Reiz zu geben, der die Begierden bis zur Wuth treiben kann. Die aufgetragnen Ge- schaefte sind viel zu schwach, das Kind von diesen Gauckeleyen der Einbildungskraft ab- zubringen. Die Betrachtung eines wollü- ftigen Bildes wird für dasselbe immer mehr Reiz haben, als die beste syntaktische Regel, oder die schönste Stelle aus dem Cicero. Die Staerke der Einbildungskraft, wird auf alle Saefie und Nerven wirken, und zu man- nichfaltigem Muthwillen verleiten, der mit aller Zügellosigkeit getrieben werden kann, da der Zeuge fehlt, dessen Anblick und Er- innerung den jungen Wollüstling von seinem Muthwillen zurückscheuchen könnte. Da- her sind alle Winkel, alle Zimmer, wo die Jugend ohne Zeugen ist, für sie höchst ge- faehrliche Oerter; wovon ich so überzeugt bin, dass ich eine sehr ungünstige Meynung von den Einsichten der Eltern und Erzieher habe, die ihren Kindern, ohne die drin- gendste Nothwendigkeit, die Einsam- keit erlauben. Zum Beweise will ich kein
beson-
Reiz zu geben, der die Begierden bis zur Wuth treiben kann. Die aufgetragnen Ge- ſchæfte ſind viel zu ſchwach, das Kind von dieſen Gauckeleyen der Einbildungskraft ab- zubringen. Die Betrachtung eines wollü- ftigen Bildes wird für daſſelbe immer mehr Reiz haben, als die beſte ſyntaktiſche Regel, oder die ſchönſte Stelle aus dem Cicero. Die Stærke der Einbildungskraft, wird auf alle Sæfie und Nerven wirken, und zu man- nichfaltigem Muthwillen verleiten, der mit aller Zügelloſigkeit getrieben werden kann, da der Zeuge fehlt, deſſen Anblick und Er- innerung den jungen Wollüſtling von ſeinem Muthwillen zurückſcheuchen könnte. Da- her ſind alle Winkel, alle Zimmer, wo die Jugend ohne Zeugen iſt, für ſie höchſt ge- fæhrliche Oerter; wovon ich ſo überzeugt bin, daſs ich eine ſehr ungünſtige Meynung von den Einſichten der Eltern und Erzieher habe, die ihren Kindern, ohne die drin- gendſte Nothwendigkeit, die Einſam- keit erlauben. Zum Beweiſe will ich kein
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Reiz zu geben, der die Begierden bis zur
Wuth treiben kann. Die aufgetragnen Ge-
ſchæfte ſind viel zu ſchwach, das Kind von
dieſen Gauckeleyen der Einbildungskraft ab-
zubringen. Die Betrachtung eines wollü-
ftigen Bildes wird für daſſelbe immer mehr
Reiz haben, als die beſte ſyntaktiſche Regel,
oder die ſchönſte Stelle aus dem Cicero.
Die Stærke der Einbildungskraft, wird auf
alle Sæfie und Nerven wirken, und zu man-
nichfaltigem Muthwillen verleiten, der mit
aller Zügelloſigkeit getrieben werden kann,
da der Zeuge fehlt, deſſen Anblick und Er-
innerung den jungen Wollüſtling von ſeinem
Muthwillen zurückſcheuchen könnte. Da-
her ſind alle Winkel, alle Zimmer, wo die
Jugend ohne Zeugen iſt, für ſie höchſt ge-
fæhrliche Oerter; wovon ich ſo überzeugt
bin, daſs ich eine ſehr ungünſtige Meynung
von den Einſichten der Eltern und Erzieher
habe, die ihren Kindern, ohne die drin-
gendſte Nothwendigkeit, die Einſam-
keit erlauben. Zum Beweiſe will ich kein
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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/200>, abgerufen am 24.11.2024.
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