Meine Reden waren oft Dolchsti- che, die euch auf das schmerzhafteste ver- wundeten. Manche haben deswegen auch bey mir geklagt, und mich aufgefordert, Balsam in die Wunden zu giessen, die ich ihnen geschlagen haette.
Unmöglich kann ich also zu reden auf- hören, ohne mich erst noch an euch, un- glückliche Verirrte, zu wenden, und etwas zu eurer Beruhigung zu sagen.
Glaubt nicht, Bedauernswürdige, dass ich ein einziges Wort in der Absicht gesagt habe, euch zu kraenken! so wie der Wund- arzt oft beisenden Balsam in die gefaehrlichen Wunden seiner Patienten tröpfelt, nicht um ihnen Schmerz zu verursachen, sondern um ihnen Gesundheit und Leben zu erhalten, so sprech ich oft stark, nicht dass ich irgend jemanden trübe Stunden machen, sondern dass ich die Seelen erschüttern und ihnen zur Genesung helfen will.
O
(Von heimlichen Sünden.) (X)
Meine Reden waren oft Dolchſti- che, die euch auf das ſchmerzhafteſte ver- wundeten. Manche haben deswegen auch bey mir geklagt, und mich aufgefordert, Balſam in die Wunden zu gieſſen, die ich ihnen geſchlagen hætte.
Unmöglich kann ich alſo zu reden auf- hören, ohne mich erſt noch an euch, un- glückliche Verirrte, zu wenden, und etwas zu eurer Beruhigung zu ſagen.
Glaubt nicht, Bedauernswürdige, daſs ich ein einziges Wort in der Abſicht geſagt habe, euch zu krænken! ſo wie der Wund- arzt oft beiſenden Balſam in die gefæhrlichen Wunden ſeiner Patienten tröpfelt, nicht um ihnen Schmerz zu verurſachen, ſondern um ihnen Geſundheit und Leben zu erhalten, ſo ſprech ich oft ſtark, nicht daſs ich irgend jemanden trübe Stunden machen, ſondern daſs ich die Seelen erſchüttern und ihnen zur Geneſung helfen will.
O
(Von heimlichen Sünden.) (X)
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Meine Reden waren oft Dolchſti-
che, die euch auf das ſchmerzhafteſte ver-
wundeten. Manche haben deswegen auch
bey mir geklagt, und mich aufgefordert,
Balſam in die Wunden zu gieſſen, die ich
ihnen geſchlagen hætte.
Unmöglich kann ich alſo zu reden auf-
hören, ohne mich erſt noch an euch, un-
glückliche Verirrte, zu wenden, und etwas
zu eurer Beruhigung zu ſagen.
Glaubt nicht, Bedauernswürdige, daſs
ich ein einziges Wort in der Abſicht geſagt
habe, euch zu krænken! ſo wie der Wund-
arzt oft beiſenden Balſam in die gefæhrlichen
Wunden ſeiner Patienten tröpfelt, nicht um
ihnen Schmerz zu verurſachen, ſondern um
ihnen Geſundheit und Leben zu erhalten, ſo
ſprech ich oft ſtark, nicht daſs ich irgend
jemanden trübe Stunden machen, ſondern
daſs ich die Seelen erſchüttern und ihnen
zur Geneſung helfen will.
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(Von heimlichen Sünden.) (X)
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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/331>, abgerufen am 25.11.2024.
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