sten Botaniker nach 1840 in Anspruch genommen wurde, so kann es nicht Wunder nehmen, daß die übrigen Theile der Pflanzenphysiologie, welche Experimente und Vegetationsversuche erfordern, nur wenig und nebenbei kultivirt wurden; doch ge- wann auch diese Richtung eine festere Grundlage durch die Fort- schritte der Phytotomie, welche dem Physiologen nunmehr ein bestimmteres Bild des Apparates vorführten, an welchem sich die vegetativen Lebenserscheinungen vollziehen.
Von den eigentlich physiologischen Disziplinen war es neben der Sexualtheorie nur noch die Lehre von dem Chemismus der Pflanzenernährung, welche in dem Zeitraum von 1840-1860 continuirlich und mit namhaften Erfolg kultivirt wurde; dieß geschah aber nicht oder nur ganz nebenbei von den Botanikern, sondern vorwiegend von Chemikern, welche an die Resultate Sau- ßure's anknüpfend die Ernährungsvorgänge untersuchten. Nament- lich waren es die Fragen nach der Unentbehrlichkeit aller oder gewisser Aschenbestandtheile für die Ernährung, die Herkunft der- selben und die daran sich knüpfenden Erwägungen über die Er- schöpfung des Ackerlandes durch die Pflanzenkultur und die ent- sprechende Abhülfe durch geeignete Düngung, welche die Agri- kulturchemiker bis gegen 1860 hin bearbeiteten. In Frankreich hatte schon vor 1840 Boussingault experimentelle und ana- lytische Untersuchungen in dieser Richtung unternommen und auch im Lauf der folgenden zwanzig Jahre war er es, der die physiologisch werthvollsten Thatsachen zu Tage förderte, unter denen als eine der wichtigsten die zu nennen ist, daß die Pflanzen den freien atmosphärischen Stickstoff zu ihrer Ernährung nicht benützen, daß sie dazu vielmehr Stickstoffverbindungen auf- nehmen müssen. In Deutschland gewann die Bearbeitung der- artiger Fragen ein erhöhtes Interesse dadurch, daß Justus Liebig aus dem bis 1840 Bekannten das principiell Wichtige von dem Nebensächlichen und Unbedeutenden scharf absonderte und auf die große praktische Wichtigkeit der Theorie der Pflanzenernährung für die Land- und Forstwirtschaft hinwies; bald wurden daher auch beträchtliche öffentliche Mittel für derartige Untersuchungen
Einleitung.
ſten Botaniker nach 1840 in Anſpruch genommen wurde, ſo kann es nicht Wunder nehmen, daß die übrigen Theile der Pflanzenphyſiologie, welche Experimente und Vegetationsverſuche erfordern, nur wenig und nebenbei kultivirt wurden; doch ge- wann auch dieſe Richtung eine feſtere Grundlage durch die Fort- ſchritte der Phytotomie, welche dem Phyſiologen nunmehr ein beſtimmteres Bild des Apparates vorführten, an welchem ſich die vegetativen Lebenserſcheinungen vollziehen.
Von den eigentlich phyſiologiſchen Disziplinen war es neben der Sexualtheorie nur noch die Lehre von dem Chemismus der Pflanzenernährung, welche in dem Zeitraum von 1840-1860 continuirlich und mit namhaften Erfolg kultivirt wurde; dieß geſchah aber nicht oder nur ganz nebenbei von den Botanikern, ſondern vorwiegend von Chemikern, welche an die Reſultate Sau- ßure's anknüpfend die Ernährungsvorgänge unterſuchten. Nament- lich waren es die Fragen nach der Unentbehrlichkeit aller oder gewiſſer Aſchenbeſtandtheile für die Ernährung, die Herkunft der- ſelben und die daran ſich knüpfenden Erwägungen über die Er- ſchöpfung des Ackerlandes durch die Pflanzenkultur und die ent- ſprechende Abhülfe durch geeignete Düngung, welche die Agri- kulturchemiker bis gegen 1860 hin bearbeiteten. In Frankreich hatte ſchon vor 1840 Bouſſingault experimentelle und ana- lytiſche Unterſuchungen in dieſer Richtung unternommen und auch im Lauf der folgenden zwanzig Jahre war er es, der die phyſiologiſch werthvollſten Thatſachen zu Tage förderte, unter denen als eine der wichtigſten die zu nennen iſt, daß die Pflanzen den freien atmosphäriſchen Stickſtoff zu ihrer Ernährung nicht benützen, daß ſie dazu vielmehr Stickſtoffverbindungen auf- nehmen müſſen. In Deutſchland gewann die Bearbeitung der- artiger Fragen ein erhöhtes Intereſſe dadurch, daß Juſtus Liebig aus dem bis 1840 Bekannten das principiell Wichtige von dem Nebenſächlichen und Unbedeutenden ſcharf abſonderte und auf die große praktiſche Wichtigkeit der Theorie der Pflanzenernährung für die Land- und Forſtwirtſchaft hinwies; bald wurden daher auch beträchtliche öffentliche Mittel für derartige Unterſuchungen
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Einleitung.
ſten Botaniker nach 1840 in Anſpruch genommen wurde, ſo
kann es nicht Wunder nehmen, daß die übrigen Theile der
Pflanzenphyſiologie, welche Experimente und Vegetationsverſuche
erfordern, nur wenig und nebenbei kultivirt wurden; doch ge-
wann auch dieſe Richtung eine feſtere Grundlage durch die Fort-
ſchritte der Phytotomie, welche dem Phyſiologen nunmehr ein
beſtimmteres Bild des Apparates vorführten, an welchem ſich
die vegetativen Lebenserſcheinungen vollziehen.
Von den eigentlich phyſiologiſchen Disziplinen war es neben
der Sexualtheorie nur noch die Lehre von dem Chemismus der
Pflanzenernährung, welche in dem Zeitraum von 1840-1860
continuirlich und mit namhaften Erfolg kultivirt wurde; dieß
geſchah aber nicht oder nur ganz nebenbei von den Botanikern,
ſondern vorwiegend von Chemikern, welche an die Reſultate Sau-
ßure's anknüpfend die Ernährungsvorgänge unterſuchten. Nament-
lich waren es die Fragen nach der Unentbehrlichkeit aller oder
gewiſſer Aſchenbeſtandtheile für die Ernährung, die Herkunft der-
ſelben und die daran ſich knüpfenden Erwägungen über die Er-
ſchöpfung des Ackerlandes durch die Pflanzenkultur und die ent-
ſprechende Abhülfe durch geeignete Düngung, welche die Agri-
kulturchemiker bis gegen 1860 hin bearbeiteten. In Frankreich
hatte ſchon vor 1840 Bouſſingault experimentelle und ana-
lytiſche Unterſuchungen in dieſer Richtung unternommen und
auch im Lauf der folgenden zwanzig Jahre war er es, der die
phyſiologiſch werthvollſten Thatſachen zu Tage förderte, unter
denen als eine der wichtigſten die zu nennen iſt, daß die Pflanzen
den freien atmosphäriſchen Stickſtoff zu ihrer Ernährung nicht
benützen, daß ſie dazu vielmehr Stickſtoffverbindungen auf-
nehmen müſſen. In Deutſchland gewann die Bearbeitung der-
artiger Fragen ein erhöhtes Intereſſe dadurch, daß Juſtus Liebig
aus dem bis 1840 Bekannten das principiell Wichtige von dem
Nebenſächlichen und Unbedeutenden ſcharf abſonderte und auf die
große praktiſche Wichtigkeit der Theorie der Pflanzenernährung
für die Land- und Forſtwirtſchaft hinwies; bald wurden daher
auch beträchtliche öffentliche Mittel für derartige Unterſuchungen
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/414>, abgerufen am 25.11.2024.
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