Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Entdeckung der Sexualität der Kryptogamen.
chegonien von Farnen gesehen; was aber Lesczyc über die
Rolle angab, die sie dort weiter spielen sollten, erwies sich als
auf Selbsttäuschung beruhend. Hofmeister hatte bewegungslos
gewordene Samenfäden im mittleren Theile des Halskanales
von Archegonien des Schafthalmes beobachtet; aber auch hier
war nichts Näheres über die Art der Einwirkung des Sperma-
tozoids auf das Keimbläschen zu ermitteln gewesen. Da traf
es sich, daß im Frühjahr 1851 Hofmeister, mit Untersuchung
der Entwicklung der Vegetationsorgane der Farnkräuter beschäf-
tigt, mehrfach in den basilären das Keimbläschen einschließenden
Zellen der Archegonien von Farnen in Bewegung begriffene
Samenfäden selbst in der Mehrzahl das Keimbläschen umspielend
antraf. Ihre Bewegungen endeten während der Beobachtung
mit Eintritt der Veränderungen, welche der Inhalt durch Schnitte
blosgelegter jugendlicher Pflanzenzellen bei längerer Einwirkung
von Wasser zu erleiden pflegt." Spätere Beobachtungen lassen
jetzt keinen Zweifel darüber zu, daß einzelne Spermatozoiden
auch bei Muscineen und Farnen in das sogenannte Keimbläschen,
die nackte Eizelle des Archegoniums, eindringen.

Zunächst wurde die Frage jedoch an den Algen ent-
schieden, wo ohne störende Eingriffe der Befruchtungsvorgang
unmittelbar gesehen werden konnte. Daß nämlich auch bei den
Algen geschlechtliche Fortpflanzung stattfinde, lag sehr nahe, seit-
dem Decaisne und Thuret an den Fucusarten 1845,
Nägeli an den Florideen 1846, Organe aufgefunden hatten,
die eine andere Deutung kaum zuließen. Auch hatte schon Ale-
xander Braun auf die Bildung von zweierlei Sporen bei einer
großen Zahl von Süßwasseralgen hingewiesen. Mehr als bloße
Vermuthungen hatte man damit freilich noch nicht. Da bewies
1854 Thuret durch Experimente, daß bei der Gattung Fucus
die großen Eizellen von sehr kleinen schwärmenden Spermato-
zoiden befruchtet werden müssen, um die Keimung einzuleiten;
beiderlei Organe ließen sich hier in Menge gesondert sammeln,
und nach Belieben zur Befruchtung zusammenbringen; Thuret
erzielte auf diese Weise sogar Bastardbefruchtung. Pringsheim

Entdeckung der Sexualität der Kryptogamen.
chegonien von Farnen geſehen; was aber Leſczyc über die
Rolle angab, die ſie dort weiter ſpielen ſollten, erwies ſich als
auf Selbſttäuſchung beruhend. Hofmeiſter hatte bewegungslos
gewordene Samenfäden im mittleren Theile des Halskanales
von Archegonien des Schafthalmes beobachtet; aber auch hier
war nichts Näheres über die Art der Einwirkung des Sperma-
tozoids auf das Keimbläschen zu ermitteln geweſen. Da traf
es ſich, daß im Frühjahr 1851 Hofmeiſter, mit Unterſuchung
der Entwicklung der Vegetationsorgane der Farnkräuter beſchäf-
tigt, mehrfach in den baſilären das Keimbläschen einſchließenden
Zellen der Archegonien von Farnen in Bewegung begriffene
Samenfäden ſelbſt in der Mehrzahl das Keimbläschen umſpielend
antraf. Ihre Bewegungen endeten während der Beobachtung
mit Eintritt der Veränderungen, welche der Inhalt durch Schnitte
blosgelegter jugendlicher Pflanzenzellen bei längerer Einwirkung
von Waſſer zu erleiden pflegt.“ Spätere Beobachtungen laſſen
jetzt keinen Zweifel darüber zu, daß einzelne Spermatozoiden
auch bei Muscineen und Farnen in das ſogenannte Keimbläschen,
die nackte Eizelle des Archegoniums, eindringen.

Zunächſt wurde die Frage jedoch an den Algen ent-
ſchieden, wo ohne ſtörende Eingriffe der Befruchtungsvorgang
unmittelbar geſehen werden konnte. Daß nämlich auch bei den
Algen geſchlechtliche Fortpflanzung ſtattfinde, lag ſehr nahe, ſeit-
dem Decaiſne und Thuret an den Fucusarten 1845,
Nägeli an den Florideen 1846, Organe aufgefunden hatten,
die eine andere Deutung kaum zuließen. Auch hatte ſchon Ale-
xander Braun auf die Bildung von zweierlei Sporen bei einer
großen Zahl von Süßwaſſeralgen hingewieſen. Mehr als bloße
Vermuthungen hatte man damit freilich noch nicht. Da bewies
1854 Thuret durch Experimente, daß bei der Gattung Fucus
die großen Eizellen von ſehr kleinen ſchwärmenden Spermato-
zoiden befruchtet werden müſſen, um die Keimung einzuleiten;
beiderlei Organe ließen ſich hier in Menge geſondert ſammeln,
und nach Belieben zur Befruchtung zuſammenbringen; Thuret
erzielte auf dieſe Weiſe ſogar Baſtardbefruchtung. Pringsheim

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0489" n="477"/><fw place="top" type="header">Entdeckung der Sexualität der Kryptogamen.</fw><lb/>
chegonien von Farnen ge&#x017F;ehen; was aber <hi rendition="#g">Le&#x017F;czyc</hi> über die<lb/>
Rolle angab, die &#x017F;ie dort weiter &#x017F;pielen &#x017F;ollten, erwies &#x017F;ich als<lb/>
auf Selb&#x017F;ttäu&#x017F;chung beruhend. Hofmei&#x017F;ter hatte bewegungslos<lb/>
gewordene Samenfäden im mittleren Theile des Halskanales<lb/>
von Archegonien des Schafthalmes beobachtet; aber auch hier<lb/>
war nichts Näheres über die Art der Einwirkung des Sperma-<lb/>
tozoids auf das Keimbläschen zu ermitteln gewe&#x017F;en. Da traf<lb/>
es &#x017F;ich, daß im Frühjahr 1851 Hofmei&#x017F;ter, mit Unter&#x017F;uchung<lb/>
der Entwicklung der Vegetationsorgane der Farnkräuter be&#x017F;chäf-<lb/>
tigt, mehrfach in den ba&#x017F;ilären das Keimbläschen ein&#x017F;chließenden<lb/>
Zellen der Archegonien von Farnen in Bewegung begriffene<lb/>
Samenfäden &#x017F;elb&#x017F;t in der Mehrzahl das Keimbläschen um&#x017F;pielend<lb/>
antraf. Ihre Bewegungen endeten während der Beobachtung<lb/>
mit Eintritt der Veränderungen, welche der Inhalt durch Schnitte<lb/>
blosgelegter jugendlicher Pflanzenzellen bei längerer Einwirkung<lb/>
von Wa&#x017F;&#x017F;er zu erleiden pflegt.&#x201C; Spätere Beobachtungen la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
jetzt keinen Zweifel darüber zu, daß einzelne Spermatozoiden<lb/>
auch bei Muscineen und Farnen in das &#x017F;ogenannte Keimbläschen,<lb/>
die nackte Eizelle des Archegoniums, eindringen.</p><lb/>
            <p>Zunäch&#x017F;t wurde die Frage jedoch an den Algen ent-<lb/>
&#x017F;chieden, wo ohne &#x017F;törende Eingriffe der Befruchtungsvorgang<lb/>
unmittelbar ge&#x017F;ehen werden konnte. Daß nämlich auch bei den<lb/>
Algen ge&#x017F;chlechtliche Fortpflanzung &#x017F;tattfinde, lag &#x017F;ehr nahe, &#x017F;eit-<lb/>
dem <hi rendition="#g">Decai&#x017F;ne</hi> und <hi rendition="#g">Thuret</hi> an den Fucusarten 1845,<lb/><hi rendition="#g">Nägeli</hi> an den <hi rendition="#g">Florideen</hi> 1846, Organe aufgefunden hatten,<lb/>
die eine andere Deutung kaum zuließen. Auch hatte &#x017F;chon Ale-<lb/>
xander <hi rendition="#g">Braun</hi> auf die Bildung von zweierlei Sporen bei einer<lb/>
großen Zahl von Süßwa&#x017F;&#x017F;eralgen hingewie&#x017F;en. Mehr als bloße<lb/>
Vermuthungen hatte man damit freilich noch nicht. Da bewies<lb/>
1854 <hi rendition="#g">Thuret</hi> durch Experimente, daß bei der Gattung <hi rendition="#aq">Fucus</hi><lb/>
die großen Eizellen von &#x017F;ehr kleinen &#x017F;chwärmenden Spermato-<lb/>
zoiden befruchtet werden mü&#x017F;&#x017F;en, um die Keimung einzuleiten;<lb/>
beiderlei Organe ließen &#x017F;ich hier in Menge ge&#x017F;ondert &#x017F;ammeln,<lb/>
und nach Belieben zur Befruchtung zu&#x017F;ammenbringen; <hi rendition="#g">Thuret</hi><lb/>
erzielte auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e &#x017F;ogar Ba&#x017F;tardbefruchtung. <hi rendition="#g">Pringsheim</hi><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[477/0489] Entdeckung der Sexualität der Kryptogamen. chegonien von Farnen geſehen; was aber Leſczyc über die Rolle angab, die ſie dort weiter ſpielen ſollten, erwies ſich als auf Selbſttäuſchung beruhend. Hofmeiſter hatte bewegungslos gewordene Samenfäden im mittleren Theile des Halskanales von Archegonien des Schafthalmes beobachtet; aber auch hier war nichts Näheres über die Art der Einwirkung des Sperma- tozoids auf das Keimbläschen zu ermitteln geweſen. Da traf es ſich, daß im Frühjahr 1851 Hofmeiſter, mit Unterſuchung der Entwicklung der Vegetationsorgane der Farnkräuter beſchäf- tigt, mehrfach in den baſilären das Keimbläschen einſchließenden Zellen der Archegonien von Farnen in Bewegung begriffene Samenfäden ſelbſt in der Mehrzahl das Keimbläschen umſpielend antraf. Ihre Bewegungen endeten während der Beobachtung mit Eintritt der Veränderungen, welche der Inhalt durch Schnitte blosgelegter jugendlicher Pflanzenzellen bei längerer Einwirkung von Waſſer zu erleiden pflegt.“ Spätere Beobachtungen laſſen jetzt keinen Zweifel darüber zu, daß einzelne Spermatozoiden auch bei Muscineen und Farnen in das ſogenannte Keimbläschen, die nackte Eizelle des Archegoniums, eindringen. Zunächſt wurde die Frage jedoch an den Algen ent- ſchieden, wo ohne ſtörende Eingriffe der Befruchtungsvorgang unmittelbar geſehen werden konnte. Daß nämlich auch bei den Algen geſchlechtliche Fortpflanzung ſtattfinde, lag ſehr nahe, ſeit- dem Decaiſne und Thuret an den Fucusarten 1845, Nägeli an den Florideen 1846, Organe aufgefunden hatten, die eine andere Deutung kaum zuließen. Auch hatte ſchon Ale- xander Braun auf die Bildung von zweierlei Sporen bei einer großen Zahl von Süßwaſſeralgen hingewieſen. Mehr als bloße Vermuthungen hatte man damit freilich noch nicht. Da bewies 1854 Thuret durch Experimente, daß bei der Gattung Fucus die großen Eizellen von ſehr kleinen ſchwärmenden Spermato- zoiden befruchtet werden müſſen, um die Keimung einzuleiten; beiderlei Organe ließen ſich hier in Menge geſondert ſammeln, und nach Belieben zur Befruchtung zuſammenbringen; Thuret erzielte auf dieſe Weiſe ſogar Baſtardbefruchtung. Pringsheim

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/489
Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/489>, abgerufen am 13.05.2024.