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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Die künstlichen Systeme und die Nomenclatur
undankbar aufnehmen, gleichzeitig aber jeden kleinen Fehler, den
sich der Schöpfer einer großen Idee zu Schulden kommen läßt,
mit widerwärtiger Schadenfreude hervorheben, so hat auch Mo-
rison kein Wort der Anerkennung für die im Pinax vorliegende
große Leistung; eine Anerkennung, die um so nöthiger gewesen
wäre, als er eben darauf ausging, die zahlreichen Fehler bezüglich
der Verwandtschaftsverhältnisse im Pinax aufzudecken. Auch
vermuthet Kurt Sprengel (Geschichte II. p. 30) wohl mit
Recht, daß ihm des Jungius Handschrift, welche 1661 durch
Hartlieb dem Ray mitgetheilt worden war, nicht unbekannt
geblieben ist; und in dieser konnte er allerdings sehr Vieles
finden, was zu seinem Vorhaben paßte. Die Hallucinationes
sagt Sprengel treffend, sind eine gründliche Kritik der Anord-
nung der Pflanzen, welche die Bauhine gewählt hatten. In-
dem er den Pinax Seite für Seite durchgeht, zeigt er, welche
Pflanzen dort eine falsche Stelle einnehmen. Es sei gewiß, daß
Morison den ersten Grund zu einer bessern Anordnung und
zu einer richtigeren Charakteristik der Gattungen und Arten
gelegt habe.

Einen beträchtlichen Fortschritt zeigt seine Plantarum um-
belliferarum distributio nova, Oxford
1672, die erste Mono-
graphie, welche in der Absicht unternommen wurde, innerhalb
einer einzelnen großen Familie systematische Grundsätze streng
durchzuführen. Die sehr verwickelte Eintheilung wird hier aus-
schließlich auf die äußere Form der Frucht, die er natürlich als
Samen bezeichnet, gegründet. Es ist aber das erste Werk, in
welchem die systematische Darstellung nicht mehr von der älteren
Anordnung in Bücher und Capitel verdeckt, wo vielmehr eine
größere Uebersichtlichkeit schon durch die typographische Behand-
lung erreicht wird, worin ihm allerdings Lobelius 100 Jahre
früher mit sehr schwachen Anfängen vorausgegangen war. Auch
sucht er die systematischen Beziehungen innerhalb dieser Familie
durch lineare Darstellungen zu veranschaulichen; gewissermaßen
die erste Ahnung dessen, was wir jetzt einen Stammbaum nennen
würden, jedenfalls aber ein Beweis, wie lebhaft Morison

Die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur
undankbar aufnehmen, gleichzeitig aber jeden kleinen Fehler, den
ſich der Schöpfer einer großen Idee zu Schulden kommen läßt,
mit widerwärtiger Schadenfreude hervorheben, ſo hat auch Mo-
riſon kein Wort der Anerkennung für die im Pinax vorliegende
große Leiſtung; eine Anerkennung, die um ſo nöthiger geweſen
wäre, als er eben darauf ausging, die zahlreichen Fehler bezüglich
der Verwandtſchaftsverhältniſſe im Pinax aufzudecken. Auch
vermuthet Kurt Sprengel (Geſchichte II. p. 30) wohl mit
Recht, daß ihm des Jungius Handſchrift, welche 1661 durch
Hartlieb dem Ray mitgetheilt worden war, nicht unbekannt
geblieben iſt; und in dieſer konnte er allerdings ſehr Vieles
finden, was zu ſeinem Vorhaben paßte. Die Hallucinationes
ſagt Sprengel treffend, ſind eine gründliche Kritik der Anord-
nung der Pflanzen, welche die Bauhine gewählt hatten. In-
dem er den Pinax Seite für Seite durchgeht, zeigt er, welche
Pflanzen dort eine falſche Stelle einnehmen. Es ſei gewiß, daß
Moriſon den erſten Grund zu einer beſſern Anordnung und
zu einer richtigeren Charakteriſtik der Gattungen und Arten
gelegt habe.

Einen beträchtlichen Fortſchritt zeigt ſeine Plantarum um-
belliferarum distributio nova, Oxford
1672, die erſte Mono-
graphie, welche in der Abſicht unternommen wurde, innerhalb
einer einzelnen großen Familie ſyſtematiſche Grundſätze ſtreng
durchzuführen. Die ſehr verwickelte Eintheilung wird hier aus-
ſchließlich auf die äußere Form der Frucht, die er natürlich als
Samen bezeichnet, gegründet. Es iſt aber das erſte Werk, in
welchem die ſyſtematiſche Darſtellung nicht mehr von der älteren
Anordnung in Bücher und Capitel verdeckt, wo vielmehr eine
größere Ueberſichtlichkeit ſchon durch die typographiſche Behand-
lung erreicht wird, worin ihm allerdings Lobelius 100 Jahre
früher mit ſehr ſchwachen Anfängen vorausgegangen war. Auch
ſucht er die ſyſtematiſchen Beziehungen innerhalb dieſer Familie
durch lineare Darſtellungen zu veranſchaulichen; gewiſſermaßen
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[72/0084] Die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur undankbar aufnehmen, gleichzeitig aber jeden kleinen Fehler, den ſich der Schöpfer einer großen Idee zu Schulden kommen läßt, mit widerwärtiger Schadenfreude hervorheben, ſo hat auch Mo- riſon kein Wort der Anerkennung für die im Pinax vorliegende große Leiſtung; eine Anerkennung, die um ſo nöthiger geweſen wäre, als er eben darauf ausging, die zahlreichen Fehler bezüglich der Verwandtſchaftsverhältniſſe im Pinax aufzudecken. Auch vermuthet Kurt Sprengel (Geſchichte II. p. 30) wohl mit Recht, daß ihm des Jungius Handſchrift, welche 1661 durch Hartlieb dem Ray mitgetheilt worden war, nicht unbekannt geblieben iſt; und in dieſer konnte er allerdings ſehr Vieles finden, was zu ſeinem Vorhaben paßte. Die Hallucinationes ſagt Sprengel treffend, ſind eine gründliche Kritik der Anord- nung der Pflanzen, welche die Bauhine gewählt hatten. In- dem er den Pinax Seite für Seite durchgeht, zeigt er, welche Pflanzen dort eine falſche Stelle einnehmen. Es ſei gewiß, daß Moriſon den erſten Grund zu einer beſſern Anordnung und zu einer richtigeren Charakteriſtik der Gattungen und Arten gelegt habe. Einen beträchtlichen Fortſchritt zeigt ſeine Plantarum um- belliferarum distributio nova, Oxford 1672, die erſte Mono- graphie, welche in der Abſicht unternommen wurde, innerhalb einer einzelnen großen Familie ſyſtematiſche Grundſätze ſtreng durchzuführen. Die ſehr verwickelte Eintheilung wird hier aus- ſchließlich auf die äußere Form der Frucht, die er natürlich als Samen bezeichnet, gegründet. Es iſt aber das erſte Werk, in welchem die ſyſtematiſche Darſtellung nicht mehr von der älteren Anordnung in Bücher und Capitel verdeckt, wo vielmehr eine größere Ueberſichtlichkeit ſchon durch die typographiſche Behand- lung erreicht wird, worin ihm allerdings Lobelius 100 Jahre früher mit ſehr ſchwachen Anfängen vorausgegangen war. Auch ſucht er die ſyſtematiſchen Beziehungen innerhalb dieſer Familie durch lineare Darſtellungen zu veranſchaulichen; gewiſſermaßen die erſte Ahnung deſſen, was wir jetzt einen Stammbaum nennen würden, jedenfalls aber ein Beweis, wie lebhaft Moriſon

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/84>, abgerufen am 23.11.2024.