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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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der Organe von Caesalpin bis auf Linne.
seinen kritischen Darlegungen, was übrigens auch bei Tourne-
fort wiederkehrt, daß man aus manchen Bemerkungen auf ein
feines Verständniß für natürliche Verwandtschaft glaubt schließen
zu müssen, während zwischen hinein wieder Ausdrücke vorkommen,
welche glauben machen, daß ihm dieselbe für das System voll-
kommen gleichgültig sei. Durch einen wunderlichen, unlogischen
Sprung, weil nämlich die Blüthe früher da sei als die Frucht,
kommt er zu dem Schluß, daß man von jener die Hauptabthei-
lungen ableiten müsse und bei derselben benützt er nun gerade
dasjenige Merkmale der Blumenkrone, welches den allergeringsten
klasifikatorischen Werth besitzt, nämlich die regelmäßige oder syme-
trische (irreguläre) Form derselben. Zudem muß es Wunder
nehmen, daß Rivinus, der ein beträchtliches Vermögen zur
Herstellung von Habitusbildern in Kupferstich ohne jeden Zweck
verschwendete und obgleich er sein System auf die Blüthenform
gründete, dennoch dem Blüthenbau selbst ein nur ganz oberfläch-
liches Studium zuwandte; was er über denselben sagt, ist viel
schlechter, als was irgend Jemand vor und nach ihm darüber
geschrieben hat. Sein auf die Form der Blüthen gegründetes
System enthält denn auch Nichts, was man einen Fortschritt
in der Systematik nennen könnte; trotzdem fehlte es ihm nicht an
Anhängern, unter denen in Deutschland Heucher, Knauth,
Ruppius, Hebenstreit, Ludwig; auch Hill in England u. a.
zu nennen sind, die an seinem System dieß und jenes änderten,
eine Fortbildung desselben war jedoch seiner Natur nach ganz
unmöglich. Mit Ray und Dillenius gerieth er wegen seines
Systems in Streit; auch Ol. Rudbeck trat gegen ihn auf.

Obgleich auch Joseph Pitton de Tournefort 1) (1656

1) Tournefort war zu Aix in der Provence geboren; erhielt
seine erste Bildung in einem Jesuitenkolleg; anfangs zum Theologen be-
stimmt, konnte er sich nach seines Vaters Tode 1677 ganz der Botanik
widmen. Nach Reisen in Frankreich und Spanien wurde er 1683 Professor
am Jardin des Plantes; auch von hier aus machte er verschiedene
Reisen in Europa, 1700 ging er nach Griechenland, Asien, Afrika.
Auf all' diesen Reisen sammelte er fleißig Pflanzen, die er dann beschrieb.
Sachs, Geschichte der Botanik. 6

der Organe von Caeſalpin bis auf Linné.
ſeinen kritiſchen Darlegungen, was übrigens auch bei Tourne-
fort wiederkehrt, daß man aus manchen Bemerkungen auf ein
feines Verſtändniß für natürliche Verwandtſchaft glaubt ſchließen
zu müſſen, während zwiſchen hinein wieder Ausdrücke vorkommen,
welche glauben machen, daß ihm dieſelbe für das Syſtem voll-
kommen gleichgültig ſei. Durch einen wunderlichen, unlogiſchen
Sprung, weil nämlich die Blüthe früher da ſei als die Frucht,
kommt er zu dem Schluß, daß man von jener die Hauptabthei-
lungen ableiten müſſe und bei derſelben benützt er nun gerade
dasjenige Merkmale der Blumenkrone, welches den allergeringſten
klaſifikatoriſchen Werth beſitzt, nämlich die regelmäßige oder ſyme-
triſche (irreguläre) Form derſelben. Zudem muß es Wunder
nehmen, daß Rivinus, der ein beträchtliches Vermögen zur
Herſtellung von Habitusbildern in Kupferſtich ohne jeden Zweck
verſchwendete und obgleich er ſein Syſtem auf die Blüthenform
gründete, dennoch dem Blüthenbau ſelbſt ein nur ganz oberfläch-
liches Studium zuwandte; was er über denſelben ſagt, iſt viel
ſchlechter, als was irgend Jemand vor und nach ihm darüber
geſchrieben hat. Sein auf die Form der Blüthen gegründetes
Syſtem enthält denn auch Nichts, was man einen Fortſchritt
in der Syſtematik nennen könnte; trotzdem fehlte es ihm nicht an
Anhängern, unter denen in Deutſchland Heucher, Knauth,
Ruppius, Hebenſtreit, Ludwig; auch Hill in England u. a.
zu nennen ſind, die an ſeinem Syſtem dieß und jenes änderten,
eine Fortbildung desſelben war jedoch ſeiner Natur nach ganz
unmöglich. Mit Ray und Dillenius gerieth er wegen ſeines
Syſtems in Streit; auch Ol. Rudbeck trat gegen ihn auf.

Obgleich auch Joſeph Pitton de Tournefort 1) (1656

1) Tournefort war zu Aix in der Provence geboren; erhielt
ſeine erſte Bildung in einem Jeſuitenkolleg; anfangs zum Theologen be-
ſtimmt, konnte er ſich nach ſeines Vaters Tode 1677 ganz der Botanik
widmen. Nach Reiſen in Frankreich und Spanien wurde er 1683 Profeſſor
am Jardin des Plantes; auch von hier aus machte er verſchiedene
Reiſen in Europa, 1700 ging er nach Griechenland, Aſien, Afrika.
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[81/0093] der Organe von Caeſalpin bis auf Linné. ſeinen kritiſchen Darlegungen, was übrigens auch bei Tourne- fort wiederkehrt, daß man aus manchen Bemerkungen auf ein feines Verſtändniß für natürliche Verwandtſchaft glaubt ſchließen zu müſſen, während zwiſchen hinein wieder Ausdrücke vorkommen, welche glauben machen, daß ihm dieſelbe für das Syſtem voll- kommen gleichgültig ſei. Durch einen wunderlichen, unlogiſchen Sprung, weil nämlich die Blüthe früher da ſei als die Frucht, kommt er zu dem Schluß, daß man von jener die Hauptabthei- lungen ableiten müſſe und bei derſelben benützt er nun gerade dasjenige Merkmale der Blumenkrone, welches den allergeringſten klaſifikatoriſchen Werth beſitzt, nämlich die regelmäßige oder ſyme- triſche (irreguläre) Form derſelben. Zudem muß es Wunder nehmen, daß Rivinus, der ein beträchtliches Vermögen zur Herſtellung von Habitusbildern in Kupferſtich ohne jeden Zweck verſchwendete und obgleich er ſein Syſtem auf die Blüthenform gründete, dennoch dem Blüthenbau ſelbſt ein nur ganz oberfläch- liches Studium zuwandte; was er über denſelben ſagt, iſt viel ſchlechter, als was irgend Jemand vor und nach ihm darüber geſchrieben hat. Sein auf die Form der Blüthen gegründetes Syſtem enthält denn auch Nichts, was man einen Fortſchritt in der Syſtematik nennen könnte; trotzdem fehlte es ihm nicht an Anhängern, unter denen in Deutſchland Heucher, Knauth, Ruppius, Hebenſtreit, Ludwig; auch Hill in England u. a. zu nennen ſind, die an ſeinem Syſtem dieß und jenes änderten, eine Fortbildung desſelben war jedoch ſeiner Natur nach ganz unmöglich. Mit Ray und Dillenius gerieth er wegen ſeines Syſtems in Streit; auch Ol. Rudbeck trat gegen ihn auf. Obgleich auch Joſeph Pitton de Tournefort 1) (1656 1) Tournefort war zu Aix in der Provence geboren; erhielt ſeine erſte Bildung in einem Jeſuitenkolleg; anfangs zum Theologen be- ſtimmt, konnte er ſich nach ſeines Vaters Tode 1677 ganz der Botanik widmen. Nach Reiſen in Frankreich und Spanien wurde er 1683 Profeſſor am Jardin des Plantes; auch von hier aus machte er verſchiedene Reiſen in Europa, 1700 ging er nach Griechenland, Aſien, Afrika. Auf all' dieſen Reiſen ſammelte er fleißig Pflanzen, die er dann beſchrieb. Sachs, Geſchichte der Botanik. 6

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/93>, abgerufen am 27.11.2024.