Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

entsagen: so bleiben doch noch andere euch
übrig, die ihr geniessen könnt, und deren
Genuss ihr desto eifriger suchen müsst, je
mehr andere ihr verscherzet habt. Könnt
ihr nicht Freuden der Besserung geniessen?
Warlich innige herzliche Freuden! So wie
der Kranke, wenn er das langwierige Lager
das erstemal verlaesst, und, mit wankenden
Knieen, auf seine Krücke gestützt, auf grü-
nem Rasen sich sonnet, die milde Waerme
der Sonne, die Daufte der Blumen, und alle
Naturschönheiten, weit inniglicher geniesst,
als sein Bruder, der sie immer genoss: so
fühlt auch der oft weit staerker, der Tugend
süssen Frieden, der kraftlos aus des Lasters
Dunkel ihrem Lichte sich naehert, als ein
anderer, der schon daran gewohnt ist. Bleibt
euch nicht übrig die Freude der Amtstreue?
die kleinen oder grossen Arbeiten, die das
Amt von euch fordert, zu dem euch Gott
bestimmt hat, werden euch freylich mehr
Mühe und Anstrengung kosten, als wenn
ihr eure Kraefte noch ganz haettet; richtet sie

aber
(X 5)

entſagen: ſo bleiben doch noch andere euch
übrig, die ihr genieſsen könnt, und deren
Genuſs ihr deſto eifriger ſuchen müſst, je
mehr andere ihr verſcherzet habt. Könnt
ihr nicht Freuden der Beſſerung genieſsen?
Warlich innige herzliche Freuden! So wie
der Kranke, wenn er das langwierige Lager
das erſtemal verlæſst, und, mit wankenden
Knieen, auf ſeine Krücke geſtützt, auf grü-
nem Raſen ſich ſonnet, die milde Wærme
der Sonne, die Dûfte der Blumen, und alle
Naturſchönheiten, weit inniglicher genieſst,
als ſein Bruder, der ſie immer genoſs: ſo
fühlt auch der oft weit ſtærker, der Tugend
ſüſſen Frieden, der kraftlos aus des Laſters
Dunkel ihrem Lichte ſich næhert, als ein
anderer, der ſchon daran gewohnt iſt. Bleibt
euch nicht übrig die Freude der Amtstreue?
die kleinen oder groſsen Arbeiten, die das
Amt von euch fordert, zu dem euch Gott
beſtimmt hat, werden euch freylich mehr
Mühe und Anſtrengung koſten, als wenn
ihr eure Kræfte noch ganz hættet; richtet ſie

aber
(X 5)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0339" n="329"/>
ent&#x017F;agen: &#x017F;o bleiben doch noch andere euch<lb/>
übrig, die ihr genie&#x017F;sen könnt, und deren<lb/>
Genu&#x017F;s ihr de&#x017F;to eifriger &#x017F;uchen mü&#x017F;st, je<lb/>
mehr andere ihr ver&#x017F;cherzet habt. Könnt<lb/>
ihr nicht Freuden der Be&#x017F;&#x017F;erung genie&#x017F;sen?<lb/>
Warlich innige herzliche Freuden! So wie<lb/>
der Kranke, wenn er das langwierige Lager<lb/>
das er&#x017F;temal verlæ&#x017F;st, und, mit wankenden<lb/>
Knieen, auf &#x017F;eine Krücke ge&#x017F;tützt, auf grü-<lb/>
nem Ra&#x017F;en &#x017F;ich &#x017F;onnet, die milde Wærme<lb/>
der Sonne, die Dûfte der Blumen, und alle<lb/>
Natur&#x017F;chönheiten, weit inniglicher genie&#x017F;st,<lb/>
als &#x017F;ein Bruder, der &#x017F;ie immer geno&#x017F;s: &#x017F;o<lb/>
fühlt auch der oft weit &#x017F;tærker, der Tugend<lb/>
&#x017F;ü&#x017F;&#x017F;en Frieden, der kraftlos aus des La&#x017F;ters<lb/>
Dunkel ihrem Lichte &#x017F;ich næhert, als ein<lb/>
anderer, der &#x017F;chon daran gewohnt i&#x017F;t. Bleibt<lb/>
euch nicht übrig die Freude der Amtstreue?<lb/>
die kleinen oder gro&#x017F;sen Arbeiten, die das<lb/>
Amt von euch fordert, zu dem euch Gott<lb/>
be&#x017F;timmt hat, werden euch freylich mehr<lb/>
Mühe und An&#x017F;trengung ko&#x017F;ten, als wenn<lb/>
ihr eure Kræfte noch ganz hættet; richtet &#x017F;ie<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">(X 5)</fw><fw place="bottom" type="catch">aber</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[329/0339] entſagen: ſo bleiben doch noch andere euch übrig, die ihr genieſsen könnt, und deren Genuſs ihr deſto eifriger ſuchen müſst, je mehr andere ihr verſcherzet habt. Könnt ihr nicht Freuden der Beſſerung genieſsen? Warlich innige herzliche Freuden! So wie der Kranke, wenn er das langwierige Lager das erſtemal verlæſst, und, mit wankenden Knieen, auf ſeine Krücke geſtützt, auf grü- nem Raſen ſich ſonnet, die milde Wærme der Sonne, die Dûfte der Blumen, und alle Naturſchönheiten, weit inniglicher genieſst, als ſein Bruder, der ſie immer genoſs: ſo fühlt auch der oft weit ſtærker, der Tugend ſüſſen Frieden, der kraftlos aus des Laſters Dunkel ihrem Lichte ſich næhert, als ein anderer, der ſchon daran gewohnt iſt. Bleibt euch nicht übrig die Freude der Amtstreue? die kleinen oder groſsen Arbeiten, die das Amt von euch fordert, zu dem euch Gott beſtimmt hat, werden euch freylich mehr Mühe und Anſtrengung koſten, als wenn ihr eure Kræfte noch ganz hættet; richtet ſie aber (X 5)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/339
Zitationshilfe: Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/339>, abgerufen am 30.04.2024.