Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Geschichte der Sexualtheorie.
tur der Saftblumen auf diesen Endzweck abzielt und
sich aus demselben vollständig erklären läßt.
Den
Hauptbeweis für diesen wichtigen Satz findet er in der Dicho-
gamie.

"Nachdem, sagt er (bei den Dichogamisten), die Blume sich
geöffnet hat, so haben oder erhalten die Filamente entweder alle
zugleich oder eines nach dem andern eine bestimmte Stellung, in
welcher ihre Antheren sich öffnen und ihren Staub zur Be-
fruchtung darbieten. Unterdessen aber befindet sich das Stigma
an einer von den Antheren entfernten Stelle und ist noch klein
und fest geschlossen. Es kann also der Staub der Antheren
schlechterdings weder auf eine mechanische Art, noch durch ein
Insekt auf das Stigma gebracht werden, weil es noch nicht exi-
stirt. Dieser Zustand währt eine bestimmte Zeit. Wenn nach
Verfließung derselben die Antheren keinen Staub mehr haben,
so gehen mit den Filamenten verschiedene Veränderungen vor,
deren Resultat dieses ist, daß die Antheren nicht mehr die Stell-
ung einnehmen, die sie vorher eingenommen hatten. Unterdessen
hat sich das Pistill so verändert, daß nun das Stigma gerade
an der Stelle sich befindet, wo vorher die Antheren waren, und
da es sich nun auch öffnet, oder die Theile, aus denen es be-
steht, von einander breitet, nun öfters ungefähr denselben Raum
einnimmt, welchen vorher die Antheren eingenommen haben.
Nun ist aber diejenige Stelle wo anfänglich die blühenden An-
theren und hernach das blühende Stigma sich befinden, in jeder
Blume so gewählt, daß das Insekt, für welches die Blume be-
stimmt ist, nicht anders zum Saft gelangen kann, als daß es
zugleich mit einem Theil seines Körpers in der jungen Blume
die Antheren und in der älteren das Stigma berührt, den Staub
von jenen abstreift und auf dieses bringt und auf solche Art
der Staub der jüngeren Blume die ältere befruchtet." Es wurde
schon erwähnt, daß Sprengel nicht nur diese, sondern auch die
entgegengesetzte Form der Dichogamie kannte und im Anschluß
an diese Auseinandersetzung hebt er hervor, daß manche Blumen
nur mit Hülfe der Insekten befruchtet werden können, daß in

Geſchichte der Sexualtheorie.
tur der Saftblumen auf dieſen Endzweck abzielt und
ſich aus demſelben vollſtändig erklären läßt.
Den
Hauptbeweis für dieſen wichtigen Satz findet er in der Dicho-
gamie.

„Nachdem, ſagt er (bei den Dichogamiſten), die Blume ſich
geöffnet hat, ſo haben oder erhalten die Filamente entweder alle
zugleich oder eines nach dem andern eine beſtimmte Stellung, in
welcher ihre Antheren ſich öffnen und ihren Staub zur Be-
fruchtung darbieten. Unterdeſſen aber befindet ſich das Stigma
an einer von den Antheren entfernten Stelle und iſt noch klein
und feſt geſchloſſen. Es kann alſo der Staub der Antheren
ſchlechterdings weder auf eine mechaniſche Art, noch durch ein
Inſekt auf das Stigma gebracht werden, weil es noch nicht exi-
ſtirt. Dieſer Zuſtand währt eine beſtimmte Zeit. Wenn nach
Verfließung derſelben die Antheren keinen Staub mehr haben,
ſo gehen mit den Filamenten verſchiedene Veränderungen vor,
deren Reſultat dieſes iſt, daß die Antheren nicht mehr die Stell-
ung einnehmen, die ſie vorher eingenommen hatten. Unterdeſſen
hat ſich das Piſtill ſo verändert, daß nun das Stigma gerade
an der Stelle ſich befindet, wo vorher die Antheren waren, und
da es ſich nun auch öffnet, oder die Theile, aus denen es be-
ſteht, von einander breitet, nun öfters ungefähr denſelben Raum
einnimmt, welchen vorher die Antheren eingenommen haben.
Nun iſt aber diejenige Stelle wo anfänglich die blühenden An-
theren und hernach das blühende Stigma ſich befinden, in jeder
Blume ſo gewählt, daß das Inſekt, für welches die Blume be-
ſtimmt iſt, nicht anders zum Saft gelangen kann, als daß es
zugleich mit einem Theil ſeines Körpers in der jungen Blume
die Antheren und in der älteren das Stigma berührt, den Staub
von jenen abſtreift und auf dieſes bringt und auf ſolche Art
der Staub der jüngeren Blume die ältere befruchtet.“ Es wurde
ſchon erwähnt, daß Sprengel nicht nur dieſe, ſondern auch die
entgegengeſetzte Form der Dichogamie kannte und im Anſchluß
an dieſe Auseinanderſetzung hebt er hervor, daß manche Blumen
nur mit Hülfe der Inſekten befruchtet werden können, daß in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0464" n="452"/><fw place="top" type="header">Ge&#x017F;chichte der Sexualtheorie.</fw><lb/><hi rendition="#g">tur der Saftblumen auf die&#x017F;en Endzweck abzielt und<lb/>
&#x017F;ich aus dem&#x017F;elben voll&#x017F;tändig erklären läßt.</hi> Den<lb/>
Hauptbeweis für die&#x017F;en wichtigen Satz findet er in der Dicho-<lb/>
gamie.</p><lb/>
            <p>&#x201E;Nachdem, &#x017F;agt er (bei den Dichogami&#x017F;ten), die Blume &#x017F;ich<lb/>
geöffnet hat, &#x017F;o haben oder erhalten die Filamente entweder alle<lb/>
zugleich oder eines nach dem andern eine be&#x017F;timmte Stellung, in<lb/>
welcher ihre Antheren &#x017F;ich öffnen und ihren Staub zur Be-<lb/>
fruchtung darbieten. Unterde&#x017F;&#x017F;en aber befindet &#x017F;ich das Stigma<lb/>
an einer von den Antheren entfernten Stelle und i&#x017F;t noch klein<lb/>
und fe&#x017F;t ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. Es kann al&#x017F;o der Staub der Antheren<lb/>
&#x017F;chlechterdings weder auf eine mechani&#x017F;che Art, noch durch ein<lb/>
In&#x017F;ekt auf das Stigma gebracht werden, weil es noch nicht exi-<lb/>
&#x017F;tirt. Die&#x017F;er Zu&#x017F;tand währt eine be&#x017F;timmte Zeit. Wenn nach<lb/>
Verfließung der&#x017F;elben die Antheren keinen Staub mehr haben,<lb/>
&#x017F;o gehen mit den Filamenten ver&#x017F;chiedene Veränderungen vor,<lb/>
deren Re&#x017F;ultat die&#x017F;es i&#x017F;t, daß die Antheren nicht mehr die Stell-<lb/>
ung einnehmen, die &#x017F;ie vorher eingenommen hatten. Unterde&#x017F;&#x017F;en<lb/>
hat &#x017F;ich das Pi&#x017F;till &#x017F;o verändert, daß nun das Stigma gerade<lb/>
an der Stelle &#x017F;ich befindet, wo vorher die Antheren waren, und<lb/>
da es &#x017F;ich nun auch öffnet, oder die Theile, aus denen es be-<lb/>
&#x017F;teht, von einander breitet, nun öfters ungefähr den&#x017F;elben Raum<lb/>
einnimmt, welchen vorher die Antheren eingenommen haben.<lb/>
Nun i&#x017F;t aber diejenige Stelle wo anfänglich die blühenden An-<lb/>
theren und hernach das blühende Stigma &#x017F;ich befinden, in jeder<lb/>
Blume &#x017F;o gewählt, daß das In&#x017F;ekt, für welches die Blume be-<lb/>
&#x017F;timmt i&#x017F;t, nicht anders zum Saft gelangen kann, als daß es<lb/>
zugleich mit einem Theil &#x017F;eines Körpers in der jungen Blume<lb/>
die Antheren und in der älteren das Stigma berührt, den Staub<lb/>
von jenen ab&#x017F;treift und auf die&#x017F;es bringt und auf &#x017F;olche Art<lb/>
der Staub der jüngeren Blume die ältere befruchtet.&#x201C; Es wurde<lb/>
&#x017F;chon erwähnt, daß Sprengel nicht nur die&#x017F;e, &#x017F;ondern auch die<lb/>
entgegenge&#x017F;etzte Form der Dichogamie kannte und im An&#x017F;chluß<lb/>
an die&#x017F;e Auseinander&#x017F;etzung hebt er hervor, daß manche Blumen<lb/><hi rendition="#g">nur</hi> mit Hülfe der In&#x017F;ekten befruchtet werden können, daß in<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[452/0464] Geſchichte der Sexualtheorie. tur der Saftblumen auf dieſen Endzweck abzielt und ſich aus demſelben vollſtändig erklären läßt. Den Hauptbeweis für dieſen wichtigen Satz findet er in der Dicho- gamie. „Nachdem, ſagt er (bei den Dichogamiſten), die Blume ſich geöffnet hat, ſo haben oder erhalten die Filamente entweder alle zugleich oder eines nach dem andern eine beſtimmte Stellung, in welcher ihre Antheren ſich öffnen und ihren Staub zur Be- fruchtung darbieten. Unterdeſſen aber befindet ſich das Stigma an einer von den Antheren entfernten Stelle und iſt noch klein und feſt geſchloſſen. Es kann alſo der Staub der Antheren ſchlechterdings weder auf eine mechaniſche Art, noch durch ein Inſekt auf das Stigma gebracht werden, weil es noch nicht exi- ſtirt. Dieſer Zuſtand währt eine beſtimmte Zeit. Wenn nach Verfließung derſelben die Antheren keinen Staub mehr haben, ſo gehen mit den Filamenten verſchiedene Veränderungen vor, deren Reſultat dieſes iſt, daß die Antheren nicht mehr die Stell- ung einnehmen, die ſie vorher eingenommen hatten. Unterdeſſen hat ſich das Piſtill ſo verändert, daß nun das Stigma gerade an der Stelle ſich befindet, wo vorher die Antheren waren, und da es ſich nun auch öffnet, oder die Theile, aus denen es be- ſteht, von einander breitet, nun öfters ungefähr denſelben Raum einnimmt, welchen vorher die Antheren eingenommen haben. Nun iſt aber diejenige Stelle wo anfänglich die blühenden An- theren und hernach das blühende Stigma ſich befinden, in jeder Blume ſo gewählt, daß das Inſekt, für welches die Blume be- ſtimmt iſt, nicht anders zum Saft gelangen kann, als daß es zugleich mit einem Theil ſeines Körpers in der jungen Blume die Antheren und in der älteren das Stigma berührt, den Staub von jenen abſtreift und auf dieſes bringt und auf ſolche Art der Staub der jüngeren Blume die ältere befruchtet.“ Es wurde ſchon erwähnt, daß Sprengel nicht nur dieſe, ſondern auch die entgegengeſetzte Form der Dichogamie kannte und im Anſchluß an dieſe Auseinanderſetzung hebt er hervor, daß manche Blumen nur mit Hülfe der Inſekten befruchtet werden können, daß in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/464
Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/464>, abgerufen am 13.05.2024.