die auch beim Bleiguß vielfache Verwendung finden. Über einem Gipsmodell wird aus mehreren Stücken eine Form aus gebranntem Gips und Wasser hergestellt, innen gefirnißt und mit heißer Leimauf- lösung, der man auch wohl etwas Sirup zusetzt, vollgegossen. Nach dem Erkalten nimmt der Leim die Konsistenz einer zähflüssigen Gallerte an und läßt sich dann das Leimmodell leicht herausziehen. Über dieses Modell werden Formen aus einer Zusammensetzung von Ziegelmehl, feinem Formsand, Gips und Wasser gegossen, die aber -- und hierin liegt der Hauptvorteil -- wegen des elastischen Modelles nur aus sehr wenigen Teilen zu bestehen brauchen.
Eine ganz hervorragende Bedeutung hat der Bleiguß, der einzige, bei dem auch ohne Form Güsse zustande kommen. Teils rein, teils mit anderen Metallen gemischt, hat Blei eine ungeheure Verbreitung gefunden. Bleiröhren, Bleipapier, Gewehrkugeln in allen Größen bis zum feinsten Schrot, Orgelpfeifen, Schriftlettern mögen als Beweis für diese Behauptung gelten. Bleiplatten werden seit 1827 nach dem Vorgehen von Voisin auf einer Sandsteinplatte gegossen, Platten aus Orgelmetall, einer Legierung von Blei mit Zinn auf einem mit Leine- wand überzogenen aus mehreren Bohlen zusammengesetzten Holzbrett. Kugeln werden seit 1840 meist nach Rapier durch Maschinen aus kaltem Blei durch Pressen hergestellt. Eine ganz eigne Methode wird beim Schrotguß angewendet. Wenn man aus einem Blechlöffel Blei in Wasser gießt, und wer hätte dies nicht schon einmal am Sylvester- abend gethan, so wird man bemerken, daß kleinere Bleitropfen zu Gebilden erstarren, die einem Getreidekorn ähnlich sehen. Läßt man aber den Bleitropfen aus größerer Höhe herabfallen, so rundet er sich und gewinnt mehr die Kugelform. Beim Herstellen des Schrotes verfährt man ähnlich. Man gießt flüssiges Blei in ein rundes oder viereckiges Sieb von Eisenblech, mit runden scharfrandigen Löchern, die um das dreifache ihres übrigens bei allen gleichen Durchmessers von einander abstehen. Nach der Größe der Löcher richtet sich die Feinkörnigkeit des Schrotes. Vor dem Gießen wird die Form mit Lehmwasser gestrichen und wieder getrocknet, damit das Blei nicht anbacke. Dann bedeckt man erst den Boden derselben mit Bleikrätze, wie sie als Schaum beim Schmelzen auf der Oberfläche des Bleies entsteht. Würde man das Blei ohne weiteres in die Form gießen, so würde es in einem kontinuierlichen Strome herauslaufen, durch dieses lockere Material aber kann es nur in Tropfen durchsickern. Die Form steht auf der Höhe eines Turmes, des Schrotturmes, so daß die Tropfen eine Höhe von 30 bis 40 Metern durchfallen müssen, ehe sie in ein untenstehendes Wassergefäß hineinfallen. Dadurch ist ihnen Zeit ge- lassen, sich in der Luft zu einer Kugel zu runden und abzukühlen. Dieses Patentschrot ist eine englische Erfindung von William Wetts in Bristol 1782 und giebt sehr regelmäßige Körner. Noch besser und fast ausschußfrei soll das Schrot werden, wenn das Wasser mit einer
Das Gießen.
die auch beim Bleiguß vielfache Verwendung finden. Über einem Gipsmodell wird aus mehreren Stücken eine Form aus gebranntem Gips und Waſſer hergeſtellt, innen gefirnißt und mit heißer Leimauf- löſung, der man auch wohl etwas Sirup zuſetzt, vollgegoſſen. Nach dem Erkalten nimmt der Leim die Konſiſtenz einer zähflüſſigen Gallerte an und läßt ſich dann das Leimmodell leicht herausziehen. Über dieſes Modell werden Formen aus einer Zuſammenſetzung von Ziegelmehl, feinem Formſand, Gips und Waſſer gegoſſen, die aber — und hierin liegt der Hauptvorteil — wegen des elaſtiſchen Modelles nur aus ſehr wenigen Teilen zu beſtehen brauchen.
Eine ganz hervorragende Bedeutung hat der Bleiguß, der einzige, bei dem auch ohne Form Güſſe zuſtande kommen. Teils rein, teils mit anderen Metallen gemiſcht, hat Blei eine ungeheure Verbreitung gefunden. Bleiröhren, Bleipapier, Gewehrkugeln in allen Größen bis zum feinſten Schrot, Orgelpfeifen, Schriftlettern mögen als Beweis für dieſe Behauptung gelten. Bleiplatten werden ſeit 1827 nach dem Vorgehen von Voiſin auf einer Sandſteinplatte gegoſſen, Platten aus Orgelmetall, einer Legierung von Blei mit Zinn auf einem mit Leine- wand überzogenen aus mehreren Bohlen zuſammengeſetzten Holzbrett. Kugeln werden ſeit 1840 meiſt nach Rapier durch Maſchinen aus kaltem Blei durch Preſſen hergeſtellt. Eine ganz eigne Methode wird beim Schrotguß angewendet. Wenn man aus einem Blechlöffel Blei in Waſſer gießt, und wer hätte dies nicht ſchon einmal am Sylveſter- abend gethan, ſo wird man bemerken, daß kleinere Bleitropfen zu Gebilden erſtarren, die einem Getreidekorn ähnlich ſehen. Läßt man aber den Bleitropfen aus größerer Höhe herabfallen, ſo rundet er ſich und gewinnt mehr die Kugelform. Beim Herſtellen des Schrotes verfährt man ähnlich. Man gießt flüſſiges Blei in ein rundes oder viereckiges Sieb von Eiſenblech, mit runden ſcharfrandigen Löchern, die um das dreifache ihres übrigens bei allen gleichen Durchmeſſers von einander abſtehen. Nach der Größe der Löcher richtet ſich die Feinkörnigkeit des Schrotes. Vor dem Gießen wird die Form mit Lehmwaſſer geſtrichen und wieder getrocknet, damit das Blei nicht anbacke. Dann bedeckt man erſt den Boden derſelben mit Bleikrätze, wie ſie als Schaum beim Schmelzen auf der Oberfläche des Bleies entſteht. Würde man das Blei ohne weiteres in die Form gießen, ſo würde es in einem kontinuierlichen Strome herauslaufen, durch dieſes lockere Material aber kann es nur in Tropfen durchſickern. Die Form ſteht auf der Höhe eines Turmes, des Schrotturmes, ſo daß die Tropfen eine Höhe von 30 bis 40 Metern durchfallen müſſen, ehe ſie in ein untenſtehendes Waſſergefäß hineinfallen. Dadurch iſt ihnen Zeit ge- laſſen, ſich in der Luft zu einer Kugel zu runden und abzukühlen. Dieſes Patentſchrot iſt eine engliſche Erfindung von William Wetts in Briſtol 1782 und giebt ſehr regelmäßige Körner. Noch beſſer und faſt ausſchußfrei ſoll das Schrot werden, wenn das Waſſer mit einer
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Das Gießen.
die auch beim Bleiguß vielfache Verwendung finden. Über einem
Gipsmodell wird aus mehreren Stücken eine Form aus gebranntem
Gips und Waſſer hergeſtellt, innen gefirnißt und mit heißer Leimauf-
löſung, der man auch wohl etwas Sirup zuſetzt, vollgegoſſen. Nach
dem Erkalten nimmt der Leim die Konſiſtenz einer zähflüſſigen Gallerte
an und läßt ſich dann das Leimmodell leicht herausziehen. Über dieſes
Modell werden Formen aus einer Zuſammenſetzung von Ziegelmehl,
feinem Formſand, Gips und Waſſer gegoſſen, die aber — und hierin liegt
der Hauptvorteil — wegen des elaſtiſchen Modelles nur aus ſehr wenigen
Teilen zu beſtehen brauchen.
Eine ganz hervorragende Bedeutung hat der Bleiguß, der einzige,
bei dem auch ohne Form Güſſe zuſtande kommen. Teils rein, teils
mit anderen Metallen gemiſcht, hat Blei eine ungeheure Verbreitung
gefunden. Bleiröhren, Bleipapier, Gewehrkugeln in allen Größen bis
zum feinſten Schrot, Orgelpfeifen, Schriftlettern mögen als Beweis für
dieſe Behauptung gelten. Bleiplatten werden ſeit 1827 nach dem
Vorgehen von Voiſin auf einer Sandſteinplatte gegoſſen, Platten aus
Orgelmetall, einer Legierung von Blei mit Zinn auf einem mit Leine-
wand überzogenen aus mehreren Bohlen zuſammengeſetzten Holzbrett.
Kugeln werden ſeit 1840 meiſt nach Rapier durch Maſchinen aus
kaltem Blei durch Preſſen hergeſtellt. Eine ganz eigne Methode wird
beim Schrotguß angewendet. Wenn man aus einem Blechlöffel Blei
in Waſſer gießt, und wer hätte dies nicht ſchon einmal am Sylveſter-
abend gethan, ſo wird man bemerken, daß kleinere Bleitropfen zu
Gebilden erſtarren, die einem Getreidekorn ähnlich ſehen. Läßt man
aber den Bleitropfen aus größerer Höhe herabfallen, ſo rundet er ſich
und gewinnt mehr die Kugelform. Beim Herſtellen des Schrotes
verfährt man ähnlich. Man gießt flüſſiges Blei in ein rundes oder
viereckiges Sieb von Eiſenblech, mit runden ſcharfrandigen Löchern,
die um das dreifache ihres übrigens bei allen gleichen Durchmeſſers
von einander abſtehen. Nach der Größe der Löcher richtet ſich die
Feinkörnigkeit des Schrotes. Vor dem Gießen wird die Form mit
Lehmwaſſer geſtrichen und wieder getrocknet, damit das Blei nicht
anbacke. Dann bedeckt man erſt den Boden derſelben mit Bleikrätze,
wie ſie als Schaum beim Schmelzen auf der Oberfläche des Bleies
entſteht. Würde man das Blei ohne weiteres in die Form gießen, ſo
würde es in einem kontinuierlichen Strome herauslaufen, durch dieſes
lockere Material aber kann es nur in Tropfen durchſickern. Die Form
ſteht auf der Höhe eines Turmes, des Schrotturmes, ſo daß die Tropfen
eine Höhe von 30 bis 40 Metern durchfallen müſſen, ehe ſie in ein
untenſtehendes Waſſergefäß hineinfallen. Dadurch iſt ihnen Zeit ge-
laſſen, ſich in der Luft zu einer Kugel zu runden und abzukühlen.
Dieſes Patentſchrot iſt eine engliſche Erfindung von William Wetts in
Briſtol 1782 und giebt ſehr regelmäßige Körner. Noch beſſer und
faſt ausſchußfrei ſoll das Schrot werden, wenn das Waſſer mit einer
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 639. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/657>, abgerufen am 22.11.2024.
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