Zu den entferntern Ursachen rechne ich zuerst das Klosterleben, das sonst so hoch gepriesen wurde, und noch itzo in manchen Provinzen eine gewisse Würde behauptet. Der Römische Bischof, der viele Jahrhun- derte lang der maechtige Beförderer der Un- wissenheit, Dummheit und des Aberglau- bens, war, der Hass und Verfolgung den Christen predigte, machte auch die wirk- samsten Anstalten, die Christenheit anzuwei- sen, alle Arten viehischer Ausschweifungen zu erfinden und auszuüben. Denn er be- fahl denen, die nach Heiligkeit strebten, den Müssiggang, verbot ihnen den Ehestand, gab dadurch den natürlichen, an sich un- schuldigen und wohlthaetigen, Neigungen, die uns der Schöpfer einpflanzte, eine sol- che Wildheit und Unbaendigkeit, dass die Vernunft, die ohne diess damals nicht viel sagen wollte, indem dem Römischen Bischo- fe ungemein viel daran gelegen war, sie in Unthaetigkeit zu lassen, und ihr Aufstreben z[][h]emmen, nichts gegen Sie auszurichten
ver-
Zu den entferntern Urſachen rechne ich zuerſt das Kloſterleben, das ſonſt ſo hoch geprieſen wurde, und noch itzo in manchen Provinzen eine gewiſſe Würde behauptet. Der Römiſche Biſchof, der viele Jahrhun- derte lang der mæchtige Beförderer der Un- wiſſenheit, Dummheit und des Aberglau- bens, war, der Haſs und Verfolgung den Chriſten predigte, machte auch die wirk- ſamſten Anſtalten, die Chriſtenheit anzuwei- ſen, alle Arten viehiſcher Ausſchweifungen zu erfinden und auszuüben. Denn er be- fahl denen, die nach Heiligkeit ſtrebten, den Müſſiggang, verbot ihnen den Eheſtand, gab dadurch den natürlichen, an ſich un- ſchuldigen und wohlthætigen, Neigungen, die uns der Schöpfer einpflanzte, eine ſol- che Wildheit und Unbændigkeit, daſs die Vernunft, die ohne dieſs damals nicht viel ſagen wollte, indem dem Römiſchen Biſcho- fe ungemein viel daran gelegen war, ſie in Unthætigkeit zu laſſen, und ihr Aufſtreben z[][h]emmen, nichts gegen Sie auszurichten
ver-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0108"n="98"/><p>Zu den entferntern Urſachen rechne ich<lb/>
zuerſt das Kloſterleben, das ſonſt ſo hoch<lb/>
geprieſen wurde, und noch itzo in manchen<lb/>
Provinzen eine gewiſſe Würde behauptet.<lb/>
Der Römiſche Biſchof, der viele Jahrhun-<lb/>
derte lang der mæchtige Beförderer der Un-<lb/>
wiſſenheit, Dummheit und des Aberglau-<lb/>
bens, war, der Haſs und Verfolgung den<lb/>
Chriſten predigte, machte auch die wirk-<lb/>ſamſten Anſtalten, die Chriſtenheit anzuwei-<lb/>ſen, alle Arten viehiſcher Ausſchweifungen<lb/>
zu erfinden und auszuüben. Denn er be-<lb/>
fahl denen, die nach Heiligkeit ſtrebten, den<lb/>
Müſſiggang, verbot ihnen den Eheſtand,<lb/>
gab dadurch den natürlichen, an ſich un-<lb/>ſchuldigen und wohlthætigen, Neigungen,<lb/>
die uns der Schöpfer einpflanzte, eine ſol-<lb/>
che Wildheit und Unbændigkeit, daſs die<lb/>
Vernunft, die ohne dieſs damals nicht viel<lb/>ſagen wollte, indem dem Römiſchen Biſcho-<lb/>
fe ungemein viel daran gelegen war, ſie in<lb/>
Unthætigkeit zu laſſen, und ihr Aufſtreben<lb/>
z<gap/><supplied>h</supplied>emmen, nichts gegen Sie auszurichten<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ver-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[98/0108]
Zu den entferntern Urſachen rechne ich
zuerſt das Kloſterleben, das ſonſt ſo hoch
geprieſen wurde, und noch itzo in manchen
Provinzen eine gewiſſe Würde behauptet.
Der Römiſche Biſchof, der viele Jahrhun-
derte lang der mæchtige Beförderer der Un-
wiſſenheit, Dummheit und des Aberglau-
bens, war, der Haſs und Verfolgung den
Chriſten predigte, machte auch die wirk-
ſamſten Anſtalten, die Chriſtenheit anzuwei-
ſen, alle Arten viehiſcher Ausſchweifungen
zu erfinden und auszuüben. Denn er be-
fahl denen, die nach Heiligkeit ſtrebten, den
Müſſiggang, verbot ihnen den Eheſtand,
gab dadurch den natürlichen, an ſich un-
ſchuldigen und wohlthætigen, Neigungen,
die uns der Schöpfer einpflanzte, eine ſol-
che Wildheit und Unbændigkeit, daſs die
Vernunft, die ohne dieſs damals nicht viel
ſagen wollte, indem dem Römiſchen Biſcho-
fe ungemein viel daran gelegen war, ſie in
Unthætigkeit zu laſſen, und ihr Aufſtreben
z_ hemmen, nichts gegen Sie auszurichten
ver-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/108>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.