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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Weiterer Ausbau der Sexualtheorie etc. etc.
manchen Fällen sogar Blütheneinrichtungen vorhanden sind,
durch welche die helfenden Insekten selbst beschädigt und zu
Tode gemartert werden. "Alle Blumen, heißt es weiterhin,
welche keine eigentliche Krone, noch an der Stelle derselben einen
ansehnlichen Kelch haben -- -- sind saftleer und werden nicht
von den Insekten, sondern auf eine mechanische Art, nämlich
durch den Wind befruchtet, welcher entweder den Staub von den
Antheren ab und an die Stigmata anweht, oder dadurch, daß
er die Pflanze oder die Blume schüttelt, verursacht, daß der
Staub von den Antheren herab und auf die Stigmata fällt."
Er weist auch darauf hin, daß solche Blumen immer sehr viel
Pollen erzeugen, und daß dieser leicht beweglich, bei den Saft-
blumen dagegen schwer beweglich ist. Und nun entwickelt er
weiter, wie nach seinen Principien alle physiologischen Eigen-
schaften, Stellung, Größe, Farbe, Geruch, Form, Blüthezeit
u. s. w. der Blumen verstanden werden können.

Sprengel war davon ausgegangen, daß der Nektar der
Blumen und gewisse Einrichtungen der letzteren ausdrücklich dazu
erschaffen worden sind, um den Insecten zu dienen; der Verfolg
seiner Untersuchungen führte ihn aber schließlich zu dem Resultat,
daß die Insekten selbst dazu dienen, nicht nur die Bestäubung
überhaupt zu vermitteln, sondern zu bewirken, daß bei der Be-
fruchtung für gewöhnlich eine Kreuzung zwischen verschiedenen
Blüthen einer Pflanze oder zwischen Pflanzen einer Species statt-
findet. Es blieb nun eine Frage, die gerade von dem streng
teleologischen Standpunct Sprengel's aus noch der Beantwortung
bedurfte, die Frage nämlich, welchen Zweck diese Kreuzung der
Blüthen oder Individuen haben könne. Sprengel begnügte sich,
wie schon hervorgehoben, die Thatsache einfach auszusprechen,
indem er sagte, die Natur scheine es nicht haben zu wollen, daß
irgend eine Blume durch ihren eigenen Staub befruchtet werde.
Wer möchte dem Entdecker so merkwürdiger und umfassender
Naturerscheinungen einen Vorwurf daraus machen, daß er nicht
auch diese letzte Frage beantwortete und die von ihm geschaffene
Lehre ihrem letzten Abschluß entgegenführte? Zumal in diesem

Weiterer Ausbau der Sexualtheorie etc. etc.
manchen Fällen ſogar Blütheneinrichtungen vorhanden ſind,
durch welche die helfenden Inſekten ſelbſt beſchädigt und zu
Tode gemartert werden. „Alle Blumen, heißt es weiterhin,
welche keine eigentliche Krone, noch an der Stelle derſelben einen
anſehnlichen Kelch haben — — ſind ſaftleer und werden nicht
von den Inſekten, ſondern auf eine mechaniſche Art, nämlich
durch den Wind befruchtet, welcher entweder den Staub von den
Antheren ab und an die Stigmata anweht, oder dadurch, daß
er die Pflanze oder die Blume ſchüttelt, verurſacht, daß der
Staub von den Antheren herab und auf die Stigmata fällt.“
Er weiſt auch darauf hin, daß ſolche Blumen immer ſehr viel
Pollen erzeugen, und daß dieſer leicht beweglich, bei den Saft-
blumen dagegen ſchwer beweglich iſt. Und nun entwickelt er
weiter, wie nach ſeinen Principien alle phyſiologiſchen Eigen-
ſchaften, Stellung, Größe, Farbe, Geruch, Form, Blüthezeit
u. ſ. w. der Blumen verſtanden werden können.

Sprengel war davon ausgegangen, daß der Nektar der
Blumen und gewiſſe Einrichtungen der letzteren ausdrücklich dazu
erſchaffen worden ſind, um den Inſecten zu dienen; der Verfolg
ſeiner Unterſuchungen führte ihn aber ſchließlich zu dem Reſultat,
daß die Inſekten ſelbſt dazu dienen, nicht nur die Beſtäubung
überhaupt zu vermitteln, ſondern zu bewirken, daß bei der Be-
fruchtung für gewöhnlich eine Kreuzung zwiſchen verſchiedenen
Blüthen einer Pflanze oder zwiſchen Pflanzen einer Species ſtatt-
findet. Es blieb nun eine Frage, die gerade von dem ſtreng
teleologiſchen Standpunct Sprengel's aus noch der Beantwortung
bedurfte, die Frage nämlich, welchen Zweck dieſe Kreuzung der
Blüthen oder Individuen haben könne. Sprengel begnügte ſich,
wie ſchon hervorgehoben, die Thatſache einfach auszuſprechen,
indem er ſagte, die Natur ſcheine es nicht haben zu wollen, daß
irgend eine Blume durch ihren eigenen Staub befruchtet werde.
Wer möchte dem Entdecker ſo merkwürdiger und umfaſſender
Naturerſcheinungen einen Vorwurf daraus machen, daß er nicht
auch dieſe letzte Frage beantwortete und die von ihm geſchaffene
Lehre ihrem letzten Abſchluß entgegenführte? Zumal in dieſem

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[453/0465] Weiterer Ausbau der Sexualtheorie etc. etc. manchen Fällen ſogar Blütheneinrichtungen vorhanden ſind, durch welche die helfenden Inſekten ſelbſt beſchädigt und zu Tode gemartert werden. „Alle Blumen, heißt es weiterhin, welche keine eigentliche Krone, noch an der Stelle derſelben einen anſehnlichen Kelch haben — — ſind ſaftleer und werden nicht von den Inſekten, ſondern auf eine mechaniſche Art, nämlich durch den Wind befruchtet, welcher entweder den Staub von den Antheren ab und an die Stigmata anweht, oder dadurch, daß er die Pflanze oder die Blume ſchüttelt, verurſacht, daß der Staub von den Antheren herab und auf die Stigmata fällt.“ Er weiſt auch darauf hin, daß ſolche Blumen immer ſehr viel Pollen erzeugen, und daß dieſer leicht beweglich, bei den Saft- blumen dagegen ſchwer beweglich iſt. Und nun entwickelt er weiter, wie nach ſeinen Principien alle phyſiologiſchen Eigen- ſchaften, Stellung, Größe, Farbe, Geruch, Form, Blüthezeit u. ſ. w. der Blumen verſtanden werden können. Sprengel war davon ausgegangen, daß der Nektar der Blumen und gewiſſe Einrichtungen der letzteren ausdrücklich dazu erſchaffen worden ſind, um den Inſecten zu dienen; der Verfolg ſeiner Unterſuchungen führte ihn aber ſchließlich zu dem Reſultat, daß die Inſekten ſelbſt dazu dienen, nicht nur die Beſtäubung überhaupt zu vermitteln, ſondern zu bewirken, daß bei der Be- fruchtung für gewöhnlich eine Kreuzung zwiſchen verſchiedenen Blüthen einer Pflanze oder zwiſchen Pflanzen einer Species ſtatt- findet. Es blieb nun eine Frage, die gerade von dem ſtreng teleologiſchen Standpunct Sprengel's aus noch der Beantwortung bedurfte, die Frage nämlich, welchen Zweck dieſe Kreuzung der Blüthen oder Individuen haben könne. Sprengel begnügte ſich, wie ſchon hervorgehoben, die Thatſache einfach auszuſprechen, indem er ſagte, die Natur ſcheine es nicht haben zu wollen, daß irgend eine Blume durch ihren eigenen Staub befruchtet werde. Wer möchte dem Entdecker ſo merkwürdiger und umfaſſender Naturerſcheinungen einen Vorwurf daraus machen, daß er nicht auch dieſe letzte Frage beantwortete und die von ihm geſchaffene Lehre ihrem letzten Abſchluß entgegenführte? Zumal in dieſem

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/465>, abgerufen am 13.05.2024.