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Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791.

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Die christliche Moral bestimmt 4) die Selbst-
verläugnung
und das Gebet als die vornehmsten Ar-
beiten des menschlichen Geistes
, die theils der Liebe ge-
gen Gott Platz machen, theils ihre Gebote vollbringen,
theils ihre Flamme unterhalten helfen.

Selbstverläugnung, die auch die Hand und den
Fuss abschneidet, und das Auge ausreisset, d. h. das
Allerliebste darangiebt, und das Allerschmerzlichste dul-
det, um nur nicht zu sündigen
(Matth. XVIII. 8-10.);
die vor Grundlegung zum Thurmbau, die Baukosten,
und ihr Vermögen, ob es hinlänglich sey, den Thurm
auszubauen, genau berechnet; die Kriegsmacht ge-
nug besitzt, um nicht Friedensvorschläge zu thun,
d. h. Muth und Lust hat allem abzusagen, um ein Jün-
ger Jesu zu werden (Luk. XIV. 26-35.) ... diese
evangelische, nicht übertriebene und nicht ge-
schmälerte
Selbstverläugnung muss offenbar voran-
gehen
, um der lautern Liebe gegen Gott Platz zu
machen
, und muss stets ihre Begleiterinn seyn, um
ihre Befehle zu vollbringen, und alles wegzu-
räumen
, was dieselbe schwächen kann. Wie könn-
ten wir Gott von ganzem Herzen lieben, wenn wir
Menschenlob oder Sinnenlust oder Reichthum, oder
einen andern Götzen von ganzem Herzen liebten?
Ebendesswegen erklärt sich das Evangelium gegen
alle Heucheley (Matth. XXIII. 25-28. VI. 16-18.), ge-
gen alle Eitelkeit (Joh. V. 44. Luk. XIV. 7-12.), gegen
alle Selbstrechtfertigung (Luk. XIV. 15.), gegen alle
Anhänglichkeit
des Herzens an den Reichthum (Luk.
XII. 15. 19. 20. Matth. VI. 19. 20. 24.), gegen alle un-

nöthige

Die chriſtliche Moral beſtimmt 4) die Selbſt-
verläugnung
und das Gebet als die vornehmſten Ar-
beiten des menſchlichen Geiſtes
, die theils der Liebe ge-
gen Gott Platz machen, theils ihre Gebote vollbringen,
theils ihre Flamme unterhalten helfen.

Selbſtverläugnung, die auch die Hand und den
Fuſs abſchneidet, und das Auge ausreiſſet, d. h. das
Allerliebſte darangiebt, und das Allerſchmerzlichſte dul-
det, um nur nicht zu ſündigen
(Matth. XVIII. 8-10.);
die vor Grundlegung zum Thurmbau, die Baukoſten,
und ihr Vermögen, ob es hinlänglich ſey, den Thurm
auszubauen, genau berechnet; die Kriegsmacht ge-
nug beſitzt, um nicht Friedensvorſchläge zu thun,
d. h. Muth und Luſt hat allem abzuſagen, um ein Jün-
ger Jeſu zu werden (Luk. XIV. 26-35.) … dieſe
evangeliſche, nicht übertriebene und nicht ge-
ſchmälerte
Selbſtverläugnung muſs offenbar voran-
gehen
, um der lautern Liebe gegen Gott Platz zu
machen
, und muſs ſtets ihre Begleiterinn ſeyn, um
ihre Befehle zu vollbringen, und alles wegzu-
räumen
, was dieſelbe ſchwächen kann. Wie könn-
ten wir Gott von ganzem Herzen lieben, wenn wir
Menſchenlob oder Sinnenluſt oder Reichthum, oder
einen andern Götzen von ganzem Herzen liebten?
Ebendeſswegen erklärt ſich das Evangelium gegen
alle Heucheley (Matth. XXIII. 25-28. VI. 16-18.), ge-
gen alle Eitelkeit (Joh. V. 44. Luk. XIV. 7-12.), gegen
alle Selbſtrechtfertigung (Luk. XIV. 15.), gegen alle
Anhänglichkeit
des Herzens an den Reichthum (Luk.
XII. 15. 19. 20. Matth. VI. 19. 20. 24.), gegen alle un-

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[59/0073] Die chriſtliche Moral beſtimmt 4) die Selbſt- verläugnung und das Gebet als die vornehmſten Ar- beiten des menſchlichen Geiſtes, die theils der Liebe ge- gen Gott Platz machen, theils ihre Gebote vollbringen, theils ihre Flamme unterhalten helfen. Selbſtverläugnung, die auch die Hand und den Fuſs abſchneidet, und das Auge ausreiſſet, d. h. das Allerliebſte darangiebt, und das Allerſchmerzlichſte dul- det, um nur nicht zu ſündigen (Matth. XVIII. 8-10.); die vor Grundlegung zum Thurmbau, die Baukoſten, und ihr Vermögen, ob es hinlänglich ſey, den Thurm auszubauen, genau berechnet; die Kriegsmacht ge- nug beſitzt, um nicht Friedensvorſchläge zu thun, d. h. Muth und Luſt hat allem abzuſagen, um ein Jün- ger Jeſu zu werden (Luk. XIV. 26-35.) … dieſe evangeliſche, nicht übertriebene und nicht ge- ſchmälerte Selbſtverläugnung muſs offenbar voran- gehen, um der lautern Liebe gegen Gott Platz zu machen, und muſs ſtets ihre Begleiterinn ſeyn, um ihre Befehle zu vollbringen, und alles wegzu- räumen, was dieſelbe ſchwächen kann. Wie könn- ten wir Gott von ganzem Herzen lieben, wenn wir Menſchenlob oder Sinnenluſt oder Reichthum, oder einen andern Götzen von ganzem Herzen liebten? Ebendeſswegen erklärt ſich das Evangelium gegen alle Heucheley (Matth. XXIII. 25-28. VI. 16-18.), ge- gen alle Eitelkeit (Joh. V. 44. Luk. XIV. 7-12.), gegen alle Selbſtrechtfertigung (Luk. XIV. 15.), gegen alle Anhänglichkeit des Herzens an den Reichthum (Luk. XII. 15. 19. 20. Matth. VI. 19. 20. 24.), gegen alle un- nöthige

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Zitationshilfe: Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_prediger_1791/73>, abgerufen am 27.04.2024.