenſiven Verkehres ſo ſehr wichtige Regel des Rechts- fahrens und des Ausweichens nach der rechten Seite hin eingeführt wurde; auch legte man zuerſt in England mit Recht einen beſonderen Wert auf eine angemeſſene Feſtſetzung des auf den Wagen zu trans- portierenden Gewichtes.
In der Gegenwart geht man bei dem Bau eines Landweges, das iſt derjenigen Art von Kunſtſtraßen, welche man allgemein als Chauſſee bezeichnet, in folgender Weiſe vor. Zunächſt wird die von
Das Buch der Erfindungen. 46
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Der Bau von Straßen und Wegen.
geſchweige denn von einem Fortſchritte des Verkehrsweſens nichts zu
ſpüren. Man begnügte ſich meiſt mit dem von den Vorfahren Ererbten
und beſchränkte ſich im übrigen auf das Allernotwendigſte, ja es
galt zu Zeiten das Reiten als die einzig zuläſſige und würdige
Art des Reiſens, ſo daß ein Bedürfnis nach guten und ſyſtematiſch
angelegten Wegen für weite Kreiſe der Bevölkerung überhaupt nicht
vorlag. Hervorzuheben ſind nur die Leiſtungen Karls des Großen
im Abendlande und der Kalifen im Orient. Die von Karl dem Großen
erbauten Straßen zeichneten ſich dadurch aus, daß ihre Fahrbahn in
der Weiſe hergeſtellt wurde, daß Steine nebeneinander in Kalk ein-
geſetzt wurden, die nach dem Erhärten dieſes Bindemittels im Verein
mit letzterem ein feſtes Ganze bildeten. Dieſe Straßen erhielten nach
der eigenartigen und weitgehenden Verwendung des Kalkes den Namen:
„calciata“, franzöſiſch „caucié“, woraus ſich dann allmählich die Be-
zeichnung „Chauſſee“ entwickelte.
Sieht man von Nebenſtraßen lediglich lokaler Bedeutung ab, ſo
bildete nach den Kreuzzügen Nürnberg den Mittelpunkt des geſamten
deutſchen Straßennetzes. Die einzelnen Straßenzüge konnten ſich jedoch
hinſichtlich der Güte der Bauausführung nicht mit den alten feſten
Römerſtraßen meſſen, und laute Klagen über die ſchlechte Beſchaffenheit
der Wege bildeten das ſtändige Thema der Tagebücher der wenigen
Reiſenden. Eine durchgreifende Verbeſſerung der Verkehrswege bahnte
ſich in Deutſchland erſt im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts an.
Man rühmte zunächſt die gute Beſchaffenheit der Fahrſtraßen Württem-
bergs. Die erſte nach allen Regeln der Kunſt erbaute Straße wurde
im Jahre 1753 zwiſchen den ſchwäbiſchen Städten Öttingen und Nörd-
lingen dem Verkehr übergeben.
In Frankreich hatte ſich ein Wandel zum Beſſern bereits im
ſiebzehnten Jahrhundert vollzogen; dort verwendete man unter Hein-
rich IV im Jahre 1603 ſchon 3 Millionen Francs, d. i. mehr als den
zwölften Teil der geſamten Staatseinnahmen, auf den Bau von Straßen.
Colbert ging ſpäter, da ihm das Wegebau-Budget auf 400000 Francs
vermindert wurde, dazu über, die Gemeinden zu den Koſten des
Wegebaues heranzuziehen.
Weniger gut ſtanden die Verhältniſſe in England; auch hier voll-
zog ſich ein endgültiger Umſchwung erſt gegen Ende des achtzehnten
Jahrhunderts. Bemerkenswert iſt jedoch, daß dort zuerſt die für die
Regelung eines intenſiven Verkehres ſo ſehr wichtige Regel des Rechts-
fahrens und des Ausweichens nach der rechten Seite hin eingeführt
wurde; auch legte man zuerſt in England mit Recht einen beſonderen
Wert auf eine angemeſſene Feſtſetzung des auf den Wagen zu trans-
portierenden Gewichtes.
In der Gegenwart geht man bei dem Bau eines Landweges,
das iſt derjenigen Art von Kunſtſtraßen, welche man allgemein als
Chauſſee bezeichnet, in folgender Weiſe vor. Zunächſt wird die von
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 721. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/739>, abgerufen am 23.11.2024.
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