Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.Die künstlichen Systeme und die Nomenclatur bis 1708) sein System auf die Form der Blumenkrone gründete, trater doch in gewissem Sinne in Gegensatz zu Rivin. War dieser vorwiegend kritisch und nur mit mangelhafter Specieskenntniß ausgerüstet, so trat dagegen Tournefort mehr dogmatisirend auf und wußte die großen Mängel seiner morphologischen Ein- sicht durch eine sehr ausgedehnte Specialkenntniß in den Augen seiner Zeitgenossen zu ersetzen. Tournefort wird gewöhnlich als der Begründer der Gattungen im Pflanzenreich bezeichnet; es wurde jedoch schon gezeigt, wie sich aus der Einzelbeschreibung bereits im 16. Jahrhundert der Begriff der Gattungen und Species hervorbildete und wie bereits Caspar Bauhin auch durch die Namengebung in konsequenter Weise Gattungen und Species unterschied; zudem hatte Rivinus 1690 die binäre Nomen- clatur bei der Benennung der Pflanzen als die zweckmäßigste gefordert, wenn er auch freilich diese Forderung selbst nicht be- folgte; Tournefort aber that es, jedoch in ganz anderer Weise als Bauhin. Dieser gab von den Gattungen nur die Namen und versah nur die Species mit Diagnosen; Tourne- fort dagegen versah blos die Gattungsnamen mit Diagnosen und führte die Species und Varietäten ohne eigene Beschreibung dahinter auf. Tournefort hat also nicht die Gattungen zu- erst aufgestellt, sondern vielmehr nur den Schwerpunkt der descriptiven Botanik in die Charakteristik der Gattungen verlegt, dabei aber den großen Fehler begangen, die specifischen Verschie- denheiten innerhalb der Gattungen als Nebensache zu behandeln. Wie wenig Tiefe in Tournefort's botanischem Denken lag, zeigt nicht nur seine in der That klägliche Blüthentheorie, deren Fehlerhaftigkeit wie bei Rivin um so mehr auffällt, als er sein System auf die äußere Blüthenform gründete, sondern noch mehr der Ausspruch am Ende seiner übrigens recht verdienstlichen Geschichte der Botanik: Diese Wissenschaft sei seit dem Zeitalter des Hippokrates in dem Grade gefördert worden, daß kaum noch Etwas fehle außer einer genauen Aufstellung der Gattungen. Seine allgemeinen Sätze über die Aufstellung des Systems ent- halten neben manchem Guten, was jedoch meist nicht neu ist, Die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur bis 1708) ſein Syſtem auf die Form der Blumenkrone gründete, trater doch in gewiſſem Sinne in Gegenſatz zu Rivin. War dieſer vorwiegend kritiſch und nur mit mangelhafter Specieskenntniß ausgerüſtet, ſo trat dagegen Tournefort mehr dogmatiſirend auf und wußte die großen Mängel ſeiner morphologiſchen Ein- ſicht durch eine ſehr ausgedehnte Specialkenntniß in den Augen ſeiner Zeitgenoſſen zu erſetzen. Tournefort wird gewöhnlich als der Begründer der Gattungen im Pflanzenreich bezeichnet; es wurde jedoch ſchon gezeigt, wie ſich aus der Einzelbeſchreibung bereits im 16. Jahrhundert der Begriff der Gattungen und Species hervorbildete und wie bereits Caspar Bauhin auch durch die Namengebung in konſequenter Weiſe Gattungen und Species unterſchied; zudem hatte Rivinus 1690 die binäre Nomen- clatur bei der Benennung der Pflanzen als die zweckmäßigſte gefordert, wenn er auch freilich dieſe Forderung ſelbſt nicht be- folgte; Tournefort aber that es, jedoch in ganz anderer Weiſe als Bauhin. Dieſer gab von den Gattungen nur die Namen und verſah nur die Species mit Diagnoſen; Tourne- fort dagegen verſah blos die Gattungsnamen mit Diagnoſen und führte die Species und Varietäten ohne eigene Beſchreibung dahinter auf. Tournefort hat alſo nicht die Gattungen zu- erſt aufgeſtellt, ſondern vielmehr nur den Schwerpunkt der deſcriptiven Botanik in die Charakteriſtik der Gattungen verlegt, dabei aber den großen Fehler begangen, die ſpecifiſchen Verſchie- denheiten innerhalb der Gattungen als Nebenſache zu behandeln. Wie wenig Tiefe in Tournefort's botaniſchem Denken lag, zeigt nicht nur ſeine in der That klägliche Blüthentheorie, deren Fehlerhaftigkeit wie bei Rivin um ſo mehr auffällt, als er ſein Syſtem auf die äußere Blüthenform gründete, ſondern noch mehr der Ausſpruch am Ende ſeiner übrigens recht verdienſtlichen Geſchichte der Botanik: Dieſe Wiſſenſchaft ſei ſeit dem Zeitalter des Hippokrates in dem Grade gefördert worden, daß kaum noch Etwas fehle außer einer genauen Aufſtellung der Gattungen. Seine allgemeinen Sätze über die Aufſtellung des Syſtems ent- halten neben manchem Guten, was jedoch meiſt nicht neu iſt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0094" n="82"/><fw place="top" type="header">Die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur</fw><lb/> bis 1708) ſein Syſtem auf die Form der Blumenkrone gründete, trat<lb/> er doch in gewiſſem Sinne in Gegenſatz zu <hi rendition="#g">Rivin</hi>. 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Die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur
bis 1708) ſein Syſtem auf die Form der Blumenkrone gründete, trat
er doch in gewiſſem Sinne in Gegenſatz zu Rivin. War dieſer
vorwiegend kritiſch und nur mit mangelhafter Specieskenntniß
ausgerüſtet, ſo trat dagegen Tournefort mehr dogmatiſirend
auf und wußte die großen Mängel ſeiner morphologiſchen Ein-
ſicht durch eine ſehr ausgedehnte Specialkenntniß in den Augen
ſeiner Zeitgenoſſen zu erſetzen. Tournefort wird gewöhnlich
als der Begründer der Gattungen im Pflanzenreich bezeichnet;
es wurde jedoch ſchon gezeigt, wie ſich aus der Einzelbeſchreibung
bereits im 16. Jahrhundert der Begriff der Gattungen und
Species hervorbildete und wie bereits Caspar Bauhin auch durch
die Namengebung in konſequenter Weiſe Gattungen und Species
unterſchied; zudem hatte Rivinus 1690 die binäre Nomen-
clatur bei der Benennung der Pflanzen als die zweckmäßigſte
gefordert, wenn er auch freilich dieſe Forderung ſelbſt nicht be-
folgte; Tournefort aber that es, jedoch in ganz anderer
Weiſe als Bauhin. Dieſer gab von den Gattungen nur die
Namen und verſah nur die Species mit Diagnoſen; Tourne-
fort dagegen verſah blos die Gattungsnamen mit Diagnoſen
und führte die Species und Varietäten ohne eigene Beſchreibung
dahinter auf. Tournefort hat alſo nicht die Gattungen zu-
erſt aufgeſtellt, ſondern vielmehr nur den Schwerpunkt der
deſcriptiven Botanik in die Charakteriſtik der Gattungen verlegt,
dabei aber den großen Fehler begangen, die ſpecifiſchen Verſchie-
denheiten innerhalb der Gattungen als Nebenſache zu behandeln.
Wie wenig Tiefe in Tournefort's botaniſchem Denken lag,
zeigt nicht nur ſeine in der That klägliche Blüthentheorie, deren
Fehlerhaftigkeit wie bei Rivin um ſo mehr auffällt, als er
ſein Syſtem auf die äußere Blüthenform gründete, ſondern noch
mehr der Ausſpruch am Ende ſeiner übrigens recht verdienſtlichen
Geſchichte der Botanik: Dieſe Wiſſenſchaft ſei ſeit dem Zeitalter
des Hippokrates in dem Grade gefördert worden, daß kaum
noch Etwas fehle außer einer genauen Aufſtellung der Gattungen.
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halten neben manchem Guten, was jedoch meiſt nicht neu iſt,
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