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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Geschichte der Sexualität.
beobachtete 1855 zuerst die Bildung der Spermatozoiden in den
Hörnchen der Vaucheria und constatirte, daß ohne das Heran-
treten derselben an die Eizelle eine entwicklungsfähige, sogenannte
Oospore nicht gebildet wird. Zugleich fügte er den Angaben
Thuret's noch die sehr wichtige hinzu, daß in dem schon von
einer Haut umgebenen befruchteten Fucus-Ei an der Oberfläche
der Inhaltsmasse die Reste von Spermatozoiden zu erkennen seien.
Ziemlich gleichzeitig veröffentlichte Cohn seine Beobachtungen
über Sphaeroplea annulina, wo er ebenfalls das Herantreten
von Spermatozoiden an die Eizellen constatirte, welche in Folge
dessen, wie bei Fucus und Vaucheria, sich zunächst mit einer
Zellhaut umkleiden und zu weiterer Entwicklung befähigt werden.

Noch immer aber war die entscheidende Beobachtung nicht
gemacht, noch Niemand hatte gesehen, wie die beiden Befruch-
tungselemente im Augenblick der Befruchtung sich verhalten.
Dieß gelang Pringsheim 1856 bei einer der gemeinsten Süß-
wasseralgen, dem Oedogonium. Hier sah er das bewegliche
Spermatozoid mit der protoplasmatischen Substanz der Eizelle
zunächst in Berührung treten, dann aber in dieselbe ein-
dringen und mit ihr verschmelzend zerfließen. Es
war so die erste Beobachtung gemacht, welche mit Bestimmtheit
zeigte, daß eine wirkliche Vermischung der männlichen und weib-
lichen Befruchtungselemente stattfinde und noch in demselben Jahr
wurde diese wichtige Thatsache auch von De Bary bestätigt.

War nun einmal festgestellt, daß die Befruchtung der Krypto-
gamen in einer Verschmelzung zweier nackter Protoplasmakörper,
des Spermatozoids und der Eizelle besteht, so konnte man folge-
richtig auch die Conjugation der Spirogyren, überhaupt der
Conjugaten nunmehr als einen Befruchtungsakt auffassen, nur
daß hier die beiden Befruchtungselemente nicht von verschiedener
Größe und Gestalt, sondern von gleichem Aussehen sind. Zu
dieser Schlußfolgerung gelangte De Bary 1858 in seiner
Monographie der Conjugaten. Für die Theorie der Sexualität
war diese Erweiterung des Begriffs Befruchtung auch auf solche
Fälle, wo die verschmelzenden Zellen äußerlich gleichartig zu

Geſchichte der Sexualität.
beobachtete 1855 zuerſt die Bildung der Spermatozoiden in den
Hörnchen der Vaucheria und conſtatirte, daß ohne das Heran-
treten derſelben an die Eizelle eine entwicklungsfähige, ſogenannte
Ooſpore nicht gebildet wird. Zugleich fügte er den Angaben
Thuret's noch die ſehr wichtige hinzu, daß in dem ſchon von
einer Haut umgebenen befruchteten Fucus-Ei an der Oberfläche
der Inhaltsmaſſe die Reſte von Spermatozoiden zu erkennen ſeien.
Ziemlich gleichzeitig veröffentlichte Cohn ſeine Beobachtungen
über Sphaeroplea annulina, wo er ebenfalls das Herantreten
von Spermatozoiden an die Eizellen conſtatirte, welche in Folge
deſſen, wie bei Fucus und Vaucheria, ſich zunächſt mit einer
Zellhaut umkleiden und zu weiterer Entwicklung befähigt werden.

Noch immer aber war die entſcheidende Beobachtung nicht
gemacht, noch Niemand hatte geſehen, wie die beiden Befruch-
tungselemente im Augenblick der Befruchtung ſich verhalten.
Dieß gelang Pringsheim 1856 bei einer der gemeinſten Süß-
waſſeralgen, dem Oedogonium. Hier ſah er das bewegliche
Spermatozoid mit der protoplasmatiſchen Subſtanz der Eizelle
zunächſt in Berührung treten, dann aber in dieſelbe ein-
dringen und mit ihr verſchmelzend zerfließen. Es
war ſo die erſte Beobachtung gemacht, welche mit Beſtimmtheit
zeigte, daß eine wirkliche Vermiſchung der männlichen und weib-
lichen Befruchtungselemente ſtattfinde und noch in demſelben Jahr
wurde dieſe wichtige Thatſache auch von De Bary beſtätigt.

War nun einmal feſtgeſtellt, daß die Befruchtung der Krypto-
gamen in einer Verſchmelzung zweier nackter Protoplasmakörper,
des Spermatozoids und der Eizelle beſteht, ſo konnte man folge-
richtig auch die Conjugation der Spirogyren, überhaupt der
Conjugaten nunmehr als einen Befruchtungsakt auffaſſen, nur
daß hier die beiden Befruchtungselemente nicht von verſchiedener
Größe und Geſtalt, ſondern von gleichem Ausſehen ſind. Zu
dieſer Schlußfolgerung gelangte De Bary 1858 in ſeiner
Monographie der Conjugaten. Für die Theorie der Sexualität
war dieſe Erweiterung des Begriffs Befruchtung auch auf ſolche
Fälle, wo die verſchmelzenden Zellen äußerlich gleichartig zu

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[478/0490] Geſchichte der Sexualität. beobachtete 1855 zuerſt die Bildung der Spermatozoiden in den Hörnchen der Vaucheria und conſtatirte, daß ohne das Heran- treten derſelben an die Eizelle eine entwicklungsfähige, ſogenannte Ooſpore nicht gebildet wird. Zugleich fügte er den Angaben Thuret's noch die ſehr wichtige hinzu, daß in dem ſchon von einer Haut umgebenen befruchteten Fucus-Ei an der Oberfläche der Inhaltsmaſſe die Reſte von Spermatozoiden zu erkennen ſeien. Ziemlich gleichzeitig veröffentlichte Cohn ſeine Beobachtungen über Sphaeroplea annulina, wo er ebenfalls das Herantreten von Spermatozoiden an die Eizellen conſtatirte, welche in Folge deſſen, wie bei Fucus und Vaucheria, ſich zunächſt mit einer Zellhaut umkleiden und zu weiterer Entwicklung befähigt werden. Noch immer aber war die entſcheidende Beobachtung nicht gemacht, noch Niemand hatte geſehen, wie die beiden Befruch- tungselemente im Augenblick der Befruchtung ſich verhalten. Dieß gelang Pringsheim 1856 bei einer der gemeinſten Süß- waſſeralgen, dem Oedogonium. Hier ſah er das bewegliche Spermatozoid mit der protoplasmatiſchen Subſtanz der Eizelle zunächſt in Berührung treten, dann aber in dieſelbe ein- dringen und mit ihr verſchmelzend zerfließen. Es war ſo die erſte Beobachtung gemacht, welche mit Beſtimmtheit zeigte, daß eine wirkliche Vermiſchung der männlichen und weib- lichen Befruchtungselemente ſtattfinde und noch in demſelben Jahr wurde dieſe wichtige Thatſache auch von De Bary beſtätigt. War nun einmal feſtgeſtellt, daß die Befruchtung der Krypto- gamen in einer Verſchmelzung zweier nackter Protoplasmakörper, des Spermatozoids und der Eizelle beſteht, ſo konnte man folge- richtig auch die Conjugation der Spirogyren, überhaupt der Conjugaten nunmehr als einen Befruchtungsakt auffaſſen, nur daß hier die beiden Befruchtungselemente nicht von verſchiedener Größe und Geſtalt, ſondern von gleichem Ausſehen ſind. Zu dieſer Schlußfolgerung gelangte De Bary 1858 in ſeiner Monographie der Conjugaten. Für die Theorie der Sexualität war dieſe Erweiterung des Begriffs Befruchtung auch auf ſolche Fälle, wo die verſchmelzenden Zellen äußerlich gleichartig zu

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/490>, abgerufen am 13.05.2024.