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Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791.

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Würden diese Grundsätze in der Kirche strenge
und allgemein befolgt, so würde in ihr so wenig Zwist
und Unordnung Platz haben, als wenig in dem gesunden
Körper eines Weisen die Glieder eine Spaltung anrichten.
Das Auge würde nur sehen und die Hand nur arbeiten,
und indem jedes Glied an seiner Stelle thäte, was es
sollte, ein liebliches Ganze, voll Harmonie entstehen.
Da die Christen ihre Feinde liebten: so würden sie ihren
Wohlthätern, die ihnen an Christus Stelle die Wahrheit
verkünden, das Vertrauen und die Liebe nicht entzie-
hen wollen. Da sie den Armen, die gar kein Verdienst,
als etwa ihre Armuth aufzuweisen haben, Speis' und
Decke reichten: so würden sie den Mitarbeitern Gottes
an ihrem Heil, die ihnen das Geistliche säen, die Aernte
des Zeitlichen nicht vorenthalten (I. Cor. IX. 1-15.).
Da sie jedem Ehre erwiesen, dem Ehre gebührt: so
würden sie dieselbe ihren Vätern in Christo nicht ent-
ziehen. Da sie Gottes Stimme im Säuseln der Luft hör-
ten: so würden sie Gottes Stimme, die sich durch ihre
Hirten hören lässt, nicht verachten. Da sie Gottes
Willen auch in denen, die sie drücken, grossmüthig
respectirten: so würden sie sich der Wahrheit, die sie
selig macht, von ihren Vorstehern verkündet -- mit
vollkommnem Gehorsam ergeben. Da ihnen Gott ein
Gott der Ordnung und des Friedens, und der Geist des
Christenthums ein sanfter, heiliger Geist wäre: so wür-
den sie, die wahren Christen, alles meiden, was die
Ordnung und den Frieden stören, und den Geist des
Christenthums verdunkeln könnte. Da die Christen,
ihrer Natur nach, Friedensstifter wären: so würden sie

im

Würden dieſe Grundſätze in der Kirche ſtrenge
und allgemein befolgt, ſo würde in ihr ſo wenig Zwiſt
und Unordnung Platz haben, als wenig in dem geſunden
Körper eines Weiſen die Glieder eine Spaltung anrichten.
Das Auge würde nur ſehen und die Hand nur arbeiten,
und indem jedes Glied an ſeiner Stelle thäte, was es
ſollte, ein liebliches Ganze, voll Harmonie entſtehen.
Da die Chriſten ihre Feinde liebten: ſo würden ſie ihren
Wohlthätern, die ihnen an Chriſtus Stelle die Wahrheit
verkünden, das Vertrauen und die Liebe nicht entzie-
hen wollen. Da ſie den Armen, die gar kein Verdienſt,
als etwa ihre Armuth aufzuweiſen haben, Speiſ’ und
Decke reichten: ſo würden ſie den Mitarbeitern Gottes
an ihrem Heil, die ihnen das Geiſtliche ſäen, die Aernte
des Zeitlichen nicht vorenthalten (I. Cor. IX. 1-15.).
Da ſie jedem Ehre erwieſen, dem Ehre gebührt: ſo
würden ſie dieſelbe ihren Vätern in Chriſto nicht ent-
ziehen. Da ſie Gottes Stimme im Säuſeln der Luft hör-
ten: ſo würden ſie Gottes Stimme, die ſich durch ihre
Hirten hören läſst, nicht verachten. Da ſie Gottes
Willen auch in denen, die ſie drücken, groſsmüthig
reſpectirten: ſo würden ſie ſich der Wahrheit, die ſie
ſelig macht, von ihren Vorſtehern verkündet — mit
vollkommnem Gehorſam ergeben. Da ihnen Gott ein
Gott der Ordnung und des Friedens, und der Geiſt des
Chriſtenthums ein ſanfter, heiliger Geiſt wäre: ſo wür-
den ſie, die wahren Chriſten, alles meiden, was die
Ordnung und den Frieden ſtören, und den Geiſt des
Chriſtenthums verdunkeln könnte. Da die Chriſten,
ihrer Natur nach, Friedensſtifter wären: ſo würden ſie

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[98/0112] Würden dieſe Grundſätze in der Kirche ſtrenge und allgemein befolgt, ſo würde in ihr ſo wenig Zwiſt und Unordnung Platz haben, als wenig in dem geſunden Körper eines Weiſen die Glieder eine Spaltung anrichten. Das Auge würde nur ſehen und die Hand nur arbeiten, und indem jedes Glied an ſeiner Stelle thäte, was es ſollte, ein liebliches Ganze, voll Harmonie entſtehen. Da die Chriſten ihre Feinde liebten: ſo würden ſie ihren Wohlthätern, die ihnen an Chriſtus Stelle die Wahrheit verkünden, das Vertrauen und die Liebe nicht entzie- hen wollen. Da ſie den Armen, die gar kein Verdienſt, als etwa ihre Armuth aufzuweiſen haben, Speiſ’ und Decke reichten: ſo würden ſie den Mitarbeitern Gottes an ihrem Heil, die ihnen das Geiſtliche ſäen, die Aernte des Zeitlichen nicht vorenthalten (I. Cor. IX. 1-15.). Da ſie jedem Ehre erwieſen, dem Ehre gebührt: ſo würden ſie dieſelbe ihren Vätern in Chriſto nicht ent- ziehen. Da ſie Gottes Stimme im Säuſeln der Luft hör- ten: ſo würden ſie Gottes Stimme, die ſich durch ihre Hirten hören läſst, nicht verachten. Da ſie Gottes Willen auch in denen, die ſie drücken, groſsmüthig reſpectirten: ſo würden ſie ſich der Wahrheit, die ſie ſelig macht, von ihren Vorſtehern verkündet — mit vollkommnem Gehorſam ergeben. Da ihnen Gott ein Gott der Ordnung und des Friedens, und der Geiſt des Chriſtenthums ein ſanfter, heiliger Geiſt wäre: ſo wür- den ſie, die wahren Chriſten, alles meiden, was die Ordnung und den Frieden ſtören, und den Geiſt des Chriſtenthums verdunkeln könnte. Da die Chriſten, ihrer Natur nach, Friedensſtifter wären: ſo würden ſie im

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Zitationshilfe: Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_prediger_1791/112>, abgerufen am 28.03.2024.