Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite
Erster Abschnitt.
ten: so würde uns seine Liebe den
gegenwärtigen Odemzug, und mit
ihm das Seyn wohl nicht mehr dar-
gereichet haben. Eine einzige Ein-
schränkung, die aber die Offenba-
rung selbst macht, leidet diese große
Wahrheit, und sie ist diese: daß wir
nämlich in Fällen, wo uns die Er-
füllung einer unsrer erkannten, ge-
wissen Pflichten, irgend einer Lebens-
gefahr aussetzt, z. B. in Verkün-
dung der Wahrheit des Evangeli-
ums, jene, die nur den Leib tödten
können, aber den Geist mit Schwert
und Rad und Flamme und Beil
nicht berühren mögen, ja nicht fürch-
ten, sondern vielmehr mit freudiger
Unerschrockenheit den Odemzug, den
uns die Vatermilde schenket um fer-
ners zu leben, zur Ehre des Evan-
geliums, zur Erfüllung unsrer Pflicht
verwenden sollen, ob wir gleich vor-
hersehen können, daß uns die Wahr-
heitliebe, die Pflichtstreue das Leben
kosten werde.
10. Sie
Erſter Abſchnitt.
ten: ſo wuͤrde uns ſeine Liebe den
gegenwaͤrtigen Odemzug, und mit
ihm das Seyn wohl nicht mehr dar-
gereichet haben. Eine einzige Ein-
ſchraͤnkung, die aber die Offenba-
rung ſelbſt macht, leidet dieſe große
Wahrheit, und ſie iſt dieſe: daß wir
naͤmlich in Faͤllen, wo uns die Er-
fuͤllung einer unſrer erkannten, ge-
wiſſen Pflichten, irgend einer Lebens-
gefahr ausſetzt, z. B. in Verkuͤn-
dung der Wahrheit des Evangeli-
ums, jene, die nur den Leib toͤdten
koͤnnen, aber den Geiſt mit Schwert
und Rad und Flamme und Beil
nicht beruͤhren moͤgen, ja nicht fuͤrch-
ten, ſondern vielmehr mit freudiger
Unerſchrockenheit den Odemzug, den
uns die Vatermilde ſchenket um fer-
ners zu leben, zur Ehre des Evan-
geliums, zur Erfuͤllung unſrer Pflicht
verwenden ſollen, ob wir gleich vor-
herſehen koͤnnen, daß uns die Wahr-
heitliebe, die Pflichtstreue das Leben
koſten werde.
10. Sie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <list>
            <item><pb facs="#f0066" n="54"/><fw place="top" type="header">Er&#x017F;ter Ab&#x017F;chnitt.</fw><lb/>
ten: &#x017F;o wu&#x0364;rde uns &#x017F;eine Liebe den<lb/>
gegenwa&#x0364;rtigen Odemzug, und mit<lb/>
ihm das Seyn wohl nicht mehr dar-<lb/>
gereichet haben. Eine einzige Ein-<lb/>
&#x017F;chra&#x0364;nkung, die aber die Offenba-<lb/>
rung &#x017F;elb&#x017F;t macht, leidet die&#x017F;e große<lb/>
Wahrheit, und &#x017F;ie i&#x017F;t die&#x017F;e: daß wir<lb/>
na&#x0364;mlich in Fa&#x0364;llen, wo uns die Er-<lb/>
fu&#x0364;llung einer un&#x017F;rer erkannten, ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en Pflichten, irgend einer Lebens-<lb/>
gefahr aus&#x017F;etzt, z. B. in Verku&#x0364;n-<lb/>
dung der Wahrheit des Evangeli-<lb/>
ums, jene, die nur den Leib to&#x0364;dten<lb/>
ko&#x0364;nnen, aber den Gei&#x017F;t mit Schwert<lb/>
und Rad und Flamme und Beil<lb/>
nicht beru&#x0364;hren mo&#x0364;gen, ja nicht fu&#x0364;rch-<lb/>
ten, &#x017F;ondern vielmehr mit freudiger<lb/>
Uner&#x017F;chrockenheit den Odemzug, den<lb/>
uns die Vatermilde &#x017F;chenket um fer-<lb/>
ners zu leben, zur Ehre des Evan-<lb/>
geliums, zur Erfu&#x0364;llung un&#x017F;rer Pflicht<lb/>
verwenden &#x017F;ollen, ob wir gleich vor-<lb/>
her&#x017F;ehen ko&#x0364;nnen, daß uns die Wahr-<lb/>
heitliebe, die Pflichtstreue das Leben<lb/>
ko&#x017F;ten werde.</item><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">10. Sie</fw><lb/>
          </list>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0066] Erſter Abſchnitt. ten: ſo wuͤrde uns ſeine Liebe den gegenwaͤrtigen Odemzug, und mit ihm das Seyn wohl nicht mehr dar- gereichet haben. Eine einzige Ein- ſchraͤnkung, die aber die Offenba- rung ſelbſt macht, leidet dieſe große Wahrheit, und ſie iſt dieſe: daß wir naͤmlich in Faͤllen, wo uns die Er- fuͤllung einer unſrer erkannten, ge- wiſſen Pflichten, irgend einer Lebens- gefahr ausſetzt, z. B. in Verkuͤn- dung der Wahrheit des Evangeli- ums, jene, die nur den Leib toͤdten koͤnnen, aber den Geiſt mit Schwert und Rad und Flamme und Beil nicht beruͤhren moͤgen, ja nicht fuͤrch- ten, ſondern vielmehr mit freudiger Unerſchrockenheit den Odemzug, den uns die Vatermilde ſchenket um fer- ners zu leben, zur Ehre des Evan- geliums, zur Erfuͤllung unſrer Pflicht verwenden ſollen, ob wir gleich vor- herſehen koͤnnen, daß uns die Wahr- heitliebe, die Pflichtstreue das Leben koſten werde. 10. Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_selbstmord_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_selbstmord_1785/66
Zitationshilfe: Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_selbstmord_1785/66>, abgerufen am 24.11.2024.