Verbreitung der neuen Lehre ihre Anhänger und Gegner.
beliebig angenommenen Prämissen die Rede ist, leuchtet so- fort ein.
Demnach haben Linne und seine Schüler in dem Zeit- raum zwischen Camerarius' und Koelreuter's Arbeiten zur Begründung der Thatsache, daß es eine geschlechtliche Dif- ferenz bei den Pflanzen und eine Bastardirung verschiedener Arten gebe, keinen einzigen neuen oder stichhaltigen Beweis beigebracht und wenn dennoch zahlreiche spätere Botaniker Linne's große Verdienste um die Sexualtheorie gerühmt, ihn als den hervor- ragendsten Begründer derselben bezeichnet haben, so beruhte das zum Theil darauf, daß sie Linne's scholastische Deductionen von naturwissenschaftlichen Beweisen nicht zu unterscheiden ver- mochten, zum Theil auf der früher schon erwähnten Verwechs- lung der Begriffe Sexualität und der auf die Sexualorgane ge- gründeten Eintheilung der Pflanzen; auf eine solche laufen z. B. auch die Ansprüche hinaus, welche Renzi für Patrizi erhoben, Ernst Mayer jedoch bereits als auf diesem Irrthum beruhend zurückgewiesen hat (Mayer, Gesch. d. Bot. IV p. 420). Noch in unserem Jahrhundert wurde De Candolle von Johann Jacob Römer getadelt, daß er Linne nicht als den Begründer der Sexualtheorie habe gelten lassen.
Nun zum Schluß noch einige Worte über diejenigen Schrift- steller, welche nach des Camerarius Untersuchungen die Sexualität der Pflanzen noch leugneten, weil sie entweder die Literatur nicht kannten, oder unfähig waren, wissenschaftliche Beweise zu würdigen. Zunächst ist hier Tournefort zu nennen, der großen Autorität wegen, welche er unter den Botanikern in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts genoß. In seinen uns schon bekannten Institutiones rei herbariae vom Jahr 1700 (I. p. 69) handelt er von der physiologischen Bedeutung der Blüthentheile, wie es scheint, völlig ohne Kenntniß der Unter- suchungen des Camerarius, aber jedenfalls mit Anlehnung an Malpighi's Ansichten. Die Blumenblätter sollen aus den Blüthenstielen Nahrung aufnehmen, welche sie wie Eingeweide weiter verarbeiten und der wachsenden Frucht darbieten, während
Sachs, Geschichte der Botanik. 28
Verbreitung der neuen Lehre ihre Anhänger und Gegner.
beliebig angenommenen Prämiſſen die Rede iſt, leuchtet ſo- fort ein.
Demnach haben Linné und ſeine Schüler in dem Zeit- raum zwiſchen Camerarius' und Koelreuter's Arbeiten zur Begründung der Thatſache, daß es eine geſchlechtliche Dif- ferenz bei den Pflanzen und eine Baſtardirung verſchiedener Arten gebe, keinen einzigen neuen oder ſtichhaltigen Beweis beigebracht und wenn dennoch zahlreiche ſpätere Botaniker Linné's große Verdienſte um die Sexualtheorie gerühmt, ihn als den hervor- ragendſten Begründer derſelben bezeichnet haben, ſo beruhte das zum Theil darauf, daß ſie Linné's ſcholaſtiſche Deductionen von naturwiſſenſchaftlichen Beweiſen nicht zu unterſcheiden ver- mochten, zum Theil auf der früher ſchon erwähnten Verwechs- lung der Begriffe Sexualität und der auf die Sexualorgane ge- gründeten Eintheilung der Pflanzen; auf eine ſolche laufen z. B. auch die Anſprüche hinaus, welche Renzi für Patrizi erhoben, Ernſt Mayer jedoch bereits als auf dieſem Irrthum beruhend zurückgewieſen hat (Mayer, Geſch. d. Bot. IV p. 420). Noch in unſerem Jahrhundert wurde De Candolle von Johann Jacob Römer getadelt, daß er Linné nicht als den Begründer der Sexualtheorie habe gelten laſſen.
Nun zum Schluß noch einige Worte über diejenigen Schrift- ſteller, welche nach des Camerarius Unterſuchungen die Sexualität der Pflanzen noch leugneten, weil ſie entweder die Literatur nicht kannten, oder unfähig waren, wiſſenſchaftliche Beweiſe zu würdigen. Zunächſt iſt hier Tournefort zu nennen, der großen Autorität wegen, welche er unter den Botanikern in der erſten Hälfte des 18. Jahrhunderts genoß. In ſeinen uns ſchon bekannten Institutiones rei herbariae vom Jahr 1700 (I. p. 69) handelt er von der phyſiologiſchen Bedeutung der Blüthentheile, wie es ſcheint, völlig ohne Kenntniß der Unter- ſuchungen des Camerarius, aber jedenfalls mit Anlehnung an Malpighi's Anſichten. Die Blumenblätter ſollen aus den Blüthenſtielen Nahrung aufnehmen, welche ſie wie Eingeweide weiter verarbeiten und der wachſenden Frucht darbieten, während
Sachs, Geſchichte der Botanik. 28
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Verbreitung der neuen Lehre ihre Anhänger und Gegner.
beliebig angenommenen Prämiſſen die Rede iſt, leuchtet ſo-
fort ein.
Demnach haben Linné und ſeine Schüler in dem Zeit-
raum zwiſchen Camerarius' und Koelreuter's Arbeiten
zur Begründung der Thatſache, daß es eine geſchlechtliche Dif-
ferenz bei den Pflanzen und eine Baſtardirung verſchiedener Arten
gebe, keinen einzigen neuen oder ſtichhaltigen Beweis beigebracht
und wenn dennoch zahlreiche ſpätere Botaniker Linné's große
Verdienſte um die Sexualtheorie gerühmt, ihn als den hervor-
ragendſten Begründer derſelben bezeichnet haben, ſo beruhte das
zum Theil darauf, daß ſie Linné's ſcholaſtiſche Deductionen
von naturwiſſenſchaftlichen Beweiſen nicht zu unterſcheiden ver-
mochten, zum Theil auf der früher ſchon erwähnten Verwechs-
lung der Begriffe Sexualität und der auf die Sexualorgane ge-
gründeten Eintheilung der Pflanzen; auf eine ſolche laufen z. B.
auch die Anſprüche hinaus, welche Renzi für Patrizi erhoben,
Ernſt Mayer jedoch bereits als auf dieſem Irrthum beruhend
zurückgewieſen hat (Mayer, Geſch. d. Bot. IV p. 420). Noch
in unſerem Jahrhundert wurde De Candolle von Johann
Jacob Römer getadelt, daß er Linné nicht als den Begründer
der Sexualtheorie habe gelten laſſen.
Nun zum Schluß noch einige Worte über diejenigen Schrift-
ſteller, welche nach des Camerarius Unterſuchungen die
Sexualität der Pflanzen noch leugneten, weil ſie entweder die
Literatur nicht kannten, oder unfähig waren, wiſſenſchaftliche
Beweiſe zu würdigen. Zunächſt iſt hier Tournefort zu nennen,
der großen Autorität wegen, welche er unter den Botanikern in
der erſten Hälfte des 18. Jahrhunderts genoß. In ſeinen uns
ſchon bekannten Institutiones rei herbariae vom Jahr 1700
(I. p. 69) handelt er von der phyſiologiſchen Bedeutung der
Blüthentheile, wie es ſcheint, völlig ohne Kenntniß der Unter-
ſuchungen des Camerarius, aber jedenfalls mit Anlehnung
an Malpighi's Anſichten. Die Blumenblätter ſollen aus
den Blüthenſtielen Nahrung aufnehmen, welche ſie wie Eingeweide
weiter verarbeiten und der wachſenden Frucht darbieten, während
Sachs, Geſchichte der Botanik. 28
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/445>, abgerufen am 13.05.2024.
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