Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.Einleitung. durch freie Zellbildung entstehe, nachdem dasselbe bis in denEmbryosack hineingewachsen sei. Aber schon 1846 zeigte Amici und 1849 Hofmeister das Irrthümliche dieser Auffassung, indem sie nachwiesen, daß die Keimanlage innerhalb des Embryosackes bereits vor der Ankunft des Pollenschlauches vorhanden ist, durch dessen Eintreffen aber erst zu weiterer Entwicklung, zur Bildung des Embryos angeregt wird. Ebenso ließen Hofmeisters weitere Beobachtungen über die Embryologie der Gefäßkryptogamen und Moose keinen Zweifel, daß die zum Theil bereits von Unger und Nägeli entdeckten Spermatozoiden dieser Pflanzen- gruppen dazu dienen, eine in dem weiblichen Organ vorgebildete Keimanlage, die Eizelle zu befruchten und zu weiterer Entwick- lung anzuregen (1849, 1851). Bald darauf wurde auch der Sexualakt bei verschiedenen Algen aufgefunden und hier war es, wo die beste Gelegenheit sich bot, auf mikroskopischem Wege die von den experimentellen Ergebnissen noch offen gelassenen Fragen ihrer Lösung entgegenzuführen. Thuret zeigte 1854, wie die großen Eizellen der Fucusarten von Spermatozoiden umschwärmt und be- fruchtet werden, es gelang ihm sogar Bastardirungen durch Vermisch- ung der Spermatozoiden einer Art mit den Eiern einer anderen her- beizuführen; doch blieb auch hier die Frage noch offen, ob eine bloße Berührung der männlichen und weiblichen Organe genüge, oder ob die Befruchtung durch die Verschmelzung der Substanz des Sper- matozoids und der Eizelle stattfindet; diese Frage wurde 1855 von Pringsheim entschieden, indem er bei einer Süßwasseralge die männ- lichen Befruchtungskörper in die Substanz der Eizelle eindringen und in derselben sich auflösen sah, ein Vorgang, der später auch bei höheren Kryptogamen beobachtet wurde und in seiner ein- fachsten Form in dem Sexualakt der Conjugaten sich darstellt, den De Bary 1858 ausführlich beschrieb und, wie Vaucher bereits gethan hatte, als einen sexuellen Vorgang auffaßte. Wenn man bedenkt, wie sehr durch die schwierigen und zeit- Sachs, Geschichte der Botanik. 26
Einleitung. durch freie Zellbildung entſtehe, nachdem dasſelbe bis in denEmbryoſack hineingewachſen ſei. Aber ſchon 1846 zeigte Amici und 1849 Hofmeiſter das Irrthümliche dieſer Auffaſſung, indem ſie nachwieſen, daß die Keimanlage innerhalb des Embryoſackes bereits vor der Ankunft des Pollenſchlauches vorhanden iſt, durch deſſen Eintreffen aber erſt zu weiterer Entwicklung, zur Bildung des Embryos angeregt wird. Ebenſo ließen Hofmeiſters weitere Beobachtungen über die Embryologie der Gefäßkryptogamen und Mooſe keinen Zweifel, daß die zum Theil bereits von Unger und Nägeli entdeckten Spermatozoiden dieſer Pflanzen- gruppen dazu dienen, eine in dem weiblichen Organ vorgebildete Keimanlage, die Eizelle zu befruchten und zu weiterer Entwick- lung anzuregen (1849, 1851). Bald darauf wurde auch der Sexualakt bei verſchiedenen Algen aufgefunden und hier war es, wo die beſte Gelegenheit ſich bot, auf mikroskopiſchem Wege die von den experimentellen Ergebniſſen noch offen gelaſſenen Fragen ihrer Löſung entgegenzuführen. Thuret zeigte 1854, wie die großen Eizellen der Fucusarten von Spermatozoiden umſchwärmt und be- fruchtet werden, es gelang ihm ſogar Baſtardirungen durch Vermiſch- ung der Spermatozoiden einer Art mit den Eiern einer anderen her- beizuführen; doch blieb auch hier die Frage noch offen, ob eine bloße Berührung der männlichen und weiblichen Organe genüge, oder ob die Befruchtung durch die Verſchmelzung der Subſtanz des Sper- matozoids und der Eizelle ſtattfindet; dieſe Frage wurde 1855 von Pringsheim entſchieden, indem er bei einer Süßwaſſeralge die männ- lichen Befruchtungskörper in die Subſtanz der Eizelle eindringen und in derſelben ſich auflöſen ſah, ein Vorgang, der ſpäter auch bei höheren Kryptogamen beobachtet wurde und in ſeiner ein- fachſten Form in dem Sexualakt der Conjugaten ſich darſtellt, den De Bary 1858 ausführlich beſchrieb und, wie Vaucher bereits gethan hatte, als einen ſexuellen Vorgang auffaßte. Wenn man bedenkt, wie ſehr durch die ſchwierigen und zeit- Sachs, Geſchichte der Botanik. 26
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0413" n="401"/><fw place="top" type="header">Einleitung.</fw><lb/> durch freie Zellbildung entſtehe, nachdem dasſelbe bis in den<lb/> Embryoſack hineingewachſen ſei. Aber ſchon 1846 zeigte <hi rendition="#g">Amici</hi><lb/> und 1849 <hi rendition="#g">Hofmeiſter</hi> das Irrthümliche dieſer Auffaſſung, indem<lb/> ſie nachwieſen, daß die Keimanlage innerhalb des Embryoſackes<lb/> bereits vor der Ankunft des Pollenſchlauches vorhanden iſt,<lb/> durch deſſen Eintreffen aber erſt zu weiterer Entwicklung, zur<lb/> Bildung des Embryos angeregt wird. Ebenſo ließen Hofmeiſters<lb/> weitere Beobachtungen über die Embryologie der Gefäßkryptogamen<lb/> und Mooſe keinen Zweifel, daß die zum Theil bereits von<lb/> Unger und Nägeli entdeckten Spermatozoiden dieſer Pflanzen-<lb/> gruppen dazu dienen, eine in dem weiblichen Organ vorgebildete<lb/> Keimanlage, die Eizelle zu befruchten und zu weiterer Entwick-<lb/> lung anzuregen (1849, 1851). Bald darauf wurde auch der<lb/> Sexualakt bei verſchiedenen Algen aufgefunden und hier war es,<lb/> wo die beſte Gelegenheit ſich bot, auf mikroskopiſchem Wege die von<lb/> den experimentellen Ergebniſſen noch offen gelaſſenen Fragen ihrer<lb/> Löſung entgegenzuführen. <hi rendition="#g">Thuret</hi> zeigte 1854, wie die großen<lb/> Eizellen der Fucusarten von Spermatozoiden umſchwärmt und be-<lb/> fruchtet werden, es gelang ihm ſogar Baſtardirungen durch Vermiſch-<lb/> ung der Spermatozoiden einer Art mit den Eiern einer anderen her-<lb/> beizuführen; doch blieb auch hier die Frage noch offen, ob eine bloße<lb/> Berührung der männlichen und weiblichen Organe genüge, oder ob<lb/> die Befruchtung durch die Verſchmelzung der Subſtanz des Sper-<lb/> matozoids und der Eizelle ſtattfindet; dieſe Frage wurde 1855 von<lb/> Pringsheim entſchieden, indem er bei einer Süßwaſſeralge die männ-<lb/> lichen Befruchtungskörper in die Subſtanz der Eizelle eindringen<lb/> und in derſelben ſich auflöſen ſah, ein Vorgang, der ſpäter auch<lb/> bei höheren Kryptogamen beobachtet wurde und in ſeiner ein-<lb/> fachſten Form in dem Sexualakt der Conjugaten ſich darſtellt,<lb/> den <hi rendition="#g">De Bary</hi> 1858 ausführlich beſchrieb und, wie <hi rendition="#g">Vaucher</hi><lb/> bereits gethan hatte, als einen ſexuellen Vorgang auffaßte.</p><lb/> <p>Wenn man bedenkt, wie ſehr durch die ſchwierigen und zeit-<lb/> raubenden Beobachtungen über die feinere Anatomie der Pflanzen,<lb/> über die Zellbildung, die Embryologie und Entwicklungsgeſchichte<lb/> der Organe die Zeit und Arbeitskraft gerade der hervorragend-<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Sachs</hi>, Geſchichte der Botanik. 26</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [401/0413]
Einleitung.
durch freie Zellbildung entſtehe, nachdem dasſelbe bis in den
Embryoſack hineingewachſen ſei. Aber ſchon 1846 zeigte Amici
und 1849 Hofmeiſter das Irrthümliche dieſer Auffaſſung, indem
ſie nachwieſen, daß die Keimanlage innerhalb des Embryoſackes
bereits vor der Ankunft des Pollenſchlauches vorhanden iſt,
durch deſſen Eintreffen aber erſt zu weiterer Entwicklung, zur
Bildung des Embryos angeregt wird. Ebenſo ließen Hofmeiſters
weitere Beobachtungen über die Embryologie der Gefäßkryptogamen
und Mooſe keinen Zweifel, daß die zum Theil bereits von
Unger und Nägeli entdeckten Spermatozoiden dieſer Pflanzen-
gruppen dazu dienen, eine in dem weiblichen Organ vorgebildete
Keimanlage, die Eizelle zu befruchten und zu weiterer Entwick-
lung anzuregen (1849, 1851). Bald darauf wurde auch der
Sexualakt bei verſchiedenen Algen aufgefunden und hier war es,
wo die beſte Gelegenheit ſich bot, auf mikroskopiſchem Wege die von
den experimentellen Ergebniſſen noch offen gelaſſenen Fragen ihrer
Löſung entgegenzuführen. Thuret zeigte 1854, wie die großen
Eizellen der Fucusarten von Spermatozoiden umſchwärmt und be-
fruchtet werden, es gelang ihm ſogar Baſtardirungen durch Vermiſch-
ung der Spermatozoiden einer Art mit den Eiern einer anderen her-
beizuführen; doch blieb auch hier die Frage noch offen, ob eine bloße
Berührung der männlichen und weiblichen Organe genüge, oder ob
die Befruchtung durch die Verſchmelzung der Subſtanz des Sper-
matozoids und der Eizelle ſtattfindet; dieſe Frage wurde 1855 von
Pringsheim entſchieden, indem er bei einer Süßwaſſeralge die männ-
lichen Befruchtungskörper in die Subſtanz der Eizelle eindringen
und in derſelben ſich auflöſen ſah, ein Vorgang, der ſpäter auch
bei höheren Kryptogamen beobachtet wurde und in ſeiner ein-
fachſten Form in dem Sexualakt der Conjugaten ſich darſtellt,
den De Bary 1858 ausführlich beſchrieb und, wie Vaucher
bereits gethan hatte, als einen ſexuellen Vorgang auffaßte.
Wenn man bedenkt, wie ſehr durch die ſchwierigen und zeit-
raubenden Beobachtungen über die feinere Anatomie der Pflanzen,
über die Zellbildung, die Embryologie und Entwicklungsgeſchichte
der Organe die Zeit und Arbeitskraft gerade der hervorragend-
Sachs, Geſchichte der Botanik. 26
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |