reizbaren Staubfäden von Opuntia, Berberis und Cistus in Betracht, und entdeckte seinerseits die Reizbarkeit der Narben- lappen von Martynia proboscidea und Bignonia radicans. Hier erkannte er, daß die Narbenlappen mechanisch gereizt, sich schließen, bald aber wieder öffnen; wenn sie dagegen mit Pollen belegt werden, so lange geschlossen bleiben, bis die Befruchtung gesichert ist.
Wie vollkommen die Bestäubung der Blüthen durch In- secten ausgeführt wird, stellte er durch einen vergleichenden Ver- such fest, wo 310 Blumen mit dem Pinsel künstlich, ebensoviele von den Insecten bestäubt wurden; die Samenbildung der letz- teren blieb nur wenig hinter der jener zurück, obgleich die In- secten von ungünstigem Wetter behindert waren.
Ebenso suchte er die Zeit festzustellen, welche von der Auf- tragung des Pollens aus gerechnet nöthig ist, um die zur Be- fruchtung erforderliche Quantität "Samenstoff" in den Frucht- knoten gelangen zu lassen; auch zeigte er, daß die Bestäubung auch im Finstern die Befruchtung bewirkt; spätere Botaniker behaup- teten zwar das Gegentheil, aber mit Unrecht.
Weniger glücklich war Koelreuter mit seinen Beobacht- ungen über die Structur der Pollenkörner, da es sich hier ausschließlich um mikroskopische Beobachtungen handelte und ge- rade in jener Zeit die Mikroskope noch sehr mangelhaft waren. Dennoch sah er, daß die Haut des Pollenkornes aus zwei iso- lirten Schichten besteht, erkannte die Stacheln und sonstigen Skulpturverhältnisse der äußeren Schicht und ihre Elasticität; bei Passiflora coerulea beobachtete er die Deckel an den Lö- chern der Exine und bei den in Wasser gelegten Pollenkörnern sah er sogar die innere Haut in Form zapfenartiger Ausstülp- ungen hervortreten, die dann freilich zerissen und den Inhalt ausgossen. Doch deutete er die von ihm gesehenen Pollenschlauch- anfänge unrichtig, indem er annahm, diese Ausstülpungen hät- ten den Zweck, das Platzen befeuchteter Pollenkörner zu verhin- dern. Klarer wurde man über diesen Punct jedoch erst 60-70 Jahre später. Koelreuter hielt den Inhalt des Pollens für ein
Weiterer Ausbau der Sexualtheorie etc. etc.
reizbaren Staubfäden von Opuntia, Berberis und Cistus in Betracht, und entdeckte ſeinerſeits die Reizbarkeit der Narben- lappen von Martynia proboscidea und Bignonia radicans. Hier erkannte er, daß die Narbenlappen mechaniſch gereizt, ſich ſchließen, bald aber wieder öffnen; wenn ſie dagegen mit Pollen belegt werden, ſo lange geſchloſſen bleiben, bis die Befruchtung geſichert iſt.
Wie vollkommen die Beſtäubung der Blüthen durch In- ſecten ausgeführt wird, ſtellte er durch einen vergleichenden Ver- ſuch feſt, wo 310 Blumen mit dem Pinſel künſtlich, ebenſoviele von den Inſecten beſtäubt wurden; die Samenbildung der letz- teren blieb nur wenig hinter der jener zurück, obgleich die In- ſecten von ungünſtigem Wetter behindert waren.
Ebenſo ſuchte er die Zeit feſtzuſtellen, welche von der Auf- tragung des Pollens aus gerechnet nöthig iſt, um die zur Be- fruchtung erforderliche Quantität „Samenſtoff“ in den Frucht- knoten gelangen zu laſſen; auch zeigte er, daß die Beſtäubung auch im Finſtern die Befruchtung bewirkt; ſpätere Botaniker behaup- teten zwar das Gegentheil, aber mit Unrecht.
Weniger glücklich war Koelreuter mit ſeinen Beobacht- ungen über die Structur der Pollenkörner, da es ſich hier ausſchließlich um mikroſkopiſche Beobachtungen handelte und ge- rade in jener Zeit die Mikroſkope noch ſehr mangelhaft waren. Dennoch ſah er, daß die Haut des Pollenkornes aus zwei iſo- lirten Schichten beſteht, erkannte die Stacheln und ſonſtigen Skulpturverhältniſſe der äußeren Schicht und ihre Elaſticität; bei Passiflora coerulea beobachtete er die Deckel an den Lö- chern der Exine und bei den in Waſſer gelegten Pollenkörnern ſah er ſogar die innere Haut in Form zapfenartiger Ausſtülp- ungen hervortreten, die dann freilich zeriſſen und den Inhalt ausgoſſen. Doch deutete er die von ihm geſehenen Pollenſchlauch- anfänge unrichtig, indem er annahm, dieſe Ausſtülpungen hät- ten den Zweck, das Platzen befeuchteter Pollenkörner zu verhin- dern. Klarer wurde man über dieſen Punct jedoch erſt 60-70 Jahre ſpäter. Koelreuter hielt den Inhalt des Pollens für ein
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[443/0455]
Weiterer Ausbau der Sexualtheorie etc. etc.
reizbaren Staubfäden von Opuntia, Berberis und Cistus in
Betracht, und entdeckte ſeinerſeits die Reizbarkeit der Narben-
lappen von Martynia proboscidea und Bignonia radicans.
Hier erkannte er, daß die Narbenlappen mechaniſch gereizt, ſich
ſchließen, bald aber wieder öffnen; wenn ſie dagegen mit Pollen
belegt werden, ſo lange geſchloſſen bleiben, bis die Befruchtung
geſichert iſt.
Wie vollkommen die Beſtäubung der Blüthen durch In-
ſecten ausgeführt wird, ſtellte er durch einen vergleichenden Ver-
ſuch feſt, wo 310 Blumen mit dem Pinſel künſtlich, ebenſoviele
von den Inſecten beſtäubt wurden; die Samenbildung der letz-
teren blieb nur wenig hinter der jener zurück, obgleich die In-
ſecten von ungünſtigem Wetter behindert waren.
Ebenſo ſuchte er die Zeit feſtzuſtellen, welche von der Auf-
tragung des Pollens aus gerechnet nöthig iſt, um die zur Be-
fruchtung erforderliche Quantität „Samenſtoff“ in den Frucht-
knoten gelangen zu laſſen; auch zeigte er, daß die Beſtäubung auch
im Finſtern die Befruchtung bewirkt; ſpätere Botaniker behaup-
teten zwar das Gegentheil, aber mit Unrecht.
Weniger glücklich war Koelreuter mit ſeinen Beobacht-
ungen über die Structur der Pollenkörner, da es ſich hier
ausſchließlich um mikroſkopiſche Beobachtungen handelte und ge-
rade in jener Zeit die Mikroſkope noch ſehr mangelhaft waren.
Dennoch ſah er, daß die Haut des Pollenkornes aus zwei iſo-
lirten Schichten beſteht, erkannte die Stacheln und ſonſtigen
Skulpturverhältniſſe der äußeren Schicht und ihre Elaſticität;
bei Passiflora coerulea beobachtete er die Deckel an den Lö-
chern der Exine und bei den in Waſſer gelegten Pollenkörnern
ſah er ſogar die innere Haut in Form zapfenartiger Ausſtülp-
ungen hervortreten, die dann freilich zeriſſen und den Inhalt
ausgoſſen. Doch deutete er die von ihm geſehenen Pollenſchlauch-
anfänge unrichtig, indem er annahm, dieſe Ausſtülpungen hät-
ten den Zweck, das Platzen befeuchteter Pollenkörner zu verhin-
dern. Klarer wurde man über dieſen Punct jedoch erſt 60-70
Jahre ſpäter. Koelreuter hielt den Inhalt des Pollens für ein
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/455>, abgerufen am 22.11.2024.
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