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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Geschichte der Sexualtheorie.
Blüthentheile" an Tournefort an, der ein entschiedener Gegner
der Sexualität der Pflanzen war. Die Blüthentheile werden
flüchtig beschrieben, einige Formen der Pollenkörner abgebildet,
die vorgefaßte Meinung, daß der Griffel eine Röhre sein müsse,
durch einen einzigen Versuch, durch Wasseraufsaugung mittelst des
Griffels einer Lilie scheinbar bestätigt. Die Ansicht, daß der Pollen
nicht, wie Tournefort gleich Malpighi behauptet hatte,
ein Excrement sei, wird zum Theil durch ganz nichtssagende Be-
weise gestützt z. B. durch die falsche Behauptung, die Staubge-
fäße seien immer so gestellt, daß die Extremität der Pistills
nothwendig ihren Staub aufnehmen müsse. Der einzige Beweis,
daß die Samen unfruchtbar bleiben, wenn Blüthenstaub nicht mit-
wirkt, wird durch sehr flüchtige Angaben über Versuche mit
Mais und Mercurialis gegeben. Der Erfolg dieser Versuche
ebenso wie gewisse sonstige Aeußerungen Geoffroy's erinnern
mehr, als bloßer Zufall bewirken könnte, an den Text des Briefes
von Camerarius. Sollte Geoffroy, was ich einigermaßen
bezweifle, wirklich selbst Versuche mit Mais und Mercurialis
gemacht haben, so wären sie doch um fünfzehn Jahre jünger
als die des Camerarius, der unter anderen auch diese
Versuche gemacht und viel besser beschrieben hatte. Geoffroy
sucht nun zu zeigen, auf welche Weise der Blüthenstaub die Be-
fruchtung bewirke und stellt darüber zweierlei Ansichten auf:
1) der Staub sei sehr schwefelhaltiger Natur, seine Theile lösen
sich auf dem Pistill, die subtilsten dringen in den Fruchtknoten,
wo sie durch eine von ihnen eingeleitete Fermentation die Ent-
stehung des Embryos bewirken; oder 2) die Pollenkörner ent-
halten schon die Embryonen, die in den Samen gelangt daselbst
ausgebrütet werden; also die bereits von Morland, der jedoch
nicht erwähnt wird, gemachte Annahme. Dies hält er für den
wahrscheinlicheren Fall, zunächst deßhalb, weil man vor der Be-
fruchtung noch keinen Embryo im Samen erblicke und weil die
Samen der Bohnen eine Oeffnung (die Mikropyle), besitzen; es
entgeht ihm dabei, daß diese Thatsachen ebenso sehr für die erste,
wie für die zweite Ansicht sprechen.

Geſchichte der Sexualtheorie.
Blüthentheile“ an Tournefort an, der ein entſchiedener Gegner
der Sexualität der Pflanzen war. Die Blüthentheile werden
flüchtig beſchrieben, einige Formen der Pollenkörner abgebildet,
die vorgefaßte Meinung, daß der Griffel eine Röhre ſein müſſe,
durch einen einzigen Verſuch, durch Waſſeraufſaugung mittelſt des
Griffels einer Lilie ſcheinbar beſtätigt. Die Anſicht, daß der Pollen
nicht, wie Tournefort gleich Malpighi behauptet hatte,
ein Excrement ſei, wird zum Theil durch ganz nichtsſagende Be-
weiſe geſtützt z. B. durch die falſche Behauptung, die Staubge-
fäße ſeien immer ſo geſtellt, daß die Extremität der Piſtills
nothwendig ihren Staub aufnehmen müſſe. Der einzige Beweis,
daß die Samen unfruchtbar bleiben, wenn Blüthenſtaub nicht mit-
wirkt, wird durch ſehr flüchtige Angaben über Verſuche mit
Mais und Mercurialis gegeben. Der Erfolg dieſer Verſuche
ebenſo wie gewiſſe ſonſtige Aeußerungen Geoffroy's erinnern
mehr, als bloßer Zufall bewirken könnte, an den Text des Briefes
von Camerarius. Sollte Geoffroy, was ich einigermaßen
bezweifle, wirklich ſelbſt Verſuche mit Mais und Mercurialis
gemacht haben, ſo wären ſie doch um fünfzehn Jahre jünger
als die des Camerarius, der unter anderen auch dieſe
Verſuche gemacht und viel beſſer beſchrieben hatte. Geoffroy
ſucht nun zu zeigen, auf welche Weiſe der Blüthenſtaub die Be-
fruchtung bewirke und ſtellt darüber zweierlei Anſichten auf:
1) der Staub ſei ſehr ſchwefelhaltiger Natur, ſeine Theile löſen
ſich auf dem Piſtill, die ſubtilſten dringen in den Fruchtknoten,
wo ſie durch eine von ihnen eingeleitete Fermentation die Ent-
ſtehung des Embryos bewirken; oder 2) die Pollenkörner ent-
halten ſchon die Embryonen, die in den Samen gelangt daſelbſt
ausgebrütet werden; alſo die bereits von Morland, der jedoch
nicht erwähnt wird, gemachte Annahme. Dies hält er für den
wahrſcheinlicheren Fall, zunächſt deßhalb, weil man vor der Be-
fruchtung noch keinen Embryo im Samen erblicke und weil die
Samen der Bohnen eine Oeffnung (die Mikropyle), beſitzen; es
entgeht ihm dabei, daß dieſe Thatſachen ebenſo ſehr für die erſte,
wie für die zweite Anſicht ſprechen.

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[428/0440] Geſchichte der Sexualtheorie. Blüthentheile“ an Tournefort an, der ein entſchiedener Gegner der Sexualität der Pflanzen war. Die Blüthentheile werden flüchtig beſchrieben, einige Formen der Pollenkörner abgebildet, die vorgefaßte Meinung, daß der Griffel eine Röhre ſein müſſe, durch einen einzigen Verſuch, durch Waſſeraufſaugung mittelſt des Griffels einer Lilie ſcheinbar beſtätigt. Die Anſicht, daß der Pollen nicht, wie Tournefort gleich Malpighi behauptet hatte, ein Excrement ſei, wird zum Theil durch ganz nichtsſagende Be- weiſe geſtützt z. B. durch die falſche Behauptung, die Staubge- fäße ſeien immer ſo geſtellt, daß die Extremität der Piſtills nothwendig ihren Staub aufnehmen müſſe. Der einzige Beweis, daß die Samen unfruchtbar bleiben, wenn Blüthenſtaub nicht mit- wirkt, wird durch ſehr flüchtige Angaben über Verſuche mit Mais und Mercurialis gegeben. Der Erfolg dieſer Verſuche ebenſo wie gewiſſe ſonſtige Aeußerungen Geoffroy's erinnern mehr, als bloßer Zufall bewirken könnte, an den Text des Briefes von Camerarius. Sollte Geoffroy, was ich einigermaßen bezweifle, wirklich ſelbſt Verſuche mit Mais und Mercurialis gemacht haben, ſo wären ſie doch um fünfzehn Jahre jünger als die des Camerarius, der unter anderen auch dieſe Verſuche gemacht und viel beſſer beſchrieben hatte. Geoffroy ſucht nun zu zeigen, auf welche Weiſe der Blüthenſtaub die Be- fruchtung bewirke und ſtellt darüber zweierlei Anſichten auf: 1) der Staub ſei ſehr ſchwefelhaltiger Natur, ſeine Theile löſen ſich auf dem Piſtill, die ſubtilſten dringen in den Fruchtknoten, wo ſie durch eine von ihnen eingeleitete Fermentation die Ent- ſtehung des Embryos bewirken; oder 2) die Pollenkörner ent- halten ſchon die Embryonen, die in den Samen gelangt daſelbſt ausgebrütet werden; alſo die bereits von Morland, der jedoch nicht erwähnt wird, gemachte Annahme. Dies hält er für den wahrſcheinlicheren Fall, zunächſt deßhalb, weil man vor der Be- fruchtung noch keinen Embryo im Samen erblicke und weil die Samen der Bohnen eine Oeffnung (die Mikropyle), beſitzen; es entgeht ihm dabei, daß dieſe Thatſachen ebenſo ſehr für die erſte, wie für die zweite Anſicht ſprechen.

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/440>, abgerufen am 28.11.2024.