Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

O möchte doch der barmherzige Gott
mir, diesen Lohn, für das übernommene
mühsame Geschaefte geben, dass, wo nicht
alle, die mich lesen, (denn wie kann ich
diess erwarten?) doch wenigstens viele zur
Tugend zurückgeführt, und so der Welt ei-
nige thaetige und glückliche Bürger mehr er-
halten würden.

"Das ist, werden manche von euch ein-
wenden, bey uns unmöglich. Wir sind
unwiderbringlich verlohren, da die Gewohn-
heit schon so tiefe Wurzeln bey uns geschla-
gen hat, dass alle unsere bisherigen Versuche,
sie auszurotten, umsonst gewesen sind."

Bey Gott! diesen Irrthum müsst ihr
fahren lassen! viele, unfaeglich schwere,
Kaempfe wird es euch kosten, eine Begierde
zu besiegen, die durch eine vieljaehrige He-
gung schon grosse Staerke erhielt, und eure
besten Kraefte aussog. Aber unmöglich darf
es deswegen nicht seyn. Habt ihr nicht ge-

lesen,

O möchte doch der barmherzige Gott
mir, dieſen Lohn, für das übernommene
mühſame Geſchæfte geben, daſs, wo nicht
alle, die mich leſen, (denn wie kann ich
dieſs erwarten?) doch wenigſtens viele zur
Tugend zurückgeführt, und ſo der Welt ei-
nige thætige und glückliche Bürger mehr er-
halten würden.

“Das iſt, werden manche von euch ein-
wenden, bey uns unmöglich. Wir ſind
unwiderbringlich verlohren, da die Gewohn-
heit ſchon ſo tiefe Wurzeln bey uns geſchla-
gen hat, daſs alle unſere bisherigen Verſuche,
ſie auszurotten, umſonſt geweſen ſind.”

Bey Gott! dieſen Irrthum müſst ihr
fahren laſſen! viele, unfæglich ſchwere,
Kæmpfe wird es euch koſten, eine Begierde
zu beſiegen, die durch eine vieljæhrige He-
gung ſchon groſse Stærke erhielt, und eure
beſten Kræfte ausſog. Aber unmöglich darf
es deswegen nicht ſeyn. Habt ihr nicht ge-

leſen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0332" n="322"/>
        <p>O möchte doch der barmherzige Gott<lb/>
mir, die&#x017F;en Lohn, für das übernommene<lb/>
müh&#x017F;ame Ge&#x017F;chæfte geben, da&#x017F;s, wo nicht<lb/>
alle, die mich le&#x017F;en, (denn wie kann ich<lb/>
die&#x017F;s erwarten?) doch wenig&#x017F;tens viele zur<lb/>
Tugend zurückgeführt, und &#x017F;o der Welt ei-<lb/>
nige thætige und glückliche Bürger mehr er-<lb/>
halten würden.</p><lb/>
        <p>&#x201C;Das i&#x017F;t, werden manche von euch ein-<lb/>
wenden, bey uns unmöglich. Wir &#x017F;ind<lb/>
unwiderbringlich verlohren, da die Gewohn-<lb/>
heit &#x017F;chon &#x017F;o tiefe Wurzeln bey uns ge&#x017F;chla-<lb/>
gen hat, da&#x017F;s alle un&#x017F;ere bisherigen Ver&#x017F;uche,<lb/>
&#x017F;ie auszurotten, um&#x017F;on&#x017F;t gewe&#x017F;en &#x017F;ind.&#x201D;</p><lb/>
        <p>Bey Gott! die&#x017F;en Irrthum mü&#x017F;st ihr<lb/>
fahren la&#x017F;&#x017F;en! viele, unfæglich &#x017F;chwere,<lb/>
Kæmpfe wird es euch ko&#x017F;ten, eine Begierde<lb/>
zu be&#x017F;iegen, die durch eine vieljæhrige He-<lb/>
gung &#x017F;chon gro&#x017F;se Stærke erhielt, und eure<lb/>
be&#x017F;ten Kræfte aus&#x017F;og. Aber unmöglich darf<lb/>
es deswegen nicht &#x017F;eyn. Habt ihr nicht ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">le&#x017F;en,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[322/0332] O möchte doch der barmherzige Gott mir, dieſen Lohn, für das übernommene mühſame Geſchæfte geben, daſs, wo nicht alle, die mich leſen, (denn wie kann ich dieſs erwarten?) doch wenigſtens viele zur Tugend zurückgeführt, und ſo der Welt ei- nige thætige und glückliche Bürger mehr er- halten würden. “Das iſt, werden manche von euch ein- wenden, bey uns unmöglich. Wir ſind unwiderbringlich verlohren, da die Gewohn- heit ſchon ſo tiefe Wurzeln bey uns geſchla- gen hat, daſs alle unſere bisherigen Verſuche, ſie auszurotten, umſonſt geweſen ſind.” Bey Gott! dieſen Irrthum müſst ihr fahren laſſen! viele, unfæglich ſchwere, Kæmpfe wird es euch koſten, eine Begierde zu beſiegen, die durch eine vieljæhrige He- gung ſchon groſse Stærke erhielt, und eure beſten Kræfte ausſog. Aber unmöglich darf es deswegen nicht ſeyn. Habt ihr nicht ge- leſen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/332
Zitationshilfe: Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/332>, abgerufen am 22.11.2024.