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Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791.

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im Schoosse ihrer Mutter nicht Hader anrichten. -- --
Wenn nun aber diese Grundsätze nicht strenge genug
und nicht allgemein befolgt werden, (wie wir es zu
unsrer Beschämung gestehen müssen, und um wenigst
redlich zu seyn, auch gestehen wollen): so müssen wir
der Fürsehung doch dafür danken, dass Sie uns in den
neutestamentischen Schriften ein Bild für alle Zei-
ten
, und in den Beyspielen einiger Hirten ein Bild
für jedes Zeitalter gelassen hat, lässt, und lassen
wird, an dem wir unsre Pflichten erkennen, und vor
dem wir Kräfte sammeln können, unsre Sünden zu stra-
fen, und unsre Fehler zu verbessern. Und dieser ist,
ohne Zweifel, der beste Gebrauch, den wir von dem
geschriebenen Evangelium machen können, dieser:

"Wenn wir weder in uns noch in unserm Kreise
das Bild des reinen Sinnes finden, das in unserm Wan-
del und in jeder Geberde zurückstralen sollte: so dürfen
wir nur das Geschichtbuch Jesu und seiner Freunde auf-
schlagen, und das Bild des reinsten Sinnes steht vor
unserm Auge da; und wir dürfen nicht lange fragen,
nicht mühsam grübeln -- dürfen nur niederfallen und
anbeten, und beschämt in uns blicken, und mit dem
glühenden Vorsatze, die grosse Unähnlichkeit zwischen
uns und dem Bilde nicht länger in uns zu dulden, auf-
stehen -- und mit neuem Muthe ausgerüstet, an
unser Tagwerk gehen."

Verzeih, Göttlicher! verzeih, dass wir deine
heilige Geschichte selten auf diese Weise gebrau-
chen! -- -- --

Die
G 2

im Schooſse ihrer Mutter nicht Hader anrichten. — —
Wenn nun aber dieſe Grundſätze nicht ſtrenge genug
und nicht allgemein befolgt werden, (wie wir es zu
unſrer Beſchämung geſtehen müſſen, und um wenigſt
redlich zu ſeyn, auch geſtehen wollen): ſo müſſen wir
der Fürſehung doch dafür danken, daſs Sie uns in den
neuteſtamentiſchen Schriften ein Bild für alle Zei-
ten
, und in den Beyſpielen einiger Hirten ein Bild
für jedes Zeitalter gelaſſen hat, läſst, und laſſen
wird, an dem wir unſre Pflichten erkennen, und vor
dem wir Kräfte ſammeln können, unſre Sünden zu ſtra-
fen, und unſre Fehler zu verbeſſern. Und dieſer iſt,
ohne Zweifel, der beſte Gebrauch, den wir von dem
geſchriebenen Evangelium machen können, dieſer:

„Wenn wir weder in uns noch in unſerm Kreiſe
das Bild des reinen Sinnes finden, das in unſerm Wan-
del und in jeder Geberde zurückſtralen ſollte: ſo dürfen
wir nur das Geſchichtbuch Jeſu und ſeiner Freunde auf-
ſchlagen, und das Bild des reinſten Sinnes ſteht vor
unſerm Auge da; und wir dürfen nicht lange fragen,
nicht mühſam grübeln — dürfen nur niederfallen und
anbeten, und beſchämt in uns blicken, und mit dem
glühenden Vorſatze, die groſſe Unähnlichkeit zwiſchen
uns und dem Bilde nicht länger in uns zu dulden, auf-
ſtehen — und mit neuem Muthe ausgerüſtet, an
unſer Tagwerk gehen.“

Verzeih, Göttlicher! verzeih, daſs wir deine
heilige Geſchichte ſelten auf dieſe Weiſe gebrau-
chen! — — —

Die
G 2
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[99/0113] im Schooſse ihrer Mutter nicht Hader anrichten. — — Wenn nun aber dieſe Grundſätze nicht ſtrenge genug und nicht allgemein befolgt werden, (wie wir es zu unſrer Beſchämung geſtehen müſſen, und um wenigſt redlich zu ſeyn, auch geſtehen wollen): ſo müſſen wir der Fürſehung doch dafür danken, daſs Sie uns in den neuteſtamentiſchen Schriften ein Bild für alle Zei- ten, und in den Beyſpielen einiger Hirten ein Bild für jedes Zeitalter gelaſſen hat, läſst, und laſſen wird, an dem wir unſre Pflichten erkennen, und vor dem wir Kräfte ſammeln können, unſre Sünden zu ſtra- fen, und unſre Fehler zu verbeſſern. Und dieſer iſt, ohne Zweifel, der beſte Gebrauch, den wir von dem geſchriebenen Evangelium machen können, dieſer: „Wenn wir weder in uns noch in unſerm Kreiſe das Bild des reinen Sinnes finden, das in unſerm Wan- del und in jeder Geberde zurückſtralen ſollte: ſo dürfen wir nur das Geſchichtbuch Jeſu und ſeiner Freunde auf- ſchlagen, und das Bild des reinſten Sinnes ſteht vor unſerm Auge da; und wir dürfen nicht lange fragen, nicht mühſam grübeln — dürfen nur niederfallen und anbeten, und beſchämt in uns blicken, und mit dem glühenden Vorſatze, die groſſe Unähnlichkeit zwiſchen uns und dem Bilde nicht länger in uns zu dulden, auf- ſtehen — und mit neuem Muthe ausgerüſtet, an unſer Tagwerk gehen.“ Verzeih, Göttlicher! verzeih, daſs wir deine heilige Geſchichte ſelten auf dieſe Weiſe gebrau- chen! — — — Die G 2

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Zitationshilfe: Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_prediger_1791/113>, abgerufen am 29.03.2024.