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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Geschichte der Sexualität.
Untersuchungen," wo nunmehr auch die Keimbildung der Coni-
feren als die Vermittlungsform zwischen der der Kryptogamen
und Phanerogamen dargestellt wurde. Weitere Ergänzungen
folgten: Henfrey bestätigt Hofmeisters Ergebnisse bei den
Farnen, 1852 beobachteten Hofmeister und Milde die Befrucht-
ungsgeschichte der Equiseten, Hofmeister gab gleichzeitig die voll-
ständige Entwicklungsgeschichte von Isoetes, 1855 beschrieb er
die entscheidenden Momente bei Botrychium und Mettenius
1856 bei Ophioglossum.

Durch alle diese Entdeckungen waren die vor und nach der
Befruchtung stattfindenden Entwicklungsvorgänge aufgeklärt, aber
noch fehlte die directe Beobachtung des Befruchtungsactes selbst.
Hofmeister schildert (Flora 1857 p. 122) die damalige Sachlage
folgendermaßen:

"Hatten die zahlreichen Untersuchungen helles Licht über die
Beschaffenheit der männlichen und weiblichen Organe, wie über
die Art und Weise der Entstehung des Embryo durch fortge-
setzte Theilung des schon vor der Befruchtung in letzteren vor-
handenen Keimbläschens sich verbreitet, so blieb doch das eigent-
liche Wesen der Befruchtung völlig dunkel. Durch Beobachtung
und Versuch war es genügend festgestellt, daß es der Einwirkung
von Samenfäden auf die Archegonien bedürfe, um in diesen einen
Embryo zu erzeugen. Weibliche, von den männlichen entfernte
Moospflanzen, 1) von den Mikrosporen getrennte Makrosporen
von Gefäßkryptogamen hatten in allen Fällen sich steril erwiesen;
aber selbst darüber war keine Sicherheit erlangt worden, bis zu
welchem Puncte der weiblichen Organe die Samenfäden vor-
dringen. Zwar hatten Lesczyc und später Mercklin den Ein-
tritt beweglicher Samenfäden in die Mündungsöffnung der Ar-

1) W. P. Schimper hatte 1850 in seinen Recherches anatomiques
et morphologiques sur les Mousses
werthvolle Angaben über die Unfrucht-
barkeit solcher weiblicher Laubmoose gemacht, welche weit entfernt von männ-
lichen Exemplaren wachsen und Fälle nachgewiesen, wo das Vorkommen
männlicher Moose unter sonst unfruchtbaren weiblichen, deren Fruchtbarkeit
herbeiführt.

Geſchichte der Sexualität.
Unterſuchungen,“ wo nunmehr auch die Keimbildung der Coni-
feren als die Vermittlungsform zwiſchen der der Kryptogamen
und Phanerogamen dargeſtellt wurde. Weitere Ergänzungen
folgten: Henfrey beſtätigt Hofmeiſters Ergebniſſe bei den
Farnen, 1852 beobachteten Hofmeiſter und Milde die Befrucht-
ungsgeſchichte der Equiſeten, Hofmeiſter gab gleichzeitig die voll-
ſtändige Entwicklungsgeſchichte von Isoetes, 1855 beſchrieb er
die entſcheidenden Momente bei Botrychium und Mettenius
1856 bei Ophioglossum.

Durch alle dieſe Entdeckungen waren die vor und nach der
Befruchtung ſtattfindenden Entwicklungsvorgänge aufgeklärt, aber
noch fehlte die directe Beobachtung des Befruchtungsactes ſelbſt.
Hofmeiſter ſchildert (Flora 1857 p. 122) die damalige Sachlage
folgendermaßen:

„Hatten die zahlreichen Unterſuchungen helles Licht über die
Beſchaffenheit der männlichen und weiblichen Organe, wie über
die Art und Weiſe der Entſtehung des Embryo durch fortge-
ſetzte Theilung des ſchon vor der Befruchtung in letzteren vor-
handenen Keimbläschens ſich verbreitet, ſo blieb doch das eigent-
liche Weſen der Befruchtung völlig dunkel. Durch Beobachtung
und Verſuch war es genügend feſtgeſtellt, daß es der Einwirkung
von Samenfäden auf die Archegonien bedürfe, um in dieſen einen
Embryo zu erzeugen. Weibliche, von den männlichen entfernte
Moospflanzen, 1) von den Mikrosporen getrennte Makrosporen
von Gefäßkryptogamen hatten in allen Fällen ſich ſteril erwieſen;
aber ſelbſt darüber war keine Sicherheit erlangt worden, bis zu
welchem Puncte der weiblichen Organe die Samenfäden vor-
dringen. Zwar hatten Leſczyc und ſpäter Mercklin den Ein-
tritt beweglicher Samenfäden in die Mündungsöffnung der Ar-

1) W. P. Schimper hatte 1850 in ſeinen Recherches anatomiques
et morphologiques sur les Mousses
werthvolle Angaben über die Unfrucht-
barkeit ſolcher weiblicher Laubmooſe gemacht, welche weit entfernt von männ-
lichen Exemplaren wachſen und Fälle nachgewieſen, wo das Vorkommen
männlicher Mooſe unter ſonſt unfruchtbaren weiblichen, deren Fruchtbarkeit
herbeiführt.
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[476/0488] Geſchichte der Sexualität. Unterſuchungen,“ wo nunmehr auch die Keimbildung der Coni- feren als die Vermittlungsform zwiſchen der der Kryptogamen und Phanerogamen dargeſtellt wurde. Weitere Ergänzungen folgten: Henfrey beſtätigt Hofmeiſters Ergebniſſe bei den Farnen, 1852 beobachteten Hofmeiſter und Milde die Befrucht- ungsgeſchichte der Equiſeten, Hofmeiſter gab gleichzeitig die voll- ſtändige Entwicklungsgeſchichte von Isoetes, 1855 beſchrieb er die entſcheidenden Momente bei Botrychium und Mettenius 1856 bei Ophioglossum. Durch alle dieſe Entdeckungen waren die vor und nach der Befruchtung ſtattfindenden Entwicklungsvorgänge aufgeklärt, aber noch fehlte die directe Beobachtung des Befruchtungsactes ſelbſt. Hofmeiſter ſchildert (Flora 1857 p. 122) die damalige Sachlage folgendermaßen: „Hatten die zahlreichen Unterſuchungen helles Licht über die Beſchaffenheit der männlichen und weiblichen Organe, wie über die Art und Weiſe der Entſtehung des Embryo durch fortge- ſetzte Theilung des ſchon vor der Befruchtung in letzteren vor- handenen Keimbläschens ſich verbreitet, ſo blieb doch das eigent- liche Weſen der Befruchtung völlig dunkel. Durch Beobachtung und Verſuch war es genügend feſtgeſtellt, daß es der Einwirkung von Samenfäden auf die Archegonien bedürfe, um in dieſen einen Embryo zu erzeugen. Weibliche, von den männlichen entfernte Moospflanzen, 1) von den Mikrosporen getrennte Makrosporen von Gefäßkryptogamen hatten in allen Fällen ſich ſteril erwieſen; aber ſelbſt darüber war keine Sicherheit erlangt worden, bis zu welchem Puncte der weiblichen Organe die Samenfäden vor- dringen. Zwar hatten Leſczyc und ſpäter Mercklin den Ein- tritt beweglicher Samenfäden in die Mündungsöffnung der Ar- 1) W. P. Schimper hatte 1850 in ſeinen Recherches anatomiques et morphologiques sur les Mousses werthvolle Angaben über die Unfrucht- barkeit ſolcher weiblicher Laubmooſe gemacht, welche weit entfernt von männ- lichen Exemplaren wachſen und Fälle nachgewieſen, wo das Vorkommen männlicher Mooſe unter ſonſt unfruchtbaren weiblichen, deren Fruchtbarkeit herbeiführt.

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/488>, abgerufen am 22.11.2024.